Immigration und Coming-out

Von Wolfgang Martin Hamdorf · 24.03.2011
Lange Zeit bot der sogenannte Migrationshintergrund Stoff für eher dunkle oder dramatische Geschichten. Nun scheint sich dies zu wandeln. In seiner Komödie "Sascha" verbindet Dennis Todorovic die Immigrationsthematik mit dem Coming-out eines jungen Musikers, oder vielmehr einem, der es werden möchte.
Kinderchor: "Es ist Sommer und es ist klargemacht, Sommer ist, wenn man trotzdem lacht"."

Es ist Hochsommer in Köln und Sascha ist gerade mit seiner Familie aus dem Urlaub in Montenegro zurückgekehrt. Ihm ist nicht nach Lachen zumute. In wenigen Tagen muss er die Aufnahmeprüfung für das Konservatorium bestehen:

Saschas Eltern leben schon seit 20 Jahren in Deutschland. Der Vater träumt von der Rückkehr in die Heimat, die Mutter träumt von der musikalischen Karriere ihres Sohnes.

Filmausschnitt Klavierspiel: ""Das ist zu schnell, zu schnell, bei dem Tempo fliegst du ein paar Zeilen später raus. Bist du nervös. Fang noch mal von vorn an und lass den Anfang leicht klingen."

Aber Sascha hat ganz andere Probleme. Der Vater möchte ihn als Draufgänger, als richtigen Mann, aber Sascha mag eigentlich Männer. Gut, dass der Vater das nicht weiß! Als sein Musiklehrer ihm fast beiläufig erzählt, dass er Köln verlassen wird, bricht für ihn eine Welt zusammen:

"Gebhard hat mir heute erzählt, dass er nach Wien zieht, einfach so, vielleicht sehe ich den nie wieder. Mir ist total das Herz gebrochen, gebrochen halt."
"Gebhard?"
"Weber, mein Klavierlehrer"

In seinem Debütfilm präsentiert Dennis Todorovic gleich ein ganzes Ensemble unerfüllter Sehnsüchte: Denn Sascha liebt seinen Klavierlehrer, wird aber von der jungen Chinesin Jiao verehrt, die mehr sein will als seine beste Freundin. Sie wiederum wird von Saschas jüngerem Bruder angehimmelt, aber den mag sie nicht.

Der Film ist ein Reigen von Wünschen und Leidenschaften und dem Nebeneinander gegensätzlicher kultureller Zusammenhänge, etwa der Libertinage der Kölner Schwulenszene und der montenegrinischen Familienehre und ihrer ganz unterschiedlichen Formen, das Leben zu sehen. Sehr subtil spricht der Film mögliche Aufbrüche und Emanzipationen an und berührt dabei manches Trauma der Vergangenheit.

Der Film schafft eine Balance zwischen Leichtigkeit und Schwere, zwischen brüllendem Lachen und sensibler Regie der Gefühle. Der Humor ist bissig, aber niemals diskriminierend. "Sascha" ist mehr als eine reine Coming-out-Geschichte, sondern verbindet elegant ganz unterschiedliche Milieus und Kulturkreise in einer spezifisch osteuropäischen Erzähltradition.
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