"Inflation ist keine Antwort auf die Krise"

Moderation: Christopher Ricke · 11.06.2012
Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, Michael Meister, fordert, die Eurozone durch mehr gemeinsame Finanz- und Wirtschaftspolitik zu stärken. Dann habe auch der Euro eine Zukunft. Es solle weiter an der Politik nachhaltiger Stabilität festgehalten werden.
Christopher Ricke: Geld anlegen ist also zurzeit schwierig, und wer auf die Lebensversicherung als Kapitalanlage gesetzt wird, kann auch schon manchmal etwas unruhig werden.

Ich spreche jetzt mit dem stellvertretenden Unions-Fraktionsvorsitzenden im Bundestag Michael Meister, der kann rechnen, er ist Mathematiker. Guten Morgen, Herr Meister!

Michael Meister: Guten Morgen, Herr Ricke!

Ricke: Teilen Sie denn die Sorgen der Anleger und der Versicherungssparer, die wir gerade gehört haben?

Meister: Also es ist mit Sicherheit so, dass massiv Vertrauen in den Finanzmärkten fehlt. Es wird bekämpft dadurch, dass von der Zentralbank, von den Zentralbanken weltweit Überliquidität in die Märkte geschoben wird, aber nicht dorthin kommt, wo es eigentlich benötigt wird. Also das Zusammenspiel von Überliquidität und Vertrauenskrise führt dazu, dass wir diese Situation haben der niedrigen Zinsen.

Um diese Frage muss man sich schon Sorgen machen und wir müssen uns drum bemühen, dass die Vertrauenskrise verschwindet, die ja 2007 mit dem Zusammenbruch IKB begann, wurde dann durch Lehman verstärkt. Also an der Stelle steckt die zentrale Wurzel, und die muss bekämpft werden.

Ricke: Gestatten Sie zu dieser frühen Stunde etwas Zynismus. Warum sagen wir nicht: Her mit der Inflation! Das schmilzt die Schuldenberge ab und das schmilzt auch dieses überflüssige Geld ab, das offenbar niemand zurzeit haben möchte.

Meister: Ja, in Ihrem Beitrag wurde ja darauf hingewiesen: Das war die Methode der USA. Die USA haben aber, wenn Sie den Normalamerikaner sehen, zwei wesentliche Unterschiede zum Deutschen: In den USA haben wir fast keine Sparquote - in Deutschland liegt die Sparquote in der Regel oberhalb von zehn Prozent -, und zum Zweiten ist der US-Dollar Leitwährung weltweit, das heißt, wenn die USA ihre Währung inflationieren, trifft das Bürger weltweit, nicht nur die Bevölkerung in den USA.

In Deutschland ist es mit dem Euro eine andere Situation ob der hohen Sparquote und der Situation, dass wir nicht weltweit Währung sind. Insofern bin ich der Meinung, sollten wir an der Politik nachhaltige Stabilität festhalten, die unabhängige Zentralbank verteidigen - da gibt es ja erhebliche Debatten an der Stelle -, wir brauchen die unabhängige Zentralbank und die muss auf die Frage Geldwertstabilität verpflichtet bleiben. Inflation ist keine Antwort auf die Krise.

Ricke: Wir haben ja jemanden, der in der Europäischen Zentralbank für diese Position kämpft, das ist Bundesbankpräsident Jens Weidmann, der hatte aber jetzt gerade aktuell am Wochenende in Interviews gesagt, dass er starke Zweifel daran hat, dass die Eurozone in der jetzigen Verfassung eine Zukunft hat. Wenn ein solcher Mann so etwas sagt, dann weiß er, was er damit auslöst, dann hat er sich das gut überlegt. Was bedeutet das denn jetzt für uns?

Meister: Er hat ja nicht gesagt, dass die Eurozone keine Zukunft hat, sondern dass sie in der jetzigen Verfassung keine Zukunft hat, und ich glaube, da sind natürlich einige Probleme zu lösen: Wir haben die unterschiedliche Wettbewerbsfähigkeit der Volkswirtschaften, wenn Sie Jugendarbeitslosigkeit im Süden, und im Vergleich dazu sich dann angucken, Spanien rund 50 Prozent, bei uns etwa ein Zehntel davon, dann zeigt das, wie unterschiedlich wir wirtschaftspolitisch aufgestellt sind.

