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Wie kartografisches Denken unser Weltbild formt

Ein Navigationsgerät
Die Weltsicht hängt vom jeweiligen Standpunkt ab. © Deutschlandradio / Ellen Wilke
Von Frank Kaspar · 09.07.2015
Vom Geheimpapier der Mächtigen zum Echtzeit-Dokument: Karten sind, dank Satelliten-Navigation und digitaler Technologie, inzwischen allgemein verfügbar. Sie machen auch deutlich, wie unsere Weltsicht vom jeweiligen Standpunkt abhängt.
Martin Haussmann, Kommunikationstrainer: "Felder, Wälder, Meere, Steinbrüche, Wüsten ..."
Auf Karten nähert man sich allem von oben.
Nicole Schuck, Künstlerin: "Es gibt Wasserläufe, es gibt (...) Berge, da geht es steil rauf, rechts und links."
Aus großer Höhe, wie im Überflug.
Zitat Wolf Haas, "Wie die Tiere" (S. 7):
"Manchmal beneide ich die Vögel, die über dem Augarten kreisen (...). Weil als Vogel hast du die berühmte Perspektive."
Weit unten gleiten Landschaften und Städte dahin.
Ulf Heinsohn, Wirtschaftshistoriker, Freizeit-Kartograph: "Öffentliche Gebäude, kirchliche Gebäude, Wehranlagen, Befestigungsanlagen, Brücken, Eisenbahnanlagen ..."
Gernot Wolfram, Publizist und Schriftsteller: "Ich bin fasziniert von Karten, weil sie eine Geschichte erzählen."
Selbst eine einfache Straßenkarte kann unsere Phantasie beflügeln.
Gernot Wolfram: "Die Karte weckt ja die Illusion, dass man mit dem Finger ganz schnell große Räume durcheilen kann."
Zitat Paul Celan "Der Meridian" (S. 23):
"(...) mit wohl sehr ungenauem, weil unruhigem Finger auf der Landkarte (...)"
Gernot Wolfram: "Man erlebt so einen kurzen, rauschhaften Größenwahn, dass man meint, ein Gebiet überblicken zu können."
Zitat Paul Celan "Der Meridian" (S. 23):
"(...) auf einer Kinder-Landkarte, wie ich gleich gestehen muss."
Die Geographie im Gebiet der Gedanken
Der kartographische Blick, den man als Kind vielleicht noch mit dem Schulatlas eingeübt hat, und der durch Routenplaner und interaktive Karten jetzt seit einer Weile neu justiert wird, ist nicht nur der nüchterne Blick des Landvermessers, es ist auch ein schöpferischer Blick, der neue, imaginäre Landschaften hervorbringt. Oder, mit Hegel gesprochen: die Möglichkeit, die Geographie in das Gebiet des Gedankens zu übersetzen, wie sie noch in dem alten Wort "Geognosie" anklingt.
Christian Reder, Herausgeber "Kartographisches Denken": "Also, 'Kartographie' im allerweitesten Sinn, (...) wenn man das vom Künstlerischen sieht, geht es (...) um das Visualisieren, um das Sichtbarmachen von Unsichtbarem."
Martin Haussmann, Kommunikationstrainer: "Die Karte bildet sozusagen etwas ab, was es vorher noch nicht gab. Das heißt: Nicht die Landschaft ist vorher da, sondern die Karte, und über die Karte entsteht dann auch die Landschaft."
Der Boden des Zimmers ist von einer Karte bedeckt, auf der eine Stadt sich weit in die bewaldete Landschaft ausdehnt. Wenn ein erwachsener Mann sich darauf ausstreckt, kann er mit den Zehenspitzen den Ratshausplatz im historischen Zentrum berühren und am äußersten Rand der Karte sein Ziel ins Auge fassen.
Ulf Heinsohn, Wirtschaftshistoriker, Freizeit-Kartograph: "Wir befinden uns in einer typischen mitteleuropäischen Altstadt, umgeben hier noch von Wasser und Wehranlagen, mit Bastionen, und von dort aus begeben wir uns einmal durch die Stadt, die auch zeichnerisch und zeitlich sich langsam mit dem Zeichner weiter entwickelt hat, bis an den Stadtrand zu einem Schloss, das sich in einem großen Wald befindet."
Ulf Heinsohn, Wirtschaftshistoriker und Freizeit-Kartograph, hat den Ortskern, mit dem die Stadt zu wachsen begann, gezeichnet, als er noch zur Schule ging. Wenn man von hier aus in Wirklichkeit bis zu dem Schloss am Waldrand fahren wollte, wäre man bei günstiger Verkehrslage wohl eine knappe halbe Stunde unterwegs.
Ulf Heinsohn: "Man würde in eine der Straßen, die in Richtung der Brücken führt, die über den Burggraben hinaus führen, einbiegen. Hier in dieser Altstadt fahren auch noch Straßenbahnen, die sind hier eingezeichnet, von zwei verschiedenen Betreibergesellschaften, die einen hellblau, die anderen rötlich."
