Im Geist von Mozart

Von Albrecht Dümling · 21.09.2010
Das Klavierkonzert in G-Dur bezeichnete Maurice Ravel als ein Werk im Geist von Mozart. Er habe sich um Heiterkeit und Brillanz bemüht, nicht um Tiefgründigkeit und Dramatik. Deswegen sollte es ursprünglich auch "Divertissement" heißen.
In einem Pariser Salon unterhielt sich Debussy einmal mit dem wohlhabenden Porträtmaler Jacques-Émile Blanche. Als dieser fragte, wer der kleine, nervöse Mann sei, der ständig die Noten umblättere, antwortete ihm der Komponist: "Es ist Maurice Ravel".

Während Debussy immer wieder gegen akademische Normen protestierte, hatte sich sein 13 Jahre jüngerer Kollege ausgiebig mit alten Formen auseinandergesetzt. Zur deutsch-österreichischen Musiktradition rückte er aber mehr und mehr in Distanz. Das erfuhr auch der erwähnte Maler, als er Ravel bei jenem Zusammentreffen ansprach und ihn fragte, ob er gegen gute Bezahlung zwei Mal in der Woche in sein Atelier kommen und mit ihm vierhändig spielen wolle. Ravel machte zur Bedingung, dass man dabei weder Beethoven noch Schumann, Wagner oder andere romantische Musik aufführen dürfe. Vielmehr müsse man sich ausschließlich auf Mozart beschränken. Für Blanche war das zu wenig, er winkte ab.

Als der Musikkritiker Alexis Roland-Manuel einmal Ravel nach seinen ästhetischen Prinzipien fragte, verweigerte dieser die Auskunft und verwies stattdessen wieder auf Mozart: "Er begnügte sich damit zu sagen, dass Musik alles tun, wagen und malen kann, vorausgesetzt, dass sie erfreut und ein für allemal Musik bleibt." Vorausgesetzt, dass sie erfreut. Wie Mozart erhoffte sich Ravel die Zustimmung des Publikums. Sein Klavierkonzert in G-Dur, das er 1930 als eines seiner letzten Werke gleichzeitig mit dem Konzert für die linke Hand begann, bezeichnete er als ein Werk im Geist von Mozart. Er habe sich um Heiterkeit und Brillanz bemüht, nicht um Tiefgründigkeit und Dramatik. Deswegen habe er ursprünglich an den Titel "Divertissement" gedacht.

Während Debussy im "Prélude" Tonart und Takt verschleierte, beginnt Ravels Konzert nach einem Peitschenknall in reinem G-Dur. In den Kopfsatz fügte der Gershwin-Bewunderer auch einige Jazzelemente ein. Der Sohn eines Schweizer Vaters und einer baskischen Mutter scheute nicht die Anlehnung an fremde Vorbilder, weshalb ihn Theodor W. Adorno als "Meister der klingenden Masken" pries; alles sei künstlich, Kopie.

Dem langsamen E-Dur-Mittelsatz legte der Komponist, wie er selbst gestand, das Larghetto aus Mozarts Klarinettenquintett KV 381 zugrunde. Durch die Verlangsamung zum Adagio und durch das irritierende Gegeneinander von Walzer-Rhythmus und 6/8-Takt gab er den regelmäßigen Begleitfiguren hier eine fremde und unbeholfen starre Wirkung, als habe auch Erik Satie Pate gestanden. Aus dem Traum kehrt dann das Presto-Finale, in dem das Klavier schnelle und brillante Figuren aneinanderreiht, in die diesseitige G-Dur-Welt zurück. Es ist ein bloßes Spiel, nicht die Lösung eines Konflikts.