Im Land der Feuertempel

Von Susanne von Schenck · 28.07.2012
Vom 2. bis zum 7. Jahrhundert nach Christus erlebte die Religion der Zoroastrier ihre Blüte. Als sich der Islam in Persien ausbreitete, mussten viele Anhänger Zarathustras das Land verlassen. Doch auch im modernen Iran pflegen einige Gläubige noch die alten Bräuche.
Chak Chak, der Wallfahrtsort der Zoroastrier, liegt einsam in einer unwirtlichen Berggegend im zentralen Hochland des Iran. Der Ort hat einen so lautmalerischen Namen, weil von einer Felsenquelle ständig Wasser in eine Höhle tropft: chak, chak. In Chak Chak treffen sich die Anhänger der Lehre Zarathustras regelmäßig, besonders viele kommen zu dem großen Treffen zu Beginn des Sommers. Dann bevölkern vier- bis fünftausend Menschen aus aller Welt den kleinen Ort, feiern, beten, trinken und essen.

An diesem Tag sind aber nur wenige Besucher gekommen. Es ist heiß, und der Aufstieg über die zahllosen Stufen hinauf zum Heiligtum ist beschwerlich. Oben im Schatten eines Granatapfelbaums sitzt Fari Bors bei einer Tasse Tee. Er ist ungefähr sechzig Jahre alt und in weiße Gewänder gehüllt. Nur auf seiner Kappe prangt in Grün das Symbol der Zoroastrier: Faravahar, ein menschliches Wesen mit weit ausgebreiteten Flügeln. Fari Bors kümmert sich um das Heiligtum.

"Chak Chak und auch die anderen zoroastrischen Heiligtümer in der Umgebung von Yazd stammen vorwiegend aus vorislamischer Zeit und der Zeit der Sassaniden. Der Legende nach fand der Sassanidenkönig Yazdegerd III. in Yazd Zuflucht und gab der Stadt ihren Namen. Dieser Yazdegerd hatte einen der Kriege gegen die Araber verloren. Später zog er in den Nordosten des Iran. Dort wurde er ermordet und seine Anhängerschaft zerstreut."

Die Zeit der Sassaniden vom 2. bis zum 7. Jahrhundert nach Christus war die Blütezeit der Zoroastrier. Als sich der Islam in Persien ausbreitete, verließen viele Anhänger Zarathustras wegen muslimischer Repressalien das Land. Die meisten flohen nach Indien.

Das große Bronzetor, der Eingang zum Heiligtum, ist geöffnet und gibt den Blick frei auf einen schlichten, nicht sehr großen Raum: ein paar Sitzgelegenheiten, ein Becken für Räucherstäbchen und das heilige Feuer, das immer brennt. Es sind drei Flammen, die "gutes Denken, gutes Reden und gutes Handeln" symbolisieren, Grundsätze der Lehre Zarathustras.

Ob der Religionsgründer eine historische Figur ist oder ein Mythos, das fragen sich die Wissenschaftler bis heute. Gesicherte Fakten liegen nicht vor, und so wird er auf die Zeit um 1000 bis 1200 vor Christus datiert. Das Avesta, das heilige Buch der Zoroastrier, wurde hingegen erst um 600 nach Christus, gegen Ende der Sassanidenzeit, niedergeschrieben. Aber die frühesten Texte dieses Buches, die Gathas - Hymnen, Gebete und Beschwörungen -, soll Zarathustra selbst gesungen haben.

"Komm mit dem guten Denken, gib durch Wahrsein die lang währende Gabe, gib mit hohen Worten, o Weiser, dem Zarathustra kraftvolle Unterstützung und uns allen, o Herr, damit wir des Feindes Anfeindungen überwinden ... ."

Überall in der Provinz Yazd ist der Zoroastrismus präsent. In Sharifabad, einer kleinen Stadt im Nordwesten, sind heute noch neunzig Prozent der Einwohner Anhänger der Lehre Zarathustras. Allerdings geht ihre Zahl zurück - wie überall in der Welt, so der Berliner Iranist Götz König.

"Der Zoroastrismus scheint sehr attraktiv zu sein, gerade im Iran, aber von islamischer Seite wird die Konversion nicht erlaubt, von zoroastrischer Seite vielfach nicht gewollt. Das führt - in Indien können wir das sehr klar sehen im 20. Jahrhundert - zu einem Prozess der fortwährenden Schrumpfung."

Eine Kirchenhierarchie gibt es bei den iranischen Zoroastriern nicht. Die Gemeinden organisieren ihr religiöses Leben selbst. Zum Beispiel in der Stadt Yazd. Dort ist Sohrab Firuzfar seit zwanzig Jahren Vorsitzender der zoroastrischen Gemeinde, die ungefähr 5000 Mitglieder hat. Ihr zentrales Heiligtum, der Feuertempel, ist ein modernes Gebäude, von wohlhabenden Glaubensbrüdern aus dem indischen Mumbay gestiftet. Ausgebildete Priester, Mobuts genannt, sind dafür verantwortlich, dass die Tempelflamme immer brennt, erklärt Sohrab Firuzfar. Denn im ewigen Feuer und Licht sehen die Zoroastrier das Sinnbild des höchsten Gottes Ahura Mazda.

"Viele nennen dieses Gebäude zwar Feuertempel, aber der Ausdruck ist falsch. Wir sind keine Feueranbeter, wie häufig gesagt wird. Unter den Schöpfungselementen Feuer, Wasser, Luft und Erde, die uns heilig sind, achten wir das Feuer besonders. Aber wir beten zu Gott, und deshalb müsste es Gebetstempel heißen. Die Feuerstelle hier ist eine der ältesten im Iran. Wir respektieren sie als Schöpfung Gottes. Und zu ihm beten wir hier."

Etwas außerhalb von Yazd, am südwestlichen Stadtrand, liegen die Türme des Schweigens. Ein schmaler Weg führt hinauf zu den lehmfarbenen Bauten. Darin wurden die Leichen, in Tücher gehüllt, den Geiern zum Fraß überlassen. Bis 1970 hielt sich dieser Brauch, dann untersagte der letzte Shah das zoroastrische Bestattungsritual – aus hygienischen Gründen. Seither beerdigen die Zoroastrier ihre Toten auf einem Friedhof zu Füßen der Schweigetürme, in Betonkästen. So schützen sie die Erde vor der Verunreinigung durch Leichen. Denn die Verehrung der Elemente ist bis heute ungebrochen.