Ich zahle das mit dem Handy!

Von Po Keung Cheung · 01.10.2013
Würden Sie an der Supermarktkasse mit ihrem Smartphone zahlen wollen? EDEKA hofft, dass die Antwort "Ja" lautet. Das Unternehmen führt gerade einen Testlauf mit einer neuen Bezahl-App durch. Aber bisher scheint sich die Begeisterung der Kundschaft eher in Grenzen zu halten.
Christian Ehrhardt legt seine Einkäufe auf das Band der Supermarktkasse: Brot, Obst, Gemüse und andere Lebensmittel. Zum Bezahlen zückt der 38-jährige Brandenburger aber nicht sein Portemonnaie, sondern sein Mobiltelefon. Und das hält die Kassiererin vor ein Lesegerät.
Zahlung mit "Handy-App", einem Zusatz-Programm das mit modernen Mobiltelefonen, so genannten Smartphones funktioniert. Dafür muss man sich erst als Kunde im Internet registrieren, mit Namen, Adresse und vor allem der Bankverbindung. Denn das Geld wird später abgebucht.

Das System identifiziert den Kunden anhand eines Strich- oder Zahlencodes, den die App anzeigt. Die Kassiererin muss ihn einscannen beziehungsweise eintippen. Eine Sache von Sekunden. Normalerweise. Denn hat das Handy im Laden kein Netz, funktioniert es nicht. Außerdem gab es Kinderkrankheiten. Sygun Schliebe, Marktleiterin von EDEKA in Berlin:

"Als wir dieses System eingeführt haben, waren schon die Geräte nicht so fit. Von der Zentrale mussten die Programme noch einmal überarbeitet werden, da waren Datenfehler bei. Diese sind aber mittlerweile alle behoben und es läuft sehr konstant."

Ein erster Testlauf
Die Lebensmittelkette hat als erste das Bezahlen per App eingeführt. Zunächst in rund 100 Berliner und Hamburger Filialen, bis 2015 sollen bundesweit alle anderen folgen. Bei der Unternehmenstochter Netto funktioniert es schon jetzt flächendeckend. Christian Ehrhardt findet das praktisch:

"Ich hoffe schon drauf, dass die anderen Firmen dann nachziehen und dann ähnliches anbieten, weil es für mich einfacher ist und mir Möglichkeit gibt, relativ schnell eben, unabhängig davon, selbst wenn ich am Strand bin, mein Handy habe ich immer noch dabei, wenn ich dann den nächsten Supermarkt finde."

Wer sich die App genau anschaut, entdeckt noch weitere Funktionen. Etwa die Suche nach der nächstgelegenen Filiale oder besondere Angebote und Gutscheine, die automatisch eingelöst werden können. Spätestens jetzt wird klar: Es geht mehr als nur ums Bezahlen. Und das Ganze hat einen Haken.

Denn theoretisch könnte der Händler einen Überblick bekommen, wer, wann, wo, was und wie viel gekauft hat. Die EDEKA-Zentrale in Hamburg bestreitet das: Wie bei anderen Zahlungsverfahren würden nur die für die Abwicklung erforderlichen Daten generiert, heißt es. Mehr nicht, auch nicht zum Einkauf. Und persönliche Informationen seien nicht im Telefon oder in der Kasse gespeichert, sondern würden jedes Mal neu über das Internet abgefragt. Prüfen kann man das nicht, wer die Handy-App nutzen will, muss dieser Aussage vertrauen. Immerhin: Da per Lastschrift bezahlt wird, kann die Zahlung im Zweifel bei der Bank zurückgebucht werden.

Warentester nicht übermäßig besorgt
Die Stiftung Warentest hält die Frage des Datenschutzes für wichtig, relativiert aber auch. Denn sie sieht kaum einen Unterschied zur herkömmlichen Nutzung von Kundenkarte und Plastikgeld. Denn auch hier könnten Daten gespeichert werden, aus denen der Händler das Einkaufsverhalten nachvollziehen kann. Rüdiger Stumpf von der Stiftung Warentest:

"Im jetzigen ziemlich sensiblen Zeitraum, wo es quasi um Datenschutz geht, global und jedem gesagt wird: 'Vermeide doch deine Daten preiszugeben, wenn es nicht nötig ist', dann muss man sagen: 'Also, jeder muss es sich überlegen, was er macht.'"

An der praktischen Umsetzung hat die Stiftung Warentest nichts auszusetzen. Sie hat die Bezahl-App einem Schnelltest unterzogen und attestiert eine reibungslose Funktion. Trotzdem glaubt Rüdiger Stumpf nicht, dass diese Form der Bezahlung auf Dauer überleben wird.

"Ich würde mal sagen, es ist eine Übergangslösung. Es ist bisschen auch ein Spielzeug für Leute, die das mal ausprobieren wollen, denen es Spaß macht. Aber jetzt die ganz große Zukunft sehe ich da nicht."

Die Anbieter des mobilen Bezahlens sind sich dagegen sicher: Es ist eine der wichtigsten Zukunftsbranchen – und arbeiten derzeit an verschiedenen Lösungen. Konkurrierende Technologien setzen zum Beispiel auf Chips in Smartphones, die per Funk mit Kassen Daten austauschen. Ein irisches Unternehmen nutzt hingegen die GPS-Ortungsfunktion moderner Telefone. Seine App namens "SumUp Pay" erkennt automatisch, wenn der Kunde ein Geschäft betritt. Sobald dieser etwas bestellt oder bezahlt, sieht der Händler dessen Foto und die bisherigen Käufe auf dem Kassen-Bildschirm. Per Mausklick wird die Zahlung abgeschlossen, das Geld dann vom Konto abgebucht, so eine "SumUp"-Sprecherin. Hierfür muss der Kunde noch nicht einmal sein Smartphone aus der Tasche holen.

Trotz Konkurrenz gelassen
Doch egal, ob die Kommunikation mit der Kasse per Strichcode, Funkchip oder mit Standortdaten erfolgt, im Hintergrund passiert immer das Gleiche: Das Telefon fungiert als Brücke, zwischen der Datenbank des Händlers und der Datenbank mit den Kundeninformationen. Und wohl deshalb bleibt das Unternehmen "valuephone", das die Bezahl-App von EDEKA und Netto entwickelt hat, trotz Konkurrenz gelassen. Geschäftsführer Stefan Krueger.

"Das Know-How, die Prozesse, die haben wir standardisiert in unserem System festgehalten. Die Schnittstellen zur Technologie, die sich, wie Sie wissen, sehr schnell ändert und neue Möglichkeiten bietet, die lassen wir offen, so dass wir jede Technologie nach draußen, quasi zum benachbarten System, verwenden können."

Stefan Krueger sagt, dass das Vergessen eines Smartphones von den meisten eher bemerkt wird, als ein fehlendes Portemonnaie. Ob das als Argument ausreicht, damit sich das Bezahlen per Smartphone durchsetzt, wird sich zeigen. An der EDEKA-Kasse jedenfalls bleibt Christian Ehrhardt mit seiner App erst einmal die Ausnahme. Die meisten anderen Kunden zahlen noch mit Plastikkarte oder gleich in bar.
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