Industrie 4.0

Der Monteur wird zum Beobachter

Ein von Robotern geführtes Auto im Volkswagen-Werk in Wolfsburg. Davor ein Warnschild, dort nicht händisch einzugreifen.
Ein von Robotern geführtes Auto im Volkswagen-Werk in Wolfsburg. © John Macdougall / AFP
Von Ludger Fittkau · 11.11.2014
"Deutschland muss jetzt auch Innovationsweltmeister werden“, fordert die Bundesforschungsministerin. Industrie 4.0 heißt das Zauberwort, an dem auch auf dem Campus der Technischen Universität Darmstadt gebaut wird.
Ein Gabelstapler bugsiert eine Vorderachse an den Anfang der Bandstraße, auf der ein Auto zusammengebaut werden soll. Das Führerhäuschen des Staplers ist leer, er fährt automatisch. Dort, wo er abbremst und stehen bleibt, greift ein Roboterarm die schwere Achse und hebt sie auf das Band. Kein Mensch ist direkt an diesem Vorgang beteiligt. Die Leute, die man noch in der Montagehalle sieht, stehen vor Bildschirmen und kontrollieren, wie die Maschinen in der Halle miteinander kommunizieren - übers Internet.
So etwa muss man sich die "Fabrik 4.0" vorstellen, die der Ingenieur Eberhard Abele gerade auf dem Campus der TU Darmstadt baut:
"Wir haben viel mehr Möglichkeiten, als das früher der Fall war, jedes einzelne Gerät an einer Maschine oder jede Komponente an einer Maschine übers Internet kommunizieren zu lassen. Und damit wird die Fabrik von morgen sehr viel mehr vernetzter, man könnte auch sagen, intelligenter kommunizieren können. Wir werden sicherlich mehr Möglichkeiten haben, kundenspezifische Teile und Baugruppen relativ hoch automatisiert bauen zu können."
Kein Auto, das am Ende der Montagestraße der "Fabrik 4.0" von Band läuft, gleicht dem anderen. Kundenwünsche sind zuvor übers Internet in den Montagevorgang eingegeben worden und die Maschinen haben sie in enger Kommunikation miteinander umgesetzt.
Eberhard Abele leitet das Institut für Produktionsmanagement, Technologie und Werkzeugmaschinen an der Technischen Universität Darmstadt. Den Slogan der "Industrie 4.0", dass sich das Produkt selber den Weg durch die Fabrik sucht, hält er zwar noch für eine Utopie. Doch in gut zwei Jahren wird Abele in seiner eigenen "Lern-Fabrik 4.0" die Produktion aufnehmen.
"Letztendlich werden wir sehr viel mehr Wissen haben in der Fabrik von morgen über den Zustand eines Produktes. Wo befinden sich gerade welche Teile, wie ist der Fertigungsgrad der einzelnen Komponenten und Module? Wo liegen die Komponenten? Und auch vielleicht erreichen, dass in der gesamten Lieferkette die nachfolgend gebrauchten Einzelteile sich sozusagen automatisch neu in die Fabrik einsteuern um den Bedarf aus dem Lager heraus automatisch aufzufüllen."
Das klingt so, als ob die "Fabrik 4.0" den Menschen ziemlich überflüssig machen wird.
Mit Robotern dem demografischen Wandel entgegenwirken
Und damit auch Gewerkschaften wie die IG Metall, die deswegen jetzt Mitspracherecht bei der Entwicklung dieses neuen, internetbasierten Fabrik-Typus fordert. Arbeiter dürfen nicht zu "Sklaven der Technologie“ werden, mahnt die Metallgewerkschaft.
Jörg Hofmann, Vize-Chef der IG Metall sieht aber auch die Chancen der neuen Technologien:
"Wir haben heute etwa, wenn sie die PKW-Montage anschauen, eine ganz starke Vertaktung und Linienmontage drin. Das ist nicht notwendig mit intelligenten Logistiksystemen, wo die Intelligenz im Material sitzt. Wo Sets zur Montage in Realtime zusammengestellt werden können, kann man zum Beispiel auch aus diesem harten Takt raus und wieder ganzheitlichere Aufgabenzuschnitte gestalten, qualifizierte und ansprechende Arbeitsinhalte in die Montagen verlegen. Übrigens ein Punkt, der auch deswegen nötig ist, weil wir auch in solchen Montagen immer ältere Belegschaften haben werden."
Die Fabrik 4.0 als Chance, in den Betrieben den demografischen Wandel zu verkraften: Man merkt, dass der Vizechef der IG Metall einmal Soziologie studiert hat. Jörg Hofmann sieht deshalb auch sehr genau, dass "Lernfabriken" wie die auf dem Campus der TU Darmstadt auch den Arbeitnehmern Aufschlüsse über die "Industrie 4.0" geben können:
"Solche Pilotfabriken, wie wir sie in Darmstadt sehen, sind natürlich hilfreich, Betriebsräten und Gewerkschaften die Chancen aber auch die Gefährdungen einer Arbeitswelt unter der 'Industrie 4.0' deutlich zu machen."
Der Darmstädter Forscher Eberhard Abele kann also künftig mit regem Besuch auch aus der Zentrale der IG Metall im benachbarten Frankfurt am Main rechnen. Er stellt sich darauf ein:
"Und ich glaube, entscheidend kommt es darauf an, den beteiligten Personen die Angst zu nehmen, das wir hier etwas vollkommen Automatisiertes haben werden."
Die "Fabrik 4.0" wird nicht menschenleer sein, glaubt der Forscher Eberhard Abele. Die Fabrikarbeiter werden allerdings kaum noch selbst montieren, das übernehmen Roboter. Der Monteur wird zum Beobachter.
Ein Gabelstapler-Fahrer wird in der "Industrie 4.0" wohl nicht mehr gebraucht. Dafür jemand, der am Bildschirm darauf achtet, dass der Gabelstapler-Automat nicht aus der der Bahn gerät, die ihm der Mensch zuweist.