Im Pyjama zum Briefkasten

Von Sigrid Brinkmann · 06.07.2011
2004 veröffentlichte die Französin Amanda Sthers ihr erstes Buch. Sie war 26 und ihre Karriere als Autorin von Romanen, Drehbüchern und Theaterstücken nahm einen rasanten Lauf. Nun ist ihr neues Buch "Schweine züchten in Israel" auf Deutsch von ihr erschienen.
Verabredet sind wir in der Lounge des "Lutétia", einem luxuriösen und geschichtsträchtigen Hotel mitten in Saint Germain. Amerikanische Geschäftsleute plaudern an Nachbartischen. Und da kommt sie: weiße Bluse, kurze Shorts, Ballerinas. Schüttelt das blonde Haar und lässt die Tasche fallen. Gerade rennt die Zeit, denn in wenigen Tagen zieht Amanda Sthers mit ihren beiden Söhnen um. Es gibt eine neue Liebe in ihrem Leben.

"Ich dachte, dass ich mich nie wieder mit einem Musiker einlassen würde, aber so kommt es eben: Mein neuer Lebensgefährte ist Sänger. Er hat die Musik für meinen Spielfilm 'Ich werde Dir fehlen' komponiert, und zusammen haben wir vor kurzem einen Traum verwirklicht und ein Musical für Kinder geschrieben. Im Oktober wird 'Lili Lampion' im Théâtre de Paris uraufgeführt."

Als bekannt wurde, dass die smarte Amanda Sthers und der Rocksänger Sinclair ein Paar sind, da kam Neid auf in den Society-Blättern. Der 33-jährigen gelingt scheinbar alles. Sie wirkt unglaublich jung und redet unbefangen. In ihrem ersten autobiografischen Buch beschrieb sie sich schonungslos als eine schwermütige, verschlossene Seele, als ein um Anerkennung buhlendes Mädchen, das sich willenlos treiben ließ.

"Ich glaube, ich bin immer noch ziemlich durchgeknallt, aber meine Macken sind inzwischen andere. Je mehr Fehler und Ticks man hat, desto stärker spürt man das Leben. Begriffen habe ich das beim Schreiben. Ich glaubte, etwas Einzigartiges, etwas ganz Persönliches zu erzählen und entdeckte dann, dass es ganz allgemein-menschliche Erfahrungen sind, dass wir 'eine' Sprache sprechen."

Amandas Sthers familiäre Wurzeln liegen in Tunesien und der Bretagne. Ihre Mutter, eine katholisch erzogene Rechtsanwältin, konvertierte zum Judentum.

"Ich fühle mich immer dem Abwesenden näher. In einer Synagoge komme ich mir manchmal vor wie eine katholische Bretonin, die dort absolut nichts zu suchen hat. Und wenn ich meine Verwandten in der Bretagne besuche, dann vermisse ich die menschliche Wärme der väterlichen, jüdischen Familie."

Paris, New York und Nazareth sind die Orte, in denen die Akteure ihres neuen Romans leben. Ein flüchtiger Familienvater will unbedingt, gegen den Widerstand der Rabbiner, Schweine in Israel züchten. Unmöglich ist es nicht. Man muss im Stall nur für einen Boden sorgen, der verhindert, dass die Schweinefüße heilige Erde berühren.

Amanda Sthers amüsiert sich über solche Tricksereien und nutzt sie als Romanstoff. Den größten Erfolg hatte sie mit ihrem Buch "Die Geisterstraße", in dem sie die Geschichte der letzten Juden von Kabul erzählt. Eigentlich heißt Amanda mit Nachnamen Queffélec-Maruani. Ihre jüdische Großmutter Esther ist das Vorbild für das abgewandelte Pseudonym "Sthers".

"Mein Vater war als Psychoanalytiker ziemlich bekannt in Paris, und ich wollte nicht, dass Patienten meinen Namen mit seinem in Verbindung bringen. Meine Mutter ist eine geborene Queffélec. Ihr Cousin Yann ist ein sehr bekannter Schriftsteller. Also, da blieb mir nichts anderes übrig, als einen Namen zu erfinden."

Die Schwester Orianne ist Rocksängerin, der Bruder Briagh arbeitet für eine Musikzeitschrift. Amanda probiert neugierig jedes Genre, und es gibt keines, das sie klar bevorzugt. Sehr großen Erfolg hatte ihr Theatermonolog "Der alte blonde Jude". Chansontexte schreibt sie seit ihrer Jugend. Patrick Bruel und Isabelle Boulay, beides international bekannte Musiker, haben Texte von ihr vertont.

"Geh hin, wo du willst, wo das Leben dich anschaut, geh hin, wo die Liebe dir erlaubt, zurück zu kommen, geh hin, wo der Wind dir mehr zusagt als ich, wo die Welt sich mit dir dreht ..."

Schwer, sich vorzustellen, dass diese quirlige Pariserin einmal ein schüchternes Mädchen gewesen ist. Ihre Söhne sind fünf und acht Jahre alt. In letzter Zeit denkt Amanda Sthers häufiger an die vielen kleinen Mutproben, die ihr Vater ihr als Kind zumutete. Nutzlos waren sie nicht, und im Rückblick auch ein großer Spaß. Etwa, wenn er sie sonntags im Schlafanzug zum nächsten Briefkasten schickte.

"Er stand auf dem Balkon, blickte mir nach und als ich zurückkam, sagte er: Wir sind frei, wir können machen, was wir wollen. Ist doch egal, was die anderen davon halten. Ich hatte echt Angst, dass jemand aus der Schule mir über den Weg laufen würde. Es kam mir schon ein bisschen verrückt vor, was mein Vater so von mir verlangte, als ich klein war, aber es war doch eine gute Lektion. Man muss die Dinge nicht so ernst nehmen. Es ist alles nicht so schlimm!" (Lachen)