Im Kino: "Eine neue Freundin"

Ungewöhnliche Trauerarbeit

David (Romain Duris) und Claire (Anais Demoustier) in einer Szene des Films "Eine neue Freundin" von Francois Ozon.
David (Romain Duris) - hier noch als Mann - mit Claire (Anaïs Demoustier) in "Eine neue Freundin". © picture alliance / dpa / Bertrand Calmeau
Von Hannelore Heider · 26.03.2015
In François Ozons Film "Eine neue Freundin" verwandelt sich ein junger Mann in seine verstorbene Frau. Als deren beste Freundin ihn als Blondine erlebt, erleidet sie einen Schock: "Das ist pervers!"
Auch François Ozon ist wie Oskar Roehler ein Regisseur, dessen Handschrift man im aktuellen Kino sofort erkennt. Er liebt Filmfrauen und ist bekennend schwul, er findet die Diva in jeder Schauspielerin und weshalb das so ist, hat nicht nur mit Handwerk, sondern auch mit Erzählmotiven zu tun.
In seinem neuen Film hat das Weibliche einen so besonderen Reiz, dass es David (Romain Duris), einen gerade verwitweten Ehemann und jungen Vater dazu bringt, sich in Victoria, eine Frau zu verwandeln. Als ungewöhnliche Trauerarbeit, wie Claire (Anaïs Demoustier), die beste Freundin seiner verstorbenen Frau vermutet? Die äußerliche Verwandlung erleben Claire wie der Zuschauer als Schock von einem Moment zum anderen. Da sitzt eine blonde Frau auf dem Sofa, das Baby im Arm und im Moment des Umdrehens sehen wir, dass es ein Mann ist, David, der Vater in Verkleidung mit Rock und Bluse. Claire reagiert spontan: "Das ist pervers!" und um diese Wertung, die Be- und Verurteilung geht es Ozon.
Vergnügen an der Geschlechterumwandlung
Sein Film ist kein Sozialdrama, obwohl bürgerliche Vorurteile sehr wohl attackiert werden, die Filmhelden bewegen sich wieder im Milieu der oberen Mittelschicht. Ozon analysiert auch nicht die Gründe der Geschlechterumwandlung eines Mannes. Er zeigt mit seinem begnadeten Hauptdarsteller Romain Duris nur den Drang und das Vergnügen, es zu tun, und wenn Claire endlich bereit ist, es gemeinsam auch in der Öffentlichkeit auszukosten.
So ist der Film ein Balanceakt zwischen Komödie und Drama, wobei das Dramatische auch nicht, wie zu vermuten, in der Figur Victorias vorgeht, sondern in der Claires. Eigentlich hatte sie nur ihrer sterbenden Freundin versprochen, sich um den Mann und das Baby zu kümmern. Bald geht es jedoch um Akzeptanz, Verständnis, Freundschaft und am Ende um eine Anziehung, die eindeutig erotisch ist, welchem Geschlecht auch immer David/Victoria und Claire angehören mögen. Anaïs Demoustier ist die Entdeckung dieses Films. Das offene, sensible Gesicht der 27-jährigen Schauspielerin geht einem lange nicht aus dem Sinn.
Frankreich 2014, Regie: François Ozon, Darsteller: Romain Duris, Anaïs Demoustier, Raphaeel Personnaz, Isild Le Besco, 108 Minuten, ab 12 Jahren
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