Im Sportwagen ins Kasino

Vorgestellt von Maike Albath · 13.06.2005
Die Geschwister Mann galten als ein spaßhaftes Doppelwesen, und "Das Buch von der Riviera" aus dem Jahr 1931 zeugt von ihrer Liebe zur Leichtigkeit. Unbändige Amüsierwut und ein rasantes Tempo bestimmen den Band über die französische Küste, man wähnt sich förmlich schon im Coupe auf der Fahrt zum Kasino. Dank seiner feuilletonistischen Spritzigkeit ist das Buch auch heute noch sehr lesenswert.
Erika und Klaus Mann waren ein faszinierendes Gespann. Hochbegabt, phantasievoll und erfahrungshungrig, inszenierten sie sich als mondäne Geschöpfe der Zwischenkriegszeit und brachten ihr Lebensgefühl auch in ihren Texten immer wieder zum Ausdruck. Berlin mit seinem schillernden Nachtleben, den Schwulenbars, Theatern, Kabaretts, 147 Tageszeitungen, die morgens und abends erschienen, und den großen Verlagshäusern Ullstein, Mosse und Scherl war genau das richtige Pflaster für die Geschwister.

Mit ihrem "Laienbund deutscher Mimiker" hatten sie bereits in München von sich reden gemacht, und auf Entgleisungen mit der "Herzogenparkbande", wie sich das Bündnis mit den Kindern des Dirigenten Bruno Walter nannte, waren Zwangsverschickungen in die Odenwaldschule und nach Salem gefolgt.

In ihrem grenzenlosen Snobismus fühlten sie sich durch ihren Ruf nur bestätigt. "Wir waren eine böse und einfallsreiche Horde", schilderte Erika Mann diese Jahre, "um alles auszuhecken, trafen wir uns, aus Gründen der Kessheit, in den Halls der großen Hotels. Komisch ausgeschaut muss es haben: Viele Kinder in wilden Lodenmänteln, so intensiv diskutierend, in so erwachseneleganter Umgebung".

Als Erika und Klaus Mann 1924 in die Hauptstadt kamen, stand ihnen alles offen: Klaus fand durch die Vermittlung seines Onkels eine Anstellung als Theaterkritiker, brachte erste literarische Arbeiten heraus, landete mit seinem Stück Anja und Esther einen Skandalerfolg und pflegte einen luxuriösen Lebensstil - auf Pump, versteht sich.

Erika trat in das Ensemble von Max Reinhardt ein. Im Jahr darauf machte sie mit ihrem Bruder, Gustav Gründgens und der Freundin Pamela Wedekind bei der Aufführung von Anja und Esther Furore. Die Berliner Illustrirte Zeitung, populärstes Wochenblatt der Hauptstadt, bildete 1925 die "Dichterkinder" auf dem Titelblatt ab.

"Pamela, Erika und ich: dieses Bündnis, das uns so lange unzerstörbar schien, war vielleicht die schönste und aussichtsreichste Konstellation in unserem Leben", beschrieb Klaus Mann die Bindung. 1926 heiratete Erika aus einer Laune heraus Gustav Gründgens. Im Jahr darauf geriet das fragile Gleichgewicht aus dem Lot, die Geschwister rückten wieder näher zusammen und gingen auf Weltreise nach Amerika, Honolulu, Japan, Korea, China und Russland.

Sie wussten ihr Image geschäftstüchtig zu vermarkten, lancierten das berühmte Zwillingsfoto, auf dem sie beide kurzhaarig, in Hemd und Krawatte abgebildet sind, wurden schon vor ihrer Ankunft in den USA als "literary Mann-twins" überall angekündigt, hielten Vorträge, besuchten Partys und luden sich bei Berühmtheiten wie Ernst Lubitsch, Emil Jannings und Greta Garbo ein.

Sie galten als "ein spaßhaftes Doppelwesen, ein drollig-impressives Wunderkind mit zwei Köpfen, vier Beinen und einem Hirn voller europäischer Capricen und ausgefallenem Wissen" (Klaus Mann), veröffentlichten ihre Reisenotizen in Magazinen und Zeitungen und taten vor allem eins: Geld ausgeben, das sie nicht hatten. Zur Not konnte man ja nach Hause telegraphieren.

Unbändige Amüsierwut und ein rasantes Tempo bestimmen auch den Band über die französische Küste. Das Buch von der Riviera, als Auftragsarbeit 1931 entstanden, ähnelt einer Sportwagenfahrt: man sieht das Coupé förmlich vor sich, mit dem die Geschwister an der Küste entlang brausen, von Kasino zu Kasino, von Marseille nach Cannes, vom Aperitif zum Mittagessen, von dort zum Dinner und wieder zum Spieltisch.

Die Côte d’Azur ist ein Landstrich nach ihrem Geschmack:

"Mondäner Zauber und bourgeoise Gemütlichkeit; Sport, gutes Essen und Bakkarat sind große Attraktionen; aber die größtes Attraktion ist das Nichtstun. Die Riviera legitimiert es, dieses "Dolce-far-niente", man braucht nicht einmal krank zu sein."

Der Tag besteht aus Roulette, Bouillabaisse, Drinks in verruchten Hafenspelunken, ein bisschen shopping zwischendurch, manchmal eine Runde Golf oder Tennis. Leichtfüßig reihen sich Schilderungen von Ortschaften und Interieurs aneinander, unterbrochen durch kleine Genrebilder mit Hinweisen auf berühmte Literaten, heruntergekommene Adlige und andere Gestalten der arrivierten Halbwelt.

Auch der Gesellschaftsklatsch kommt nicht zu kurz. In pointierten Feuilletons skizzieren Klaus und Erika Mann die Sitten des fremden Landes und warnen zum Beispiel vor den Friseuren:

"Alles sieht soweit recht proper aus – feine Gerätschaften, nette Menschen. Aber es geht zu, wie wenn Buster Keaton etwas unternimmt, Kaffee kocht, Holz spaltet. Mit sachlicher Miene verdirbt man uns, meine Damen, die Frisuren, schneidet alles kurz und klein, macht Locken, wo wir keine mögen, tut uns Seife ins Haar, ohne sie wieder zu entfernen, gibt uns fettes Haarwasser, da wir trockenes lieben, ich weiß selber nicht, wieso, aber es ist kein Staat zu machen mit den Friseuren in Südfrankreich."

Nur an wenigen Stellen wird spürbar, dass die Tage des sorglosen Amüsements vielleicht gezählt sind. Überall in Frankreich laufen Kriegsfilme, die Buchhandlungen verkaufen vor allem Werke über den Krieg, einige der eleganten Läden auf der Croisette in Cannes haben geschlossen, die Spieler von Monte Carlo legen eine "selbstmörderische Verzweifelung" an den Tag. Die Lage ist prekär, umso haltloser verprasst man, was noch übrig ist.

Ausgerechnet in dem enthusiastisch geschilderten Cannes sollte Klaus, zerrüttet von Drogen und Depressionen, 18 Jahre später Selbstmord begehen. Sein Leben lang hatte er um die Anerkennung des gestrengen Vaters gekämpft. Eher abfällig bezeichnete Thomas Mann die Bücher seines Sohnes als "Hervorbringungen", bemängelte "Raschheiten und Leichtigkeiten". Genau diese feuilletonistische Spritzigkeit macht Das Buch von der Riviera bis heute lesenswert.

Erika und Klaus Mann: Das Buch von der Riviera
Edition Ebersbach. Berlin 2005,
119 Seiten, 14 €