Im Fokus

Mit der Musik auf Abstand

Von Sigrid Brinkmann · 03.04.2014
Die Rockband "Monica Sex" ist in Israel – auch 22 Jahre nach ihrer Gründung – noch Kult. Die vier Musiker haben ein neues Album draußen und Bandleader Yali Sobol hat ein Buch geschrieben.
Die vier schlaksigen Männer in Turnschuhen brauchen nur wenige Worte, um sich abzustimmen. Sie sind Anfang vierzig, aufeinander eingespielt und dick befreundet.
(Yali Sobol:) "Unser Schlagzeuger Shahar und ich, wir kennen uns schon seit der Grundschule. Ich war zehn, als ich mit dem Gitarrespielen anfing. Wir saßen ständig in seinem Zimmer und machten Musik. Shahars Vater spielt auch Schlagzeug. Trommeln gab‘s im ganzen Haus."
Kaum hatte die Band für ihre erste Platte eine Auszeichnung in Platin erhalten, zogen die vier Musiker nach New York.
"Wir mieteten ein Haus in Brooklyn, richteten ein Studio im Keller ein und wollten keinen einzigen Song mehr auf Hebräisch singen – was unseren Manager verrückt machte, denn in New York wohnen viele Israelis. Wir wollten einfach von vorn anfangen."
"In New York verteilte ich auf der Straße Handzettel für Galerien. In Israel war ich damals ein Star. Wir wollten uns nicht auf dem Erfolg ausruhen. Es war eine wirklich kreative Phase."
In New York trennte sich die Band. Drei Jahre später kam sie wieder zusammen. Den Namen wollten die vier Musiker behalten.
"In den siebziger Jahren gab es in Israel die Punkband Hot killer. Die hatten eine Bassistin, die zwar nicht spielen konnte, aber ungeheuer sexy aussah. Ihr Künstlername war Monica Sex. Sie stand einfach nur auf der Bühne rum. Diese Geschichte ist so lustig, dass wir einfach diesen Namen angenommen haben."
Songtexte, Erzählungen und Romane schreiben, will Yali Sobol seit seiner Kindheit. Wenn er zu Bett ging, hörte er noch lange die Schreibmaschine seines Vaters klappern. Joshua Sobol ist der bekannteste Dramatiker Israels. Seine Stücke werden auch in London, Amsterdam, Berlin, Wien und Stuttgart aufgeführt. Wann immer der kleine Yali seinem Vater eigene Gedichte zeigte, ermunterte ihn dieser, weiter zu machen. Selbstvertrauen zu schenken, sei eine der wunderbaren Fähigkeiten seines Vaters, sagt Yali Sobol und sein Gesicht leuchtet dabei. Abgrenzen musste er sich dennoch.
"Rockmusiker bin ich geworden, weil mein Vater da nicht mithalten kann. Er ist nicht sonderlich musikalisch. Das ist meine Nische, mein besonderer Platz in der Familie. Ich habe es immer vermieden, den bekannten Namen zu nutzen und auf größtmöglichen Abstand geachtet."
Inzwischen ist Yali Sobol selber Vater von zwei Kindern; sie sind sechs und zwei Jahre alt. Seine Frau ist die Schauspielerin Adi Gilat. Wir sitzen auf der Terrasse eines kleinen Cafés im Süden von Tel Aviv – dem Ursprungskern der Stadt, die Yali Sobol immer wieder aufs Neue besingt. Nur in seinem jüngsten Roman "Die Hände des Pianisten" imaginiert er ihre Zerstörung.
"In Israel spricht man von Tel Aviv als wär es ein eigener Staat. Man nennt die Stadt auch 'the bubble' – die Blase. Und ich wollte die Blase platzen lassen. Der Pianist lebt eingesponnen in seiner Welt in der Blase Tel Aviv, die wiederum in einer anderen steckt."
Im Roman hat sich Israel binnen weniger Monate in einen Polizeistaat verwandelt. Rein politisch interpretiert möchte er sein Buch nicht wissen.
"Unter den Musikern, die klassische Musik spielen, gibt es auffällig viele Pianisten, die nichts als ihre Karriere im Sinn haben und ihr tägliches Übungspensum. Mein Held ist so einer. Völlig unpolitisch, und doch wird er von der neuen Lage aufgerieben."
In die Figur des Pianisten, der langsam begreift, wie die neuen Machthaber die Gesellschaft korrumpieren, konnte sich Yali Sobol am ehesten einfühlen.
"Um künstlerische Autonomie muss man heute ständig kämpfen, denn es zehrt unheimlich, den Lebensunterhalt für die Familie zu sichern. Ich mag keine Auftritte in Fernsehshows und verdiene das Geld lieber, indem ich Leuten beibringe, wie man Songs schreibt."
Er schreibt Lieder über ein Mädchen aus Jaffa mit einem Kleid aus Madrid oder über ein Liebespaar, das an einer Straßenkreuzung steht und sich seine Zukunft ausmalt. Was dieser lässige, sympathischeYali Sobol über seine Romanfigur, den Pianisten, sagt, klingt eigentlich wie eine wunderbare Selbstbeschreibung. Wenn er aufwacht, möchte er nur singen

Hinweis: Am 11. April wird Yali Sobol bei den Deutsch-Israelischen Literaturtagen in Berlin lesen, wenig später in Hamburg (15.April) und München (16. April).

Yali Sobol: "Die Finger des Pianisten“
Aus dem Hebräischen von Markus Lemke
Verlag Antje Kunstmann, München 2014
288 Seiten, 19,95 Euro