Illegales Autorennen in Berlin

Raser wegen Mordes verurteilt

Zerstörte Fahrzeuge nach einem illegalen Autorennen in Hagen
Fünf Verletzte! Keine Reue? - Zerstörte Fahrzeuge nach einem illegalen Autorennen in Hagen. © picture alliance / dpa / Alex Talash
Von Oliver Ramme · 27.02.2017
Das Landgericht Berlin hat im Prozess um ein illegales Autorennen die beiden Angeklagten wegen Mordes verurteilt. Sie erhielten lebenslange Freiheitsstrafen. Unser Autor hatte zuvor Raser und Polizisten beim Katz- und Mausspiel auf Deutschlands Straßen begleitet.
In Berlin war mit Spannung das Urteil in einem bislang einmaligen Mordprozess erwartet worden. Angeklagt waren zwei junge Männer, die mit ihren aufgemotzten Sportwagen vor gut einem Jahr in der Berliner Innenstadt einen Unfall verursachten. Dabei kam ein 69-jähriger Mann ums Leben.
"Man hört schon den Auspuff von dem Porsche." - Die Polizeioberkommissare Lüder und Krings verfolgen einen weißen Porsche. – "Jetzt gibt er Gas. Mal gucken, dass wir ein bisschen dranbleiben." - Die beiden Polizisten sitzen in einem PS-starken Zivilfahrzeug. Es ist Samstagabend, mitten in Köln.
"Abgelesene Geschwindigkeit 100 Km/h, Abstand verringert sich erst jetzt bei 105 Km/h. Weißer Porsche, Fahrtstreifenwechsel ohne Fahrtrichtungsanzeiger. Das reicht uns auch schon." - Der Porschefahrer wird angehalten und bekommt ein Bußgeld in Höhe von 300 Euro, einen Punkt in Flensburg und ihm wird der Führerschein für einen Monat abgenommen.

Aktuelles Urteil
Das Landgericht Berlin hat im Prozess um ein illegales Autorennen die beiden Angeklagten wegen Mordes verurteilt. Sie erhielten lebenslange Freiheitsstrafen. Das Gericht folgte damit den Anträgen der Staatsanwaltschaft. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. In der Nacht zum 1. Februar 2016 hatten die beiden Männer im Alter von 28 und 25 Jahren einen schweren Unfall in der Nähe des Kaufhauses KaDeWe in Berlin verursacht. Dabei starb ein 69 Jahre alter Fahrer.

Lüders und Krings gehören zu der Ermittlungsgruppe Rennen. Diese Sondereinheit soll Rasern das Handwerk legen und illegale Autorennen unterbinden - ein Pilotprojekt. Und eine Reaktion auf das fatale Jahr 2015 in Köln: Drei Unbeteiligte sterben wegen illegaler Autorennen.
Auch die Politik will jetzt durchgreifen. Der Bundesrat votiert einstimmig für Gesetzesverschärfungen. Nun muss der Maßnahmenkatalog durch den Bundestag. Bisher sind Raser glimpflich davon gekommen. Obwohl sie jemanden tot gefahren haben, verlassen sie das Gericht oft mit einer Bewährungsstrafe.
Fritz Schramma, Kölns ehemaliger Oberbürgermeister, hat vor über 15 Jahren seinen Sohn wegen eines illegalen Autorennens verloren. "Als das Urteil dann feststand, haben die grinsend den Saal verlassen", schildert er seine Erfahrung. "Das ist ein Schlag in die Magengrube derer, die das miterleben mussten, weil da ein zweites Mal eine Opfersituation ist."

"Von Reue überhaupt nicht zu reden"

Seitdem setzt sich Schramma mit seinem Kölner Opferverein für die Rechte der Geschädigten ein. Dort gäbe es immer wieder Fälle, in denen Täter milde abgeurteilt und auf Bewährung freigelassen werden, erzählt er. "Bei denen passiert eigentlich gar nichts. Keine Änderung im Bewusstsein. Von Reue überhaupt nicht zu reden."
"Was soll ich einem Opfer sagen?", meint Erkan. "Ich will auch nicht sagen, es ist dumm gelaufen. Die haben natürlich keine Schuld. Es ist immer schlecht, es ist zu einem Unfall gekommen. Es ist nicht die Regel!" Der 25-Jährige fährt in seinem Auto durch Köln. Er trägt Bomberjacke, Vollbart, Baseballmütze. Mütze und Jacke sind Ton in Ton. Erkan ist nicht sein richtiger Name – nur erfunden für dieses Interview. Erkan fährt gerne mal Rennen, wegen des "Kicks": "Du bist der King der Straße. Wenn du deinen Konkurrenten, deinen Gegner abziehst an der Ampel. Das sind meist nur 200 Meter Beschleunigungsrennen, von einer bis zur nächsten Ampel. Dann willst du es einfach sein, dann willst du einfach gewinnen."
Erkan sagt, er sei schon oft in brenzligen Situationen gewesen. Sein Fahrkönnen hätte allerdings Schlimmeres verhindert. Experten und Polizei tun sich schwer, das Milieu der Raserszene einzukreisen. Einzige Gewissheit: Es sind Männer zwischen 18 und 30 Jahren. Und – Verkehrspsychologen sprechen von einem übersteigerten Selbstvertrauen.

Raserei ist nur schwer nachzuweisen

Lüders und Krings fahren mit Blaulicht zum nächsten Einsatz. Angeblich hat es in einem Kölner Vorort ein Rennen gegeben. Auf dem Parkplatz eines Schnellrestaurants treffen sie vier junge Menschen mit teilweise tiefergelegten Autos. Die Raserei ist ihnen nur schwer nachzuweisen. Leichter ist es, verbotene technische Veränderungen am Auto zu entdecken.
Ein junger Mann beginnt aufzuzählen, was er alles für Veränderungen an seinem Auto vorgenommen hat – Angefangen mit den Felgen. Um halb vier Uhr nachts wird sein Auto eingezogen. Das wird teuer für den jungen Mann. Und das sind kleine Nadelstiche, die sich vielleicht in der Szene herumsprechen.
"Wir haben, wie in anderen Bereichen auch, einfach zu wenig Personal", meint Polizeioberkommissar Lüder. "Hätten wir doppelt so viel Personal, dann hätten wir doppelt so viele Möglichkeiten. So sind wir in einem laufenden Prozess. Immer wieder dabei. Jeden Tag, jeden Tag, jeden Tag. Und das zehrt dann natürlich aus, gar keine Frage."
Die Polizei ist Teil eines Katz-und-Mausspiels, das sie kaum gewinnen kann. Und ob höhere Strafen etwas bringen – Erkan bezweifelt das.
"Für die ersten Wochen wird das bei den Fahrern und Rasern was auslösen", meint Auto-Fan Erkan. "Aber das wird dann auch schnell in Vergessenheit geraten." Im Jahre 2015 werden alleine in Nordrhein Westfalen 230 illegale Autorennen registriert. Und das ist sicherlich nur die Spitze des Eisbergs.
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