"Ich möchte eigene Filme drehen"

Von Vanja Budde · 09.02.2009
Die Berlinale ist auch ein Treffpunkt für den Nachwuchs. 350 junge Schauspieler, Regisseure, Kameraleute und Filmkritiker aus aller Welt sammeln sich beim Berlinale Talent Campus. Mit dabei ist der Film-Produzent Amiel Guibunda aus Mosambik.
Ein Raum im zweiten Stock eines Berliner Theaters. Eine Wand ist komplett verglast, draußen fährt die Hochbahn durch den grauen Winter-Nachmittag. Amiel Guibunda, klein und schmal, sitzt sehr aufrecht an einem Bistrotisch, eine wollene Schiebermütze auf den kurzen Haaren, weißes Hemd unterm grauen Pullover mit V-Ausschnitt.

Mozambik ist eines der ärmsten Länder der Welt, aber Amiel hat einen der begehrten Jobs beim staatlichem Fernsehen TVM in Maputo ergattert. Ein Weg, der in gewisser Weise vorgezeichnet war.

"Mein Vater war Journalist, darum hatten wir Zugang zu vielen Filmen und Musik et cetera. Er liebte Musik und Filme. Ich habe eine große Film-Sammlung zu Hause, einige hat meine Vater gesammelt, die anderen habe ich zusammen getragen, als ich Film studierte."

Nach der Schule lernte Amiel Guibunda Ton-Ingenieur und arbeitete einige Jahre beim Fernsehen. Als er 27 war und sein erstes Kind gerade ein Jahr alt, bekam er ein Stipendium fürs Studium der Filmwissenschaft in Kuba.

Amiel sah seine Frau und den Sohn nur einmal im Jahr, aber er lernte viel über das Kino und traf Studenten aus aller Welt. Das Studium veränderte seine Sicht auf das Kino: Früher mochte er Abenteuerfilme und Komödien, heute schwärmt er für David Lynch, magischen Realismus und Horror-Filme.

"In Afrika passieren viele übersinnliche Geschichten. Es ist normal, dass die Leute erzählen, wie ihnen Geister begegnet sind. Wir haben viele Tabus in Afrika, geheimnisvolle Dinge, die geschehen, die wir nicht erklären können.

Ich möchte eines Tages Filme produzieren, die sich mit dieser afrikanischen Kultur beschäftigen. Da ist zum Beispiel ein sehr interessantes Buch von der Schriftstellerin Paulina Chiziane, dessen Verfilmung ich gerne produzieren würde. Sie ist eine der besten Schriftstellerinnen Mosambiks."

"Liebeslied an den Wind" heißt der Roman. Amiel Guibundas große braune Augen leuchten, wenn er davon erzählt. Aber dieses Projekt wird nie Wirklichkeit, sagt er dann: Mozambik produziert nur eine Hand voll Dokumentarfilme im Jahr, Spielfilme sind viel zu teuer, das Fernsehprogramm ist mit der heißen Nadel gestrickt. In den wenigen Kinos des Landes an Afrikas Ostküste laufen lediglich Bollywood-Streifen und Actionfilme aus den USA.

Amiel hat eine große Dreizimmerwohung in Maputo, ein Auto, vor zwei Jahren bekam seine Frau Mercia noch eine Tochter. Er könnte zufrieden sein, aber Amiel will mehr. Sein Producer-Job beim Fernsehen füllt ihn nicht aus.

"Eines Tages möchte ich meine eigenen Filme drehen, denn ich weiß, wie man Regie führt. Aber Afrika braucht auch eigene Produzenten. Afrika hat so viele Probleme.

Wenn es keine Produzenten gibt, die Wege finden, Filme zu finanzieren, wird sich nie etwas ändern. Dabei gibt es Regisseure, die darauf warten, diese Probleme anzuprangern. Und was mich angeht: Ich weiß, was in Mosambik nicht stimmt, was falsch läuft."

In Kuba hat Amiel Guibunda auch das Regie-Fach gelernt, sich nach dem Grundstudium aber für die Film-Produktion entschieden. Er lächelt selbstironisch, und in seinen Augenwinkeln zeigen sich die ersten feinen Lachfältchen, als er zur Begründung sagt:

"Weil ich ein Mensch bin, der gerne die Kontrolle hat über das, was er tut. Ich will alle Fäden in der Hand haben. Ich fühle mich nicht sehr gut, wenn ich - wie damals als Ton-Ingenieur - etwas prima mache, aber dafür keine Anerkennung bekomme. Nein danke. Ich kontrolliere die Dinge gern."
Der sanfte und höfliche Amiel Guibunda ist sehr zielstrebig. Im vergangenen Jahr hat er abends nach der Arbeit noch Marketing studiert. Man muss immer kämpfen, um etwas zu erreichen, erklärt er. Amiel arbeitet viel, kommt zum Verdruss seiner Frau immer spät nach Hause. Dafür nimmt er in seiner raren Freizeit Rücksicht auf die Familie.

"Ich bin am liebsten zu Hause, schaue mir Filme an. Und spiele Gitarre. Aber meine Frau geht so gern aus. Zum Essen ins Restaurant und an den Strand. Wenn ich also mal frei habe, dann unternehme ich immer etwas mit ihr und den Kindern. Weil sie mit mir Zeit verbringen wollen. Aber ich bin am liebsten zu Hause."

Amiel Giubunda neigt nicht zu Fantasiegespinsten. Aber wie so viele gut ausgebildete, kluge junge Leute in Afrika, würde er seiner tropischen Heimat am Indischen Ozean am liebsten den Rücken kehren. Amiels Zukunftsvision ist ein Leben in Europa.

"Ich würde gerne meinen Lebensunterhalt nur mit dem Kino verdienen. Ich möchte in einem Land leben, in dem ich