"Ich war immer auf der anderen Seite"

Von Jörg Taszman · 08.03.2006
Nach dem "Goldenen Löwen" in Venedig und drei Oscars kommt Ang Lees "Brokeback Mountain" nun endlich in die deutschen Kinos. In den USA wurde das Werk zu einem weiteren Triumph für einen Mann, der auch schon auf der Berlinale für zwei höchst unterschiedliche Filme ausgezeichne wurdet: "Wedding Banquet", eine Tragikomödie, in der es auch um ein homosexuelles Outing ging und "Sinn und Sinnlichkeit", eine Jane-Austen-Verfilmung.
Ang Lee bei seiner Dankesrede in der Oscar-Nacht: "Zunächst möchte ich zwei Menschen danken, die nicht einmal existieren. Das heißt sie existieren dank meiner Drehbuchschreiber und der Autorin Annie Proulx. Ihre Namen sind Ennis und Jack und sie haben uns alle bei 'Brokeback Mountain' so viel gegeben. Nicht nur schwulen Männern oder lesbischen Frauen deren Liebe von der Gesellschaft nicht anerkannt wird, sondern es geht auch um die Größe der Liebe. Danke. Ich habe diesen Film gedreht, nachdem mein Vater starb. Ich habe ihn auch für ihn gedreht. Und ich grüße meine Familie und alle in Taiwan, Hongkong und China …"

Nun hat es für den in den USA lebenden Taiwanese Ang Lee nicht ganz geklappt mit den ganz vielen Oscars, aber immerhin wurde er für "Brokeback Mountain" mit dem Preis für die Beste Regie ausgezeichnet. Er verbindet in seinem neuen Film den Mythos des amerikanischen Westens mit einem Tabu: der Liebe zwischen Cowboys. Ang Lee ist vielseitig wie kaum ein anderer Regisseur und dennoch kehrt er zu gewissen Themen und Fragestellungen gerne zurück. Nach "Ride with the Devil" ist "Brokeback Mountain" sein zweiter Western und zum zweiten Mal steht nach "Wedding Banquet" ( deutscher Titel: "Das Hochzeitsbankett") auch die Liebe unter Männern im Mittelpunkt.

"Diesmal ist es eine universelle und einmalige Liebesgeschichte. Sexualität und Romanze stehen im Vordergrund. Das letzte Mal ging es um eine schwule Beziehung, die ein asiatisches Familiendrama heraufbeschwor. Beide Filme unterscheiden sich schon sehr. Diese Stoffe interessieren mich einfach, ich weiß nicht einmal, warum ich sie so attraktiv fand. Es waren Herausforderungen, die auch mein Herz berührten und mein Inneres erschütterten, warum auch immer. Und ich mag es aus diesen Geschichten Kinofilme zu machen …"

Ang Lee, der aus einer chinesischen Familie stammt, die vor den Kommunisten aus China nach Taiwan floh, kam als junger Mann in die USA, um dort zu studieren. Er blieb dort, drehte seine ersten Filme "Pushing Hands" "Wedding Banquet" und "Eat Man, Drink Woman" noch auf Mandarin. Sie spielten entweder im Milieu der taiwanesischen Einwanderer in den USA oder ganz in Taiwan. Wo seine Sympathien liegen, ist eindeutig. In seinen Filmen interessiert sich Ang Lee für Außenseiter und Mythen. Warum ?

"Weil wir Outsider sind. Ich bin ein Ausländer in Amerika. Wenn ich nach China gehe, bin ich ein Taiwanese und Amerikaner. Mein ganzes Leben lang war ich auf der anderen Seite. Mir fällt es leicht, mich mit jemandem zu identifizieren, der wie ein Fisch ohne Wasser ist, auf der anderen Seite der Sieger. Ohne tiefe kulturelle Wurzeln, aber dennoch gewissen Traditionen verpflichtet."

Seinen bisher größten Erfolg feierte Ang Lee vor fünf Jahren mit "Tiger and Dragon" der wegen seiner atemberaubenden Bilder, exzellent choreografierten Kampfszenen und zwei romantisch-melodramatischen Liebesgeschichten mehr war als nur ein Genrefilm. Geschickt verwob Ang Lee asiatisches Kino mit einer mehr westlichen Dramaturgie und modernen Frauenfiguren. "Tiger and Dragon" spielte allein in den USA 128 Millionen Dollar ein, dabei lief er nur in der Originalfassung mit Untertiteln.

Es war so der erste fremdsprachige Film, der die Schallmauer von 100 Millionen Dollar durchbrach. Zehn Oscarnominierungen und vier Oscars folgten. Gerüchte, es würde eine Vorgeschichte zu "Tiger and Dragon" geben, bewahrheiteten sich nicht. Ang Lee ist ein Regisseur, der sich nie wirklich wiederholt und ebenso eine ganz amerikanische Familiengeschichte erzählen kann wie in "The Icestorm" oder aber sich in der Welt von Jane Austen heimisch fühlt. Amüsiert beantwortet Ang Lee die Frage, was englische und chinesische Traditionen gemeinsam haben.

"Vor vielen Jahren wurde ich einmal gefragt, wie kann ein chinesischer Regisseur Jane Austen in England verfilmen? Und ich sagte scherzhaft, für einen chinesischen Regisseur ist es relativ leicht. Ich kann ihnen zeigen was es bedeutet sich oder seine Gefühle zu unterdrücken. Als ein Außenstehender sieht man die Regeln und Vorschriften klarer."
Mehr zum Thema