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Studentische Wahlkämpfer

Sonntag ist Fernseh-Tag. Zum zweiten Mal werden sich Stoiber und Schröder vor laufender Kamera ein Rede-Duell liefern. Ein Mega-Spektakel, an dem im Hintergrund Dutzende Politik-Profis beteiligt sind. Und auch – was kaum jemand weiß: Studierende.

06.09.2002
    Sonntag ist Fernseh-Tag. Zum zweiten Mal werden sich Stoiber und Schröder vor laufender Kamera ein Rede-Duell liefern. Ein Mega-Spektakel, an dem im Hintergrund Dutzende Politik-Profis beteiligt sind. Und auch – was kaum jemand weiß: Studierende. Denn in allen Wahlkampfzentralen sitzen Praktikanten und dürfen die internen Abläufe mit verfolgen und: mit beeinflussen. Ein begehrter Job, gerade für Leute, die später selbst einmal in die Politik gehen wollen. Jens Rossbach zeigt am Beispiel der SPD-Kampa, wie Studierende heute wahlkämpfen.

    Also ich mach das Praktikum aus Eigeninteresse, aus Motivation heraus, ich möchte halt mein Horizont für mich persönlich erweitern und halt sehen, wie Politik im Alltag funktioniert.

    Felix Gausmann studiert Politik, Sozialpsychologie und BWL in Hannover. Und obwohl die Prüfungsordnung es gar nicht verlangt, macht der 21jährige freiwillig ein zweimonatiges Praktikum - und zwar in der Hauptstadt, in der Wahlkampfzentrale der SPD. Sein Job: Mithelfen in der Online-Redaktion der Partei.

    Ja zum Beispiel, wenn der Parteivorstand zusammengekommen ist, wie zum Beispiel bei der Sache mit der Hartz-Kommission, dass man dann im Internet halt eine Informationsplattform bietet, dass man da inhaltlich recherchiert und den Leuten zur Verfügung stellt.

    Sebastian Lange sitzt noch dichter an den Hebeln der Macht: direkt im Büro von Franz Müntefering, dem Generalsekretär und obersten Wahlkämpfer der Sozialdemokraten. Die Hauptarbeit des Berliner Politik-Studenten: Post beantworten.

    Also es gibt Leute, die schicken seitenweise Konzepte, wie sie meinten, dass man die Arbeitslosigkeit senken könnte und dann gibt’s Leute, denen hat die AOK die 80 Mark für das Hörgerät nicht erstattet und die möchten gerne, dass Franz Müntefering sich dahinter klemmt oder es gibt Leute, die sagen: Mensch Franz, du machst das Klasse, mach weiter so oder Leute, die das Gegenteil sagen, nein das ist alles doof, ihr müsst da weg. Und da muß man dann sehen, dass die Leute ein Antwort bekommen, weil dass ist ja für die Außenwirkung sehr wichtig.

    Und Amerikanistik-Studentin Eva Drost tingelt mit Manfred Stolpe durch die neuen Bundesländer oder begleitet ihn zu Partei-Events. So auch zum Fernsehduell Schröder-Stoiber vor zwei Wochen.

    Also ich war in dieser Presselounge, wo diese 350 Journalisten waren, und auch noch Prominente. Das war natürlich Wahnsinn. Weil da steht man dann drei Meter entfernt von Till Schweiger und mit allem Brimborium und Cocktailbar und lecker Essen und so.

    Für Felix Gausmann war das Duell dagegen eher Arbeit als Vergnügen.

    Ich hab darüber geschrieben und das kam halt ins Internet, so welche Werte wer hatte, dass Schröder halt besser war und so.

    Und auch Sebastian Lange musste klotzen – nach dem Fernsehauftritt stapelte sich nämlich die Post im Büro des Generalsekretärs.

    Dann schreiben die Leute eben, ja es hat ihnen gut gefallen und der Schröder war Klasse oder sie schreiben halt nein, er war doof und der Stoiber war besser und dann muß man natürlich versuchen, das zu kontern und zu sagen, ja Stoiber schön und gut, schauen sie sich mal an, was Stoiber alles verbockt und falsch gemacht hat.

    Über das kommende TV-Duell wird dagegen nichts verraten: Wahlkampfgeheimnis. Und daran halten sich die Studierenden. Denn die insgesamt 25 Praktikanten in der SPD-Kampa sind allesamt parteitreu, viele sind sogar Genossen.

    Wir haben alle das selbe Ziel: 22.9. Gerhard Schröder bleibt Kanzler. Da da kann jeder seinen Beitrag zu leisten.

    Kein Wunder, dass solche Sprüche bei anderen Kommilitonen durchaus gemischte Reaktionen hervorrufen.

    Ich mein, einer meiner besten Kumpel war mal Bezirksvorsitzender bei den jungen Liberalen, der freut sich natürlich nicht, weil er meint, ich wäre völlig verblendet, aber das mein ich von ihm auch, aber alle begreifen, in der Kampa zu arbeiten, kriegt man nicht alle Tage.

    Auch bei der politischen Konkurrenz wirbeln Studierende im Hintergrund. Im Stoiber-Team werten Praktikanten Tag für Tag die Fernsehauftritte der politischen Größen aus - vor allem die Auftritte der politischen Gegner. Bei den Bündnisgrünen sind sie etwa in der Telefonhotline im Einsatz, bei der PDS bei Aktionstagen und bei der FDP beim Plakate-Kleben. Nicht alle dürfen an die Öffentlichkeit treten und über ihr Praktikum plaudern. Und wenn doch, dann sitzen Pressereferenten mit dabei und passen auf, dass die Studierenden ja nichts Falsches über den Wahlkampf der jeweiligen Partei sagen.

    Es geht nicht darum, dass sie das nicht dürfen.

    erklärt SPD-Pressesprecher Lars Kühn. Und verteidigt dann doch die Zensur:

    Es gibt ne klare Festlegung hier im Haus: Für die Partei sprechen gewählte Personen bzw. die Pressesprecher.

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