Jedes Smartphone kann den Standort ermitteln
Da inzwischen jedes Smartphone seinen aktuellen Standort ermitteln und auf einer Karte darstellen kann, sind heute immer mehr Menschen als Freizeit-Kartographen unterwegs, schreibt der amerikanische Technik-Journalist Hiawatha Bray in seinem Buch "You are here". Als unfreiwillige Helfer tragen sie dazu bei, dass Internetfirmen wie Google täglich ihre digitalen Weltkarten aktualisieren. Den wenigsten ist dabei bewusst, dass sie durch bloßes Herumlaufen eine Arbeit fortsetzen, für die Entdecker in früheren Jahrhunderten noch große Gefahren auf sich nehmen mussten.
Zitat Hiawatha Bray "You are here":
"Wir Gelegenheits-Kartographen setzen nicht unser Leben aufs Spiel, stattdessen riskieren wir, unsere Privatsphäre zu verlieren. Denn während die Geräte in unseren Hosentaschen, die Welt um uns herum vermessen, nehmen sie auch Maß an ihren Besitzern. Sie erzeugen vierdimensionale Karten, die unsere Position im Raum und in der Zeit erfassen. Indem sie jede unserer Bewegungen über Tage, Monate und Jahre hinweg festhalten, bringen diese Karten markante Details aus unserem Leben ans Licht – politische und religiöse Überzeugungen, verdächtige Freundschaften, schlechte Gewohnheiten."
"Während ich die Straßenkarte auf meinem Smartphone lese, liest die Karte mich", schreibt Hiawatha Bray. Heute horten wenige große Konzerne die Geodaten für ein digitales Kartenwerk der Erde und beeinflussen durch ihr Kartendesign und ihre Lizenz-Bedingungen maßgeblich, wie unser Bild der Welt im Internet aussieht.
Um eine unabhängige Alternative zu schaffen, gründeten Hobby-Kartographen im Jahr 2004 das Projekt "OpenStreetMap", kurz: "OSM" – ein Netzwerk von Freiwilligen, die Geodaten sammeln und unter einer creative commons Lizenz zur Verfügung stellen. Anfangs betrachteten Fachleute die Anhänger dieser so genannten "Neogeographie" oder "Laiengeographie" mit großer Skepsis, sagt Frederik Ramm vom Verein "Fossgis", der deutschen Anlaufstelle von "OpenStreetMap".
Frederik Ramm, Software-Entwickler, OpenStreetMap: "Aus der professionellen Geographie, Kartographie wurde OpenStreetMap, sehr stark belächelt, und es hieß: Das wird doch niemals funktionieren. Da hat man so einen Haufen Laien, die wissen gar nicht, wie man eine genaue Messung machen muss. Und die OpenStreetMapper haben sich davon überhaupt nicht beeindrucken lassen, die haben gesagt: Wisst ihr was, wir machen hier mal einfach unser Ding, und wenn ihr das nicht benutzen wollt, dann müsst ihr es ja auch nicht. Und in der Zwischenzeit sind viele Leute schon relativ erstaunt, was dieser Laienhaufen da so alles aufgestellt hat."
"OpenStreetMap" ist dort stark, wo es um spezielle Interessen oder um schnelle Hilfe in Not-Situationen geht: Pläne, die Rollstuhlfahrern barrierefreie Wege durch eine Stadt zeigen; Karten, die die aktuelle Lage in einem Katastrophengebiet erfassen.
Frederik Ramm: "Das hat groß angefangen mit der Katastrophe in Haiti, wo innerhalb weniger Tage die OpenStreetMapper von aktuellen Luftbildern, die dann zur Verfügung gestellt wurden, die Details vor Ort nach dem Erdbeben abgezeichnet haben. Da konnte man dann sogar Flüchtlingscamps, die da spontan entstanden waren, erkennen, und das hat den Hilfsorganisationen dann schon geholfen, vielleicht den Weg zu finden zum nächstgelegenen Camp, und solche Sachen."
Auch nach dem Erdbeben in Nepal zeichneten Freiwillige Karten der zerstörten Gebiete. Inzwischen gibt es ein "Humanitäres OpenStreetMap Team", das auch vorbeugende Maßnahmen trifft, zum Beispiel um eine Region mit bekanntem Überflutungs-Risiko zu kartieren. Die Kräfte der Aktivisten sind ungleich verteilt.
Die meisten der rund 2 Millionen Unterstützer leben in Europa und Nordamerika – eine Schieflage, die sich auf die Detailfülle der regionalen Karten auswirkt und auch einen Effekt auf das humanitäre Engagement von OSM hat.
Frederik Ramm: "OpenStreetMap ist ja, muss man mal ehrlich sagen, ein Spielprojekt verwöhnter westlicher Hacker gewesen, am Anfang: Man hat das Geld übrig, um sich ein GPS-Gerät leisten zu können, man hat ordentliche Computer, und man spielt damit rum. Das ist natürlich etwas, wovon Leute in Entwicklungsländern nur träumen können."
