In diesem Jahr kein Oscar-Barometer

Von Kerstin Zilm · 14.01.2013
Die Golden Globes, diese Feier der besten Filmemacher und Fernsehstars hat den Ruf, Barometer für die Oscar-Verleihung zu sein. Unberechenbar war die Veranstaltung auch in diesem Jahr. Als Oscar-Barometer taugt sie dagegen weniger.
Es war der Schocker des Abends, als Julia Roberts den Gewinner in der Kategorie bestes Drama bekannt gab: "Argo", Ben Afflecks Film über die Befreiung von US-Geiseln aus der Schweizer Botschaft im Iran. Viele im Raum hielten den Atem an. Warum? Erstens: "Argo" hat Steven Spielbergs "Lincoln" geschlagen und zweitens: Bei der Bekanntgabe der Oscarnominierungen am Donnerstag fehlte Afflecks Name in der Regiekategorie, obwohl seine Arbeit von Kritikern hoch gelobt wird. Die Hollywood Foreign Press verschuf Affleck einen kleinen Triumph: Sie zeichnete "Argo" auch für die beste Regie aus. Affleck konnte sich in seiner Dankesrede eine kurze Andeutung in Richtung Oscar-Akademie nicht verkneifen.

"Es ist mir egal, welche Auszeichnung ich bekomme. Es ist in jedem Fall eine Ehre im selben Atemzug wie Steven Spielberg, Quentin Tarantino, Kathryn Bigelow und Ang Lee genannt zu werden."

Bigelow war für ihre Arbeit am Osama-bin-Laden-Drama "Zero Dark Thirty" bei den Oscar-Nominierungen im Regiefeld ebenfalls leer ausgegangen. Großer Beifall kam auf, als ihre mit einem Golden Globe ausgezeichnete Hauptdarstellerin Jessica Chastain die Leistung der Regisseurin in ihrer Dankesrede besonders hervorhob.

"Ich kann nicht anders, als meinen Charakter, Maya, mit Dir zu vergleichen. Zwei mächtige, furchtlose Frauen, die ihre Arbeit für sich sprechen lassen. Indem Du Deinem Charakter erlaubst, Regeln Hollywoods zu missachten, hast Du mehr für Frauen im Film getan als Du Dir selbst zugestehst."

Größter Verlierer des Abends war Steven Spielbergs "Lincoln". Das Geschichtsdrama um das Ende des Bürgerkrieges und der Sklaverei war mit sieben Nominierungen als Favorit ins Rennen gegangen. Ex-Präsident Bill Clinton präsentierte den Film:

"Präsident Lincolns Kampf darum, Sklavenhaltung abzuschaffen, erinnert uns daran, dass Fortschritt durch eine Mischung aus Prinzipientreue und Kompromiss erreicht wird. Dieser ausgezeichnete Film zeigt uns, wie er das geschafft hat und lässt uns hoffen, dass es wieder möglich sein wird."

Doch "Lincoln" ging fast leer aus, bekam nur einen Preis - für Hauptdarsteller Daniel Day Lewis - geschlagen von "Argo", dem Musical "Les Miserables", das drei Globes bekam und von Quentin Tarantinos blutigem Spaghettiwestern um die Zeit der Sklaverei. "Django Unchained" bekam zwei Auszeichnungen - für Tarantinos Drehbuch und Christoph Waltz' Kopfgeldjäger Dr. King Schultz. Für Waltz war es der zweite Golden Globe als Nebendarsteller. Den ersten hatte er für seine Rolle in Tarantinos "Inglorious Basterds" bekommen.

"Ich muss erstmal Luft holen. Vielen Dank. Quentin, Du weist, dass meine Dankbarkeit Dir gegenüber nicht in Worte zu fassen ist. Du hast mir diesen Charakter anvertraut und mich mit auf diese unglaubliche Reise genommen!"

Und noch ein deutschsprachiger Filmemacher konnte auf der Bühne einen Preis entgegennehmen: Der österreichische Filmemacher Michael Haneke erhielt - wie erwartet - den Golden Globe in der Kategorie bester ausländischer Film für sein einfühlsames Werk über ein altes Ehepaar: "Liebe". Überraschend war dagegen, wer ihm die Auszeichnung überreichte: Arnold Schwarzenegger

"And the golden globe goes to ..."

"I never thought I would get an award in Hollywood by an Austrian."

Haneke gab zu: Er habe nie damit gerechnet, in Hollywood eine Auszeichnung von einem Österreicher entgegen zu nehmen. Er darf gespannt sein, von wem er den nächsten Preis bekommt. "Liebe" ist für vier Oscars nominiert und hat die Statuette für besten ausländischen Film bei der Verleihung am 24. Februar so gut wie sicher. Genauso wie Daniel Day Lewis den Preis für seine Darstellung von Präsident Abraham Lincoln.

Abgesehen davon taugen die Golden Globes in diesem Jahr wenig als Oscar-Stimmungsbarometer. Weder "Argo" noch "Les Miserables" haben realistische Chancen als bester Film ausgezeichnet zu werden. Die Oscars haben keine Musical-Kategorie und die Akademie vergibt selten ihren höchsten Preis an einen Film, der nicht auch in der Regie-Kategorie nominiert ist. Es ist außerdem unvorstellbar, dass die Akademiemitglieder Tarantinos "Django" mehr Preise geben als Spielbergs Geschichtsdrama "Lincoln". Das Rennen ist offen, wie schon lange nicht mehr - und das kann nur gut für die Einschaltquoten sein!