In der Prinzenrolle, aber ohne aktuellen Ansatz

Von Elisabeth Nehring · 01.02.2013
Am Freitagnachmittag hat Vladimir Malakhov, seit 2002 Intendant und Erster Solotänzer am Staatsballett, seinen Mitarbeitern verkündet, seinen Intendantenvertrag nicht über 2014 hinaus zu verlängern. Er wolle sich, wie es heißt, "neuen Herausforderungen" widmen.
Doch für diesen Entschluss dürften noch andere Gründe eine Rolle gespielt haben: Insbesondere in den letzten beiden Jahren war die Programmgestaltung des Intendanten andauernder Kritik ausgesetzt. Im März 2012 hatte seine herausragende Tänzerin, die Erste Solistin Polina Semionova, das Ensemble vorzeitig verlassen. Und angeblich soll von Seiten der Politik schon mit potenziellen Nachfolgern verhandelt worden sein.

Auch dass er, mit weit über 40, noch immer Prinzenrollen übernahm, wurde zunehmend kritisiert. Zu recht, denn indem er nicht aufhören konnte oder wollte, hat Malakhov, der bei seinem Beginn vor zehn Jahren als neuer, technisch brillanter, im Ausdruck aber eher zurückhaltender Tänzertypus begeisterte, es verpasst, unter seinen vielen männlichen Tänzertalenten starke, charismatische Nachfolger aufzubauen.

Dennoch bleibt auf der Seite der positiven Bilanz sein Gespür für Tänzer. Malakhov hat eine wirklich hervorragende Companie aufgebaut und mit seinem Coup, die damals erst 17-jährige Absolventin der Bolschoi-Ballettschule Polina Semionova sofort zur Ersten Solistin zu machen, dem Berliner Publikum über viele Jahre bezaubernde Auftritte beschert.

Doch zugleich wurde immer deutlicher, dass Malakhov keine Ahnung, kein Gespür und leider auch keine Berater hatte, um einen ausgewogenen, interessanten Spielplan aufzubauen, in dessen Repertoire sich neben Traditionellem auch Zeitgenössisches findet. Als Direktor, der für Personelles und Inhaltliches verantwortlich zeichnet, wirkt er orientierungslos; seine ästhetischen Entscheidungen gingen überwiegend am Geist der Zeit vorbei.

Die Versuche, sich dem zeitgenössischen Feld zu öffnen, haben in den letzten beiden Jahren keine schlechten Abende hervorgebracht, aber auch keine wirklich richtungsweisende Zugkraft entwickelt. Und genau da ist nun bei der Suche nach einem Nachfolger anzusetzen. Denn statt solide, schnell zu vergessende ästhetische Gefälligkeit, für die der bereits ins Gespräch gebrachte Katalane Nacho Duato stehen würde, braucht es ein entschiedenes Bekenntnis, neben der Klassikerpflege auch aktuelle, zeitgemäße ästhetische Ansätzen ins Repertoire zu integrieren.

Vladimir Malakhov wird eine gut trainierte, motivierte, wunderbare Companie hinterlassen, die herausgefordert werden will. Der dreiteilige Abend "Duato/Forsythe/Goecke" hat gezeigt: In den Tänzern steckt viel mehr als Klassik. Für dieses Ensemble einen Direktor zu finden, der eine anspruchsvolle Mischung aus traditionellen und zeitgenössischen Produktionen zu gestalten vermag, ist sicher nicht leicht, aber dringende Aufgabe aller politisch Verantwortlichen und für diese Stadt sowieso das einzig Angemessene.
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