Eigene Vorstellungen auf das Land projizieren
Dass Ortskundige in einem Krisengebiet die Karte selbst erstellen, ist deshalb oft nicht möglich. Dass junge, wohlhabende Mitteleuropäer beim Abzeichnen von Luftbildern eigene Vorstellungen auf ein Land projizieren, das sie selbst nicht bereist haben, und dabei Gelände- oder Siedlungsstrukturen falsch deuten, ist trotz bester Absichten kaum zu vermeiden. Diese Form eines neuen "Kulturimperialismus" wird in der Community selbst kritisiert. Für Ärzte und Hilfsorganisationen vor Ort sind die Karten dennoch eine wertvolle Unterstützung.
Kompromisse muss OpenStreetMap auch an anderer Stelle finden. Obwohl Karten und geographische Daten heute freier zugänglich sind als je zuvor, gibt es nach wie vor territoriale Konflikte. Wo mehrere Länder um dasselbe Gebiet streiten, stellt sich die Frage, wie der Verlauf der Grenzen in der Karte bezeichnet wird. Das gilt zum Beispiel für die Paracel-Inseln im Südchinesischen Meer, die von der Volksrepublik China kontrolliert werden, während Vietnam und Taiwan ebenfalls Ansprüche auf sie erheben. OSM behandelt solche Fälle pragmatisch nach der so genannten On the Ground Rule, erklärt Frederik Ramm. Die entscheidende Frage lautet:
Frederik Ramm: "Wenn jetzt einer vor Ort wäre, was würde er denn dann sehen? Und wenn wir sehen: Dann sieht er chinesische Truppen, dann zeichnen wir das auch als chinesisches Gebiet ein, so schmerzhaft das manchmal ist. Jetzt mit der Krim hatten wir die gleiche Situation. So unrechtmäßig das vielleicht sein mag, aber wenn das eben von den Russen kontrolliert wird – und man muss das auch immer vom Benutzeraspekt her sehen: Wir wollen ja nicht eine politische, theoretische Vielleicht-Realität abbilden, sondern wir wollen sagen: Wenn du in diese Region gehst, dann solltest du besser einen russischen Pass haben oder zumindest wissen, dass du in ein Gebiet gehst, das von Russland kontrolliert ist, und deswegen zeichnet man das auch so ein."
Karten, die online durch freie Initiativen erstellt werden, können auf Veränderungen besonders schnell und flexibel reagieren. Das sei ein wichtiger Impuls für die klassische Kartographie, sagt Professor Dr. Christian Reder, Publizist, Raumforscher und bis 2012 Leiter des Zentrums für Kunst- und Wissenstransfer an der Universität für angewandte Kunst in Wien.
Christian Reder, Herausgeber "Kartographisches Denken": "Der damals natürlich sehr vom Militär und von wirtschaftlicher Expansion und Kolonialzeit beeinflusste Kartographie-Sektor, der ist in meinen Augen erlahmt und sehr stark auf diese privaten sozialen Netzwerke übergegangen, wo (...) jetzt von Fahrradkarten bis Emotionskarten bis Menschenrechts und Frauenrechtskarten eigene Initiativen gesetzt werden."
Standorte über Überwachungskamera auskundschaften
In seinem Sammelband "Kartographisches Denken" stellt Christian Reder künstlerische, wissenschaftliche und journalistische Projekte vor, die das Prinzip der Kartierung phantasievoll erweitern. Eine New Yorker Initiative trug die Standorte von Überwachungskameras in eine Karte ein und zeigt auf ihrer Website Routen, auf denen man durch Manhattan gehen kann, ohne dabei gefilmt zu werden.
Christian Reder: "So was erwärmt mein Herz. Das ist sehr viel Arbeit, das müssen ganz große Gruppen abschreiten und abmessen und die Blickwinkel der Überwachungskameras, vom Kaufhaus bis zur Verkehrsampel abchecken, um dann sozusagen die letzten unbeobachtbaren Wege durch eine Großstadt bewusst zu machen. Das Gefährliche ist ja: Kaum wird das bewusst gemacht, werden dann sofort auch dort die Überwachungskameras wahrscheinlich aufgestellt."
Ein subtiler Kontroll-Horror schwingt als Unterton vieler Essays und Gespräche in Christian Reders Buch mit. Es ist der Kontrapunkt des kartographischen Denkens und seiner Navigations-Strategien.
Christian Reder: "Jede Abweichung einer vorgesehen Route im Auto, sagt heut die GPS-Stimme: "Neuberechung im Gang". Das erinnert mich jedes Mal, wie ich kontrolliert werde, wenn ich einmal links abbiege. Das hat doch jeder Autofahrer heute im Bewusstsein, ein übergeordnetes Kontrollgefühl, das ja nicht prinzipiell sympathisch ist."
