Inflationsrate

Preise gucken als Beruf

Lebensmittel, Obst, Einkauf
Die Preisermittler erkunden, wie teuer Lebensmittel sind. © dpa / pa / Uli Deck
Von Svenja Pelzel · 21.07.2014
Jeden Monat streifen sogenannte Preisermittler durch Lebensmittelgeschäfte, Drogerien und Schuhgeschäfte. Sie notieren, was ausgewählte Produkte kosten. Die Ergebnisse verschmelzen dann zu einer Zahl: der Inflationsrate.
In der Tiefgarage am Potsdamer Platz sortiert Christel Kolm aus ihrem dicken Ordner die Zettel raus, die sie heute braucht, legt sie in eine schwarze, abgegriffene Klemmmappe.
"Aber an der häng ich, sonst hätt ich längst mal 'ne neue."
Christel Kolm arbeitet noch mit Papier und Kuli, Laptops kann man sich beim Statistischen Landesamt nicht leisten. Erst ihre Sachbearbeiterin tippt später die Zahlen in den Computer. Ausgerüstet mit der geliebten Klemmmappe, zieht Christel Kolm los ins Einkaufszentrum. Erste Station auf ihrer Liste: Ein Kaffeegeschäft:
"Hallo, möchte mir nur meine zwei Preise wieder angucken für Brasil mild und die Pads. Ihre Kollegin ist heute nicht da."
"Preise angucken??"
"Ja, die junge Frau kennt mich nicht, ich bin vom Amt für Statistik und wir vergleichen die Preise für Kaffee Brasil Mild und die Pads und dann sind wir auch schon wieder raus."
"Ja, machen se das."
"Dankeschön!"
Die Preisermittlerin schreibt zwei Zahlen in zwei Spalten
"Und dann bin ich schon wieder raus, schönen Dank. Tschüssi!"
"Jetzt gehen wir zum heißen Wolf, da brauche ich nur abschreiben oben von der Leuchttafel, det geht auch schnell."
Currywurst, Cola, Pott Kaffee und Chicken Nuggets stehen beim Imbiss auf der Prüfliste.
"Die sagen dann auch genau, was sie haben wollen. Das Geflügelfleischgericht mit Beilage. Chicken Nuggets, wo sind denn die? Ach da. 3,50 ja. Na ja, schreibt man einfach den Preis hin und zack geht's weiter. In der Regel ist es ja so geblieben, wie es im Vormonat war."
Euro-Umstellung war eine Preiserhöhung
Bei der Euro-Umstellung zum 1. Januar 2002 war das allerdings nicht so. Christel Kolm hat auch damals die Preise genau beobachtet und bestätigt den Verdacht vieler: die Einführung des Euros war verbunden mit einer saftigen Preiserhöhung.
"Ja, hab ich so erlebt, aber geschickter gemacht, nicht so auffällig. Die fingen schon an vor der Umstellung so ab September, Oktober, da haben die Preise angezogen. Noch D-Mark Preise. So ist mir das aufgefallen. Und dann haben sie stolz behaupten können, ja, wir rechnen wirklich genau um, bei uns ändert sich gaaar nichts. Es war aber schon vollzogen diese Änderung."
Nächste Station an diesem Vormittag: ein großes Geschäft für Mode.
"Hier haben wir es mit dem Chef auch vereinbart, er sagt, ich kann einfach loslegen, er weiß wer ich bin, den interessiert das einfach nicht."
Die Geschäfte und Dienstleistungsbetriebe müssen bei der Umfrage nicht mitmachen. Christel Kolm hat in den 20 Jahren aber noch nie erlebt, dass sich einer weigert, sobald sie sagt, woher sie kommt.
"Am liebsten sehen se, dass man kommt, wenn man sie überhaupt nicht belästigen muss, sondern alleine da sein Ding macht. Wenn man sie fragen muss und öfter hin geht, na ja. Verdienen se nüscht bei. "
Der "Warenkorb" der Statistiker
Christel Kolm notiert Preise von Hosenanzügen, Blusen, Röcken, Mänteln und Jacken. Weil im Laden regelmäßig umgeräumt wird, muss sie die Kleidungsstücke manchmal erst suchen.
"Is der det? Nee. Ah! Nee, isses auch nicht."
Der braune Anorak, dessen Preis sie im letzten Monat notiert hat, ist ausverkauft. Die Preisermittlerin darf stattdessen ein ähnliches Modell in ihre Liste aufnehmen, welches, bleibt ihr überlassen. Auf ihrem amtlichen Zettel steht nur allgemein: Jacke, für Damen, Ganzjahresmodell.
"Det ist doch ne Jacke. Oh mal sehen, die wird vom Preis - Reißverschlussgeräusch, Rascheln. Preis? Preis. Hier ist eener schön sichtbar. Denkste. Raschelgeräusch 179,-. Ja, det ist in Ordnung."
Die Jacke geht in die Statistik ein. So wie 350.000 andere Waren und Dienstleistungen, die deutschlandweit von Christel Kolm und ihren Kollegen beobachtet werden. Dieser "Warenkorb" wie ihn die Statistiker nennen, wird alle fünf Jahre überprüft.
Christel Kolm hat schon häufiger erlebt, dass etwas raus fliegt, weil es nicht mehr den Lebensgewohnheiten entspricht, so wie neulich zum Beispiel Videorekorder. Dafür gehören jetzt USB-Sticks und Speicherkarten zum Warenkorb.
Nach drei Stunden ist die Preisermittlerin für heute fertig, alle Zahlen sind notiert, die alte Klemmmappe geschossen. Morgen geht die Tour weiter. Am Ende der Woche bringt sie ihre Liste zum Statistischen Landesamt.
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