An der Frage muss gearbeitet werden, und zwar in dem Sinne, dass die Wettbewerbsfähigkeit im Süden steigt. Zum Zweiten haben wir Haushalte, wo weltweit über die Verhältnisse gelebt wurde über Jahrzehnte. Das kann auf Dauer nicht funktionieren. Deshalb ist die Antwort Fiskalpakt richtig. Da wird ja der Rahmen, den Herr Weidmann anspricht, verändert. Bei den wirtschaftspolitischen Fragen durch den Euro Plus, die Euro-Plus-Diskussion.

Und zum Dritten haben wir natürlich eine unvollständige Währungsunion: Wir haben die Geldpolitik zusammengeführt, aber nicht die Wirtschafts- und Finanzpolitik. Und ich glaube, an der Stelle müssen wir relativ zügig dran arbeiten, dass auch Finanz- und Wirtschaftspolitik zusammenkommt. Und dann glaube ich ist die Voraussetzung, die Herr Weidmann in seinem Satz formuliert hat, dass die Rahmenbedingungen im Euroraum verändert werden, gegeben, und dann hat der Euro auch eine Zukunft.

Ricke: Jetzt habe ich in Ihren Ausführungen glaube ich gerade zwölf Mal "wenn" gehört, zwölf Mal eine Bedingung. Was machen wir denn, wenn diese Bedingungen nicht erfüllt werden? Müssen wir uns da nicht doch allmählich darauf vorbereiten, dass wir uns nach einer neuen Währung umschauen? Ich hätte da für Deutschland einen Vorschlag, fängt mit "M" an.

Meister: Also zunächst mal: Ich glaube, wenn man die vergangenen beiden Jahre ansieht, seit Griechenland den ersten Hilfsantrag gestellt hat, dann ist der Euroraum der Raum auf der Welt, wo die meisten Strukturreformen weltweit durchgesetzt worden sind. Insofern relativiert sich mein "wenn", denn bei einigen dieser Aufgaben sind wir vorangekommen, ich habe die Stichworte Euro Plus, ich habe die Stichworte Fiskalvertrag genannt.

Also ich glaube, wir sind auf einem vernünftigen Weg, die richtigen Rahmenbedingungen herbeizuführen. Ihre zweite Äußerung zur D-Mark, da schauen wir uns doch einfach mal die Schweiz an, die wird ja momentan als stabiles Währungsgebiet von Anlegern heimgesucht, sodass die Schweiz ein riesiges Problem hat, ihre eigene Währung eigentlich aufwerten zu müssen.

Die Zentralbank bekämpft das, indem sie Euros massenhaft aufkauft, um den Schweizer Franken stabil in Relation zum Euro zu halten. Das würde für Deutschland bedeuten, dass wir auch unter massiven Aufwertungsdruck kämen. Das würde bedeuten, dass die ganzen Transaktionskosten wieder entstehen würden, also für eine Exportwirtschaft wie Deutschland es ist, wäre das glaube ich kein Schritt nach vorne, sondern eher ein massiver Schritt zurück.

Und eine zweite Bemerkung: Der Euro wurde vor 20 Jahren in den Verträgen von Maastricht begründet. Damals hatten wir eine ganz andere Welt in Europa. Es war kurz nach Fall des eisernen Vorhangs. Also wer glaubt, man könne einfach in diese Zeit zurück, der hat verpasst, dass in dieser Zeit auch andere Dinge neben den Währungsfragen sich massiv verändert haben.

Ricke: Michael Meister, der stellvertretende Unions-Fraktionsvorsitzende im Bundestag. Vielen Dank, Herr Meister!

Meister: Bitte schön, Herr Ricke! Schönen Tag!


Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.


Mehr zum Thema bei dradio.de:
OECD prophezeit Rezession in der Eurozone
Finanzminister Schäuble erwägt Börsensteuer nach britischem Vorbild und fordert EU-Fiskalunion
Eine Übersicht über die wichtigsten Inhalte des EU-Fiskalpaktes und die noch strittigen Punkte
Interview: EU-Parlamentarier zum Referendum der Iren und der Zukunft Griechenlands
Interview: SPD-Vorsitzender fordert Wachstumsimpulse für die europäische Wirtschaft
Interview: CDU-Politiker lehnt Eurobonds zum jetzigen Zeitpunkt ab
Interview: FDP-Haushaltspolitiker Fricke: "Angebot der Vernunft"
Interview: Fuest: Gegen Eurokrise mehr als Fiskalpakt nötig
Interview: SPD unterstützt Hollandes Forderung nach Ergänzung des Fiskalpakts
Mehr zum Thema