Ulf Heinsohn, Wirtschaftshistoriker, Freizeit-Kartograph: "Ja, wir fahren weiter, wir können hier auch mal abbiegen und fahren einfach mal durch kleinere Straßen. Hier und da, wo sich die Struktur ergibt, ist mal ein dreieckiger oder unregelmäßiger Platz, das ist eine Vorliebe von mir, durch Straßen, die aus verschiedenen Richtungen zusammenlaufen, einen Platz zu haben, wo man sich dann vorstellen kann, dass es eine kleine Piazza gibt mit Cafés, an die man sich setzen kann."
Karten zeigen längst mehr als die Oberfläche der Erde, sagt Professor Dr. Francis Harvey. Der Geograph leitet die Abteilung Kartographie und visuelle Kommunikation am Leibniz-Institut für Länderkunde, IFL, in Leipzig. Das IFL hat unter anderem den "Nationalatlas Bundesrepublik Deutschland" herausgegeben, ein zwölfbändiges Werk mit Themenkarten zur Bevölkerungsentwicklung, Wirtschaft und Kultur, zu Verkehrs-, Klima- und Umweltdaten.
Francis Harvey, Geograph, IfL Leipzig: "Die thematischen Karten, die wir erstellen, die sind wirklich da, um Entdeckungen zu ermöglichen. Es ist nicht immer auf Anhieb total klar, was diese Karte im Detail darstellt. Die Karten sind enorm detailliert, sie sind enorm teuer, die sind sehr aufwändig, und daher ermöglichen sie einen Umgang mit Sachverhalten aus unserer Welt, den wir sonst nicht haben. Und das ist sehr wichtig, denn den größten Teil der Welt werden wir nie selber sehen, aber dank Karten, dank Visualisierungen, dank Fernerkundung können wir jetzt vieles entdecken."
Auf engstem Raum bringen solche Themenkarten Farben und Symbole, Bild und Text zusammen. Wenn sie gut gemacht sind, sagt Francis Harvey, dann funktionieren sie wie ein "semantischer Klettverschluss".
Francis Harvey: "Da sind einfach so viele kleine semantische Haken, so viele kulturelle Andeutungen, so viele Verweise, die symbolisch dargestellt werden, so viele erklärende Elemente in den Texten. Das ist eine unglaubliche Leistung, das in der Kartographie und in der Geographie so zu handhaben, dass der Leser nicht darüber nachdenken muss."
Meteorologen, Botaniker, Statistiker identifizierten geographische Muster
Im 19. Jahrhundert unternahm eine ganze Familie von Wissenschaftsdisziplinen einen Vorstoß in den Raum: Meteorologen, Botaniker, Statistiker und Bevölkerungswissenschaftler trafen sich in dem gemeinsamen Erkenntnisziel, geographische Muster zu identifizieren und ursächliche Erklärungen daraus abzuleiten.
Das damals neue Medium der Themenkarte kombiniert oft eine Vielzahl von Informationen aus den unterschiedlichsten Quellen. Ein aktuelles Beispiel dafür ist die so genannte "Umweltgerechtigkeitskarte", die der Berliner Senat im Herbst 2014 veröffentlicht hat.
Herbert Lohner, BUND Berlin: "Das Thema, um das es hier geht, ist das Thema "Umweltgerechtigkeit". Man könnte auch im Umkehrschluss "Umweltungerechtigkeit" sagen. Das heißt einfach: Wer genießt welche Wohlfahrtswirkungen von Natur und Umwelt in der Stadt? Wie verteilt sich das auch räumlich?"
Für die Karte wurden fünf Kernthemen miteinander verbunden, erklärt Herbert Lohner vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland. Eingeflossen sind Statistiken über Lärmbelastung, Luftgüte und Bioklima, über die Nähe zu Grünflächen und die Sozialstruktur der einzelnen Stadtbezirke.
Herbert Lohner: "Das heißt, am Ende kommt eine Mehrfachbelastungskarte heraus. Und die hat jetzt einige Hotspots, besonders dunkle, erhöhte Belastungen. Das heißt, man kann jetzt erkennen, wo es den Bewohnern Berlins nicht so gut geht, unter vielerlei Gesichtspunkten."
Die Ergebnisse als solche sind nicht besonders überraschend: Im Zentrum ist die Umweltbelastung durchschnittlich stärker als am Stadtrand, in Vierteln mit sozialen Problemen sind oft auch die Umweltwerte schlechter. Dennoch liefere die Karte gute Argumente, sagt Lohner. Denn was jeder schon zu wissen glaubte, lässt sich jetzt belegen.
Herbert Lohner: "Wenn man vor hundert Jahren zum Beispiel Fotos von Heinrich Zille anguckt, der ja auch fotografiert hat, wo man Kinder in Pflasterstraßen mit einer Geranie am Fenster spielen sieht – das Bild zeigt genau das Gleiche. Das Interessante an diesen Karten ist, dass das jetzt mit ganz konkreten, wirklich Adressbezogenen Daten unterlegt ist und man sich nicht mehr nur aufs Appellieren und Philosophieren beschränken muss."
