Im Asylcamp in Kreuzberg

Von Silke Hahne · 10.07.2013
Die Lebensumstände der Asylsuchenden in Deutschland sind ziemlich schlecht. In Berlin besteht seit letztem Herbst ein Protestcamp von Asylbewerbern. Doch beachtet werden die Flüchtlinge meistens nur dann , wenn sie mit spektakulären Aktionen provozieren.
Seit neun Monaten harren die rund 80 Flüchtlinge auf dem Oranienplatz in Berlin-Kreuzberg aus. In großen und kleinen Zelten haben sich die größtenteils aus Afrika stammenden Asylbewerber notdürftig eingerichtet. Das Leben findet zu großen Teilen draußen, rund um den Versammlungsort – ein ausgedientes Zirkuszelt –, statt.

Die Bewohner kamen zunächst aus ganz Deutschland. Im vergangenen Spätsommer marschierten sie nach Berlin, um dort vor dem Brandenburger Tor auf ihre Lage aufmerksam zu machen. Seit sie das Camp am Oranienplatz bezogen haben, sind weitere Flüchtlinge hinzugekommen. So auch Tenema Camara aus Mali. Er flüchtete 2011 über Libyen aus seinem Heimatland und landete schließlich in Lampedusa.

"Ich hatte italienische Papiere. Aber die italienische Regierung kümmert sich nicht um die Flüchtlinge."

Tenema Camara beschloss, mit seinen Papieren nach Deutschland zu kommen.

"Ich bin hierher gekommen, weil es hier zumindest Frieden gibt und Demokratie. Ich glaube, dass hier etwas für mich getan werden kann, und außerdem mag ich die Deutschen."

Jetzt hofft er, zusammen mit den anderen das Recht auf Arbeit und Wohnung zu erkämpfen. Seine Situation ist schwierig, weil er als Flüchtling mit Papieren aus Italien keinen Anspruch auf staatliche Hilfeleistungen in Deutschland hat. Von den Behörden hierzulande sind aber auch diejenigen enttäuscht, die direkt nach Deutschland gekommen sind. Sie fordern die Abschaffung der Sammelunterkünfte und der sogenannten Residenzpflicht. Außerdem kämpfen sie dafür, in der EU arbeiten zu dürfen, erklärt David Neumann, der zum Unterstützerkreis des Camps gehört.

"Die hängen also in der Schwebe und die zentrale Forderung ist selbstverständlich, dass auf europäischer Ebene die Situation der Flüchtlinge dahingehend geregelt wird, dass die Flüchtlinge innerhalb Europas das Land ihrer Wahl betreten können und dort versuchen können, in Anführungszeichen, ihr Glück zu suchen und nicht auf das Land angewiesen sind, wo sie zum ersten Mal in Kontakt mit den Behörden gekommen sind. Das ist genau der Zustand, der aufgehoben werden muss."

Um ihre Forderung zu erreichen, nehmen die Flüchtlinge in Kauf, gegen geltendes Recht zu verstoßen.

"So ziemlich alle verstoßen gegen die Residenzpflicht. Das ist bewusst politisch in Kauf genommen. Auch das ist ein Teil des Aufweichens dieser Residenzpflicht, indem die Flüchtlinge sie einfach für sich selber aufheben und sagen: Egal welche Konsequenz, wir tun das Massenhaft. Und das ist unser bester Schutz dagegen, dass wir sozusagen geahndet werden."

Dabei wird die Lage im Camp immer schwieriger. In den vergangenen Wochen gab es Anspannungen mit den Anwohnern, die sich an Müll und den sanitären Problemen stören. Fließendes Wasser gibt es nicht, für die Notdurft gibt es nur einen Toilettenwagen. Auch Tenema Camara findet die Situation unangenehm.

"Die Nachbarn kommen abends zum schlafen nach Hause und gehen morgens zur Arbeit. Wir haben hier einen anderen Rhythmus, und mir ist das unangenehm."

Diese Frustration bahnt sich ihren Weg durch Aktionen wie am Montag, als Camp-Bewohner die Oranienstraße für vier Stunden blockierten.

"Unser Camp hier, was eigentlich der Aufschrei an sich sein wollte, ist längt gar nicht mehr spektakulär genug, wir müssen neue spektakuläre Punkte setzen, damit überhaupt etwas passiert. Und was könnte spektakulärer sein, als sozusagen den normalen fließenden Verkehr zum Stillstand zu bringen. Das ist sozusagen unser einziges Mittel, wir haben nichts anderes an der Hand zur Zeit."

Bezirkspolitiker versprachen nun, Gespräche auf Bundesebene anzuregen. Andere fordern, das Camp umgehend zu räumen.