Indien

Gesetzentwurf will Leihmutterschaften verbieten

Bauch einer schwangeren indischen Leihmutter
Viele Frauen werden in Indien nicht darauf vorbereitet, ein Kind zu entbinden und sofort wegzugeben. © Foto: Sandra Petersmann
Von Jürgen Webermann, ARD-Studio Neu-Delhi · 31.08.2016
Kinder, die von Leihmüttern ausgetragen werden, sind in Indien ein Milliardengeschäft. Das will die Regierung nun - fast - ganz verbieten lassen. Dagegen protestieren nun zahlreiche Ärzte. Aber auch Frauenrechtlerinnen halten das für den falschen Ansatz.
Puja ist in der fünften Woche schwanger. Die junge Frau ist 32 Jahre alt, und sie hat bereits zwei Töchter. Doch diesmal ist alles anders: Das Kind, das sie austrägt, gehört einem anderen Paar. Puja ist eine Leihmutter.
Puja: "Freundinnen von mir haben auch als Leihmütter gearbeitet. Und wir brauchen dringend Geld. Mein Mann arbeitet als Fahrer, der Verdienst ist zu gering. Also habe ich ihm vorgeschlagen, auch als Leihmutter zu arbeiten. Wir haben dann im Internet nachgeschaut und diese Klinik hier gefunden. Hier ist alles sauber und sicher."
Geschäft mit der künstlichen Befruchtung boomt
Puja und ihr Ehemann leben in einem winzigen Zimmer im Osten von Neu-Delhi, zur Miete. Ihr Traum ist es, eine eigene Ein-Zimmer-Wohnung zu kaufen. Die Klinik, in der Puja ihren Bauch zur Verfügung stellt, gehört Anoop Gupta. Er ist auf seinem Gebiet, der künstlichen Befruchtung, eine kleine Berühmtheit. Gupta sitzt in einem durch Glaswände abgetrennten Büro im Eingangsbereich seiner Klinik. Blaue Aktenordner stapeln sich auf dem Tisch. Das Geschäft mit der künstlichen Befruchtung boomt.
Dr. Gupta: "Die Leihmütter sind sehr gut informiert. Wir machen einen Vertrag mit ihnen. Sie kennen ihre Rechte. Alles ist absolut geregelt."
Eltern zahlen Zehntausende Euro
Rund 20.000 Euro zahlen verzweifelte Eltern für diese oft letzte Chance, ein eigenes Kind zu bekommen. Gupta bezeichnet Leihmutterschaften als eine Behandlungsmethode. Inzwischen hat er nach eigenen Angaben mehr als tausend Kinder durch Leihmütter auf die Welt gebracht. Für ihn sind Leihmutterschaften aber vor allem auch: ein gutes Geschäft. Noch. Denn Gupta ist sauer auf die indische Regierung:
"Ich habe früher in den USA gearbeitet. Und seit vier, fünf Tagen frage ich mich, warum ich nach Indien zurückgekehrt bin."
Guptas Problem: Laut einem Gesetzentwurf sollen Leihmutterschaften künftig nur noch dann legal sein, wenn ein verheiratetes, kinderloses Ehepaar eine Verwandte findet, die das Kind freiwillig und ohne Geld dafür zu nehmen austrägt. Für Alleinstehende, unverheiratete Paare, Ausländer und Homosexuelle soll ein Komplettverbot gelten. Offen gelebte Homosexualität gilt in Indien als Verbrechen.

Viele Inder wollen lieber einen Sohn

Außenministerin Sushma Swaraj erläutert die Gründe, die auch kulturell bedingt sind und beispielsweise damit zu tun haben, dass viele vor allem indische Paare unbedingt einen Sohn haben wollen:
"Es gibt Fälle, in denen Ehepaare das Kind nicht annehmen, wenn es zum Beispiel ein Mädchen ist. Es gibt Fälle, in denen Zwillinge geboren wurden, ein Junge und ein Mädchen, und das Elternpaar hat nur den Jungen mitgenommen. Es gibt Fälle, in denen das Kind eine Behinderung hatte und die Eltern es nicht wollten. Und das größte Problem ist, dass Leihmutterschaften ein Riesengeschäft in diesem Land sind. Es gibt inzwischen mehr als zweitausend Kliniken. Deshalb wollen wir kommerzielle Leihmutterschaften komplett verbieten."
Tatsächlich hat sich seit 2002, als Leihmutterschaften in Indien erlaubt wurden, ein Milliardengeschäft entwickelt. Niemand weiß genau, wie hoch die Umsätze von Ärzten wie Dr. Gupta tatsächlich sind. Auch viele ausländische Paare suchten bei ihm Hilfe. In der Eingangshalle seiner Klinik hängen eingerahmte Dankesschreiben von überglücklichen Eltern aus Australien oder England. In den meisten Ländern sind Leihmutterschaften nicht erlaubt. In Indien dagegen waren sie bisher nicht nur legal, sondern für viele Paare auch bezahlbar. Aber das Geschäft ist nicht reguliert. Deshalb hatte der Oberste Gerichtshof die Regierung aufgefordert, ein Gesetz zu erarbeiten. Aber gleich ein so weitgehendes Verbot? Das hat Dr. Gupta dann doch überrascht:
"Die Regierung hat einen falschen Ansatz gewählt. Oder gar nicht groß nachgedacht und aus dem Bauch heraus entschieden. Das Gesetz hilft niemandem."
Frauenrechtlerinnen sehen Verbot kritisch
Langsam formiert sich nicht nur bei Klinikbetreibern wie Dr. Gupta der Widerstand gegen das angestrebte Verbot, über das im Winter im Parlament entschieden werden soll. Auch Frauenrechtlerinnen sehen es kritisch. Und laut einer Studie des Centre for Social Research (CSR) wissen, entgegen der Beteuerungen von Klinikbetreibern wie Dr. Gupta, acht von zehn Leihmüttern in Neu-Delhi und Mumbai nicht, was in ihren Verträgen steht. Die meisten von ihnen sind Analphabeten. Deshalb sei ein Gesetz überfällig, so das CSR. Ein Verbot aber bedeute, dass Leihmutterschaften eben illegal arrangiert würden, und das träfe dann erst Recht die Leihmütter. Schon jetzt würden viele Frauen beispielsweise gar nicht darauf vorbereitet, ein Kind zu entbinden und sofort wegzugeben.
Auch Puja hat ein wenig Angst vor der Schwangerschaft. Sie sagt, sie erhalte als Leihmutter rund 4000 Euro, das wäre ein Drittel des Preises für die Ein-Zimmer-Wohnung, von der sie und ihr Ehemann träumen. Die Eltern des Kindes, das sie austrägt, hat sie nie gesehen. Es ist ein indisches Pärchen. Puja glaubt, dass sie mit den Emotionen schon zurechtkommen wird. Schließlich habe sie ja schon zwei eigene Kinder.
Puja: "Ich würde das Baby aber zumindest gerne einmal sehen, wenn ich entbunden habe."
Auch wenn Puja mit dem ausländischen Reporter offen über die Leihmutterschaft redet: Dass sie schwanger ist, wissen sonst nur Dr. Gupta und ihr Ehemann. Ihren Eltern hat sie lieber nichts davon erzählt. Aber die wohnen weit genug von Neu-Delhi entfernt.
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