Und noch etwas ist Herbert Lohner wichtig: Man hätte natürlich auch einen Umweltgerechtigkeitsbericht veröffentlichen können. Aber der hätte niemals die Überzeugungskraft einer Karte gehabt.
Herbert Lohner: "Man erreicht damit alle Menschen. Es genügen ein paar Sätze, um zu erkennen, was auf diesen Karten drauf ist, während – wenn ich die Erläuterungstexte zu diesen Karten jemandem geben würde, der müsste mindestens Abitur haben."
Eine acht mal acht Meter große Landkarte des Thüringer Waldes wird in Gotha von einer jungen Frau mit dem Staubsauger gereinigt. Der Karten-Teppich ist Teil der Ausstellung "Thüringer Wald - Natur in Szene gesetzt"
Eine acht mal acht Meter große Landkarte des Thüringer Waldes wird in Gotha von einer jungen Frau mit dem Staubsauger gereinigt. Der Karten-Teppich ist Teil der Ausstellung "Thüringer Wald - Natur in Szene gesetzt"© picture alliance / dpa / Martin Schutt
Jana Moser, Kartographin, ifl Leipzig: "Eine Karte bietet natürlich auf den ersten Blick Informationen. Man kann, zumindest scheinbar, einmal drauf schauen und sieht Beziehungen, die man im Text vielleicht erst auf zehn Seiten sich erschließen müsste."
Dr. Jana Moser leitet am IFL in Leipzig den Bereich Kartographie. Sie rät zu Vorsicht im Umgang mit Karten: Zwar können wir sie oft auf einen Blick erfassen, aber deshalb nicht unbedingt intuitiv verstehen.
Jana Moser: "Wir gehen immer davon aus, dass sie das ist. Aber wir zweifeln inzwischen auch zu einem gewissen Maße daran. Deswegen ist eine der Regeln, die wir hier am ifl verfolgen, dass eine Karte immer einen begleitenden und erläuternden Text haben soll, weil eben eine Karte in der Regel nicht für sich selber spricht."
Von Stadtplänen und Autoatlanten haben wir gelernt, Karten für wahr zu nehmen. Dabei könnte ein bisschen mehr Skepsis nicht schaden, meint Jana Moser.
Jana Moser: "Dieser Wahrheitsanspruch ist ja einer, der nicht unbedingt von den Kartographen selbst formuliert wird, sondern der einfach aus unserem alltäglichen Umgang mit Karten entstanden ist und auch gesellschaftlich eingeübt wurde, mehr oder weniger. Das heißt, wir als Kartografen wissen, dass wir keine Wahrheit und keine objektive Information vermitteln, sondern dass alles, was wir tun auch subjektiv ist. Aber die Frage ist: Wie wird von den Nutzern damit umgegangen?"
In gewissem Sinne sei das auch ein Sprachproblem, sagt Jana Moser, denn: Karten kennen keinen Konjunktiv.
Jana Moser: "Eine Karte kann nur etwas darstellen oder etwas nicht darstellen, aber sie kann nicht wie ein Text sagen: Was wäre, wenn? Das ist das Problem der Karte letztlich, dass sie eben keinen Konjunktiv kann."
Karten bleiben im Modus der Behauptung – und oft genug, sagt Francis Harvey, sei das auch genau das, was wir von ihnen erwarten.
Francis Harvey, Geograph, IfL Leipzig: "An sich könnte man meinen, jede Karte hätte vielleicht einen Streitwert. Aber wollen wir, wenn wir jetzt eine Reise organisieren, über die Karte erst mal streiten? Wahrscheinlich nicht. Wir wollen gern diese autoritäre Karte haben, wo wir sagen: Das gibt uns die Wege, die Bahnverbindungen, die Auto-Routen und so weiter. Das sehen wir da. Aber es gibt andere Karten, wo wir durchaus miteinander diskutieren wollen."
Denn gerade komplexen Themenkarten gehen viele Diskussionen voraus: Wie können so unterschiedliche Faktoren wie Luftreinheit, Lärmbelastung, Naturnähe und sozialer Status in einer "Umweltgerechtigkeitskarte" auf vergleichbare Weise gewichtet werden? Welche Zusatz-Daten braucht eine Karte, um das Gefälle in der Kleinkinderbetreuung zwischen westlichen und östlichen Bundesländern plausibel zu machen? Arbeitslosigkeit? Berufstätigkeit von Frauen? Sozialisation im Sozialismus? Und wie kann eine Karte deutlich machen, dass manche Angaben nicht exakt erhoben, sondern nur geschätzt werden können – etwa wenn es darum geht, auf welchen Routen irreguläre Migranten versuchen, nach Europa zu gelangen?
Jana Moser, Kartographin, IfL Leipzig: "Wir versuchen, mit Darstellungsmitteln dort auch die Unsicherheiten unter Umständen darzustellen, aber das ist eine Herausforderung auch in der Visualisierung, die ein Forschungsthema ist, die im Moment nicht wirklich befriedigend gelöst ist."
Wie könnte man Karten den Konjunktiv beibringen? Der Journalist und Kartograph Philip Rekacewicz, der für die politischen Atlanten der Zeitung "Le Monde diplomatique" verantwortlich zeichnet, sagte im Interview für Christian Reders Buch "Kartographisches Denken":
Zitat P. Rekacewicz / Christian Reder "K. Denken" (S. 15):
"Neutrale Kartographien, neutrale Texte – als völlig gereinigte Formen von Wahrheit – gibt es nicht. Zum Verstehen trägt bei, wenn das transparent wird. Es muss bewusst bleiben, dass es dahinter immer noch eine Geschichte gibt. Weil nicht alles beweisbar ist, müssen auch Unschärfen und Risiken aufgezeigt werden. Deswegen wende ich mich mehr und mehr wieder der kartographischen Handzeichnung zu, weil Skizzen das Wesentliche anders zeigen können, eben ohne den Anschein von Endgültigem zu erwecken."
Christian Reder versteht "Kartographisches Denken" als Denken in der Möglichkeitsform. Im zentralen Essay seines Buches verschiebt er vertraute Koordinaten und zieht neue Linien. Um eine neue Perspektive auf die Menschheitsgeschichte zu gewinnen, folgt er einer fiktiven Mittellinie durch die Kontinente, die ihn vom Kap der Guten Hoffnung durch Afrika und Asien über die Beringstraße durch Nord- und Südamerika bis Kap Hoorn führt. In einem bewussten Gegensatz zur Geschichte der Seefahrer und Entdecker und der Handelsstädte an den Küsten führt diese Zeitreise durch das Binnenland: in Dschungel und Wüsten, an Orte, die als unzivilisiert und geschichtslos gelten. Schließlich bemerkt der Autor, dass er auf diese Weise ziemlich genau der Route gefolgt ist, die die ersten Menschen bei der Besiedelung der Erde zurückgelegt haben. So wird die Mittellinie für Reder zu einem Symbol für den gemeinsamen Ursprung der Menschheit in Afrika.
Christian Reder, Herausgeber "Kartographisches Denken": "Wenn es um 'Weltbild' geht, ist ein nächster Begriff doch auch "Menschenbild". Und was heißt "Menschenbild"? Wenn wir uns bewusst werden, wir kommen alle aus Afrika, müsste das Menschenbild schon einmal etwas entspannter und nicht in Rassen und Feindseligkeiten a priori aufgegliedert sein. Da ist Kartographie im Sinne von Weltverständnis und Visualisierung schon ein sehr zukunftsweisendes Gebiet."
Unterwegs auf einem Teil der Karte, den Ulf Heinsohn während seines Studiums in Berlin gezeichnet haben muss: es geht über einen Campus im angelsächsischen College-Stil mit einzelnen frei stehenden Universitätsgebäuden, Sportanlagen und Gotteshäusern verschiedener Religionsgemeinschaften. – Karten sind auch ein Archiv der eigenen Erinnerungen und Wünsche.
Ulf Heinsohn, Wirtschaftshistoriker, Freizeit-Kartograph: "Ja, also, sie sind ein Papier gewordenes Möchtegern. Ich weiß, bevor ich solche Karten gezeichnet habe, habe ich mir abends vor dem Einschlafen vorgestellt, ich würde Modelleisenbahn-Landschaften gestalten, die ich dann jeden Abend umgebaut habe, sozusagen mir ständig für einzelne Gestaltungselemente überlegt habe, wie ich das jetzt anders machen könnte, und bin dann irgendwann aus dieser reinen Fantasiewelt vor dem Einschlafen übergegangen: Jetzt möchte ich das eigentlich festhalten. Da sind Dinge, die mir so gefallen, an die möchte ich mich nicht jeden Abend neu erinnern, sondern die sollen jetzt eine Form bekommen."
Martin Haussmann, Kommunikationstrainer: "Der klassische Kartograph findet eine Landschaft vor und versucht, sie abzubilden. Was wir machen, ist: Wir versuchen, über das Abbilden die Landschaft zu entdecken."
Inspiration für kommunikative, künstlerische und literarische Strategien
"Kartographisches Denken" bleibt nicht auf das Feld der Geographie und das Neuland der "Neogeographie" beschränkt, es ist längst zu einer Inspiration für kommunikative, künstlerische und literarische Strategien geworden. Martin Haussmann ist einer der beiden Leiter der "Bikablo Akademie für Visuelles Denken, Lernen und Zusammenarbeiten". Er bildet Trainer in Techniken der visuellen Verständigung aus. Dabei spielt die Metapher der Landkarte eine besondere Rolle.
Martin Haussmann: "'Kartographisches Denken' ist, so wie wir es verstehen, eine spezielle Strategie des Erkundens von Gedanken, von Gedankenlandschaften. Die Grammatik von Karten hilft uns, Dinge, die wir nicht festhalten können und auch nicht benennen können, greifbar und auch teilbar zu machen."
Durch das gemeinsame Skizzieren einer Karte, kann eine Gruppe sich schnell über die aktuelle Situation verständigen: Wo stehen wir? Welche Wege stehen uns offen? Welche Hindernisse sind zu überwinden?
Martin Haussmann: "Im Idealfall zeichnen alle – und sind dadurch auch Mit-Autoren eines gemeinsamen Plans. In dem Moment, wo jemand anders den Stift nimmt und sagt: Ich glaube, ich habe verstanden, was du meinst. Ich zeichne es mal auf, entsteht ein Gedanke, der nicht mehr einem Autor zuzuordnen ist, sondern es ist ein Gedanke, der gemeinsam entstanden ist. Und der Dritte guckt sich das an und sagt: Jetzt, wo ich das sehe, merke ich, dass wir da und da noch zwei, drei Sachen brauchen, und nimmt wiederum den Stift und zeichnet die dann in die Karte ein."
So entsteht eine Landschaft mit verheißungsvollen Inseln, Gebirgen, hinter denen fruchtbares Land wartet, mit Handelsstraßen, die es auszubauen gilt. Und, ganz wichtig: Die Route kann jederzeit neu berechnet werden.
Martin Haussmann: "Die Karten, die wir zeichnen – deshalb zeichnen wir sie auch schnell von Hand –, können sich verändern. Die Wege, die darin sind, können schnell ausgebaut oder auch von der Karte gestrichen werden. Es können sogar Kontinente zusammenwachsen. Man kann innerhalb von zehn Sekunden eine zehn Kilometer lange Brücke bauen – zu Inseln, die vorher unerreichbar schienen."
Nicole Schuck, Künstlerin: "Papier wird entfaltet und auf dem Tisch ausgebreitet."
Kartierungen der besonderen Art unternimmt auch die Künstlerin Nicole Schuck. In ihren großformatigen Bleistiftzeichnungen verbindet sich das Straßen- oder Wegenetz bestimmter Orte mit Tieren, die darin fragmentarisch in Erscheinung treten.
Nicole Schuck: "Wenn du hier weiter läufst, also, wo das Ohr ist, oberhalb des Auges, hier kommt man dann eigentlich in die größeren Naturgebiete. An dieser Nase ist das Naturschutzgebiet, und dann fängt ein sehr großer See an. Hier kannst du wieder zurücklaufen, aber es ist natürlich auch eine künstlerische Fiktion. Also, Karten setzen sich für mich aus einerseits realen Wegen zusammen, die menschengemacht sind, und andererseits natürlich auch aus der künstlerischen Abstraktion und durch das Tier bestimmte Flächen."
Indem sie beide Motive nur andeutet, erzeugt Nicole Schuck eine Art Kippbild-Effekt: Aus dem mit feinen Linien gezeichneten Stadtplan von Interlaken lugt ein Biber hervor: Hier wächst ein bisschen Fell, dort ist ein Stück vom schuppigen Schwanz zu erkennen. Oder ist es ein Fels? Karte und Tier finden im Bild zusammen, nachdem die Künstlerin zuvor ausgiebig das Terrain erkundet und nach bestehenden Verbindungen des Ortes mit einem charakteristischen Tier gesucht hat.
Nicole Schuck, Künstlerin: "'Karte' bedeutet natürlich immer, dass du einen Raum strukturierst, durch eine Karte wird ja ein Territorium bestimmt. Früher wurden die Karten ja auch – was ich super finde – je nach Auftraggeber wurden bestimmte Länder ja viel größer dargestellt als andere. Je nachdem, wie die Interessen gelagert waren. Das ist so etwas, was mich interessiert, weil – in dem Moment, wo ich hingehe und sage: Diese Karte wird bestimmt von diesem Tier, ist es auch eine territoriale Bestimmung. Ich definiere dadurch, dass dieses Tier da sozusagen verortet ist und dahin gehört – oder dahin gehörte. Also, auf jeden Fall in Verbindung steht."
Landschaft zeichnend begehen
Die kunstvolle Verklammerung von Körper und Kartographie lässt offen, ob hier jeweils das Tier die Landschaft beherrscht oder der Mensch das Naturwesen in sein ordnendes Raster zwingt. Eins ist vom anderen nicht zu trennen, wie sich in der Bewegung des Zeichnens selbst die Begehung der Landschaft wieder findet.
Nicole Schuck: "Wenn ich eine große Zeichnung mache, die sind ja 2,50 mal 1,50 teilweise, wenn ich an denen arbeite, dann dauert das sehr, sehr lange, das sind manchmal zwei Monate oder länger. Und dieses Gehen im Grunde mit dem Stift auf dem Papier ist sehr ähnlich für mich wie das in der Natur, was vorher stattgefunden hat. Es sind eigentlich Prozesse des Abwanderns."
Zitat Paul Celan "Der Meridian" (S. 23):
"Ich finde etwas – wie die Sprache – Immaterielles, aber Irdisches, Terrestrisches, etwas Kreisförmiges, über die beiden Pole in sich selbst Zurückkehrendes (...): ich finde ... einen Meridian."
Der Schriftsteller und Publizist Gernot Wolfram ist durch Paul Celan auf den Zusammenhang von Literatur und Kartographie aufmerksam geworden.
Gernot Wolfram, Publizist und Schriftsteller: "Was mich immer fasziniert hat, ist, was Paul Celan in einem seiner Texte sagt: Wenn er an die Landschaft seiner Kindheit denkt, dann streicht er "mit unruhigem Finger" über diese Karte, und er denkt, das ist eine "Kinderkarte". Er hat diesen Begriff der "Kinderkarte" geprägt. Also, es ist eine Karte, mit der man wieder anfängt zu staunen, und zwar nicht kindlich, sondern indem man einfach, was jeder Literat macht in seinen Büchern, jeder Schriftsteller macht: Er sucht etwas aus, er erzählt einen Teil der Geschichte, die unter dem Radar der offiziellen Geschichte fliegt."
Im Jahr 2008, kurz nach dem Ende des Krieges im ehemaligen Jugoslawien, erhielt Gernot Wolfram eine Einladung in das Kosovo, um gemeinsam mit Schriftstellern und Künstlern vor Ort eine Kulturkarte der Hauptstadt Pristina zu erarbeiten.
Die "unabhängige Republik Kosovo" war gerade erst ausgerufen worden. Das Thema Topographie war politisch besetzt und hochbrisant.
Gernot Wolfram: "Zu dieser Zeit waren die Straßen voll mit diesen UN-Wagen, um einige Serbische Kirchen und Klöster waren Zäune gespannt. Aber auch in der Stadt, gab es natürlich diese Zäune, an denen die Bilder der Vermissten des Krieges hingen, junge Männer, junge Frauen, Kinder – also, eine ständige Erinnerung daran, was passiert ist, eine vollkommen irre Topographie, die eigentlich von der Diskussion bestimmt war: Wo verläuft jetzt dieser Staat? Wem gehört was?"
Eine Karte der Schriftsteller
Aber Wolfram war davon überzeugt, dass eine "Karte der Schriftsteller", eine gemeinsam erstellte Übersicht zu Orten der Kultur, den richtigen Blickwinkel öffnen könnte, um der Logik des Krieges eine andere Sicht auf die Stadt entgegenzusetzen.
Gernot Wolfram: "Es gibt die eine Seite, es gibt die andere Seite – meistens ist es ja so banal, dass es im Grunde genommen zwei verfestigte Positionen (...) gibt. Und dieser andere Blick kann so ein drittes Thema sein. Also, reden wir mal nicht darüber, dass du Serbe und ich Albaner bin oder eben Deutscher bin, sondern reden wir darüber: Was fasziniert uns an diesem kulturellen Artefakt? Was fasziniert uns an diesem Ort? Warum glauben wir, dass das ein wichtiges Museum ist. Und am Ende des Tages – ohne das jetzt zu romantisieren oder überzubewerten –, aber ich glaube schon, dass diese Karte eine ganz andere Geschichte erzählt."
Am Ende enthielt die Karte Moscheen, Kirchen und jüdische Kulturstätten, sie verzeichnete Bars und Bibliotheken, Clubs, Theater und Museen, jahrhundertealte Kulturdenkmäler standen neben Schauplätzen der Unterdrückung und Verfolgung in jüngster Vergangenheit. Aber die eigentliche Botschaft der Karte bestand in der Einladung, ein zeitgenössisches Kulturleben zu entdecken, das offen für neue Begegnungen war.
Eine andere Karte ist möglich. Das ist, über alle Unterschiede hinweg, ein Credo des "Kartographischen Denkens". Es gibt nicht den einzig gültigen Plan, egal für welches Gebiet, anders als es der Schulatlas vielleicht noch glauben machen wollte. Es gibt immer noch eine andere Ansicht, eine andere Abzweigung, eine andere Geschichte.
Ulf Heinsohn, Wirtschaftshistoriker, Freizeit-Kartograph: "Und dann befindet man sich hier am Ende der Stadt. Hier befinden sich noch einige Gewerbebetriebe am Wegesrand, aber die sind für uns nicht so interessant, fahren dann in einen Wald hinein, und plötzlich kann man dann durch diese Lichtung, mitten im Wald, eine Schlossanlage sehen, die in diesem Fall "Siebeneichen" heißt, weil davor sieben mächtige Eichen stehen. Und das könnte dann durchaus ein Ort sein, zu dem man einen Ausflug macht, mit dem Fahrrad hinfährt oder mit dem Auto, um dann dort zu picknicken."
Tatsächlich wird es nicht so lauschig sein, wie dieser Sehnsuchts-Ort in meiner Vorstellung damals war, weil – wir befinden uns am Rande einer Mehrmillionenstadt, und wenn man das als Vorhaben als Ausflugsziel anstreben würde, wäre man nicht allein. Aber das habe ich mir, als ich das angelegt habe, niemals so ausgemalt. Ich habe immer gedacht, ich komme da alleine hin und genieße das ganz für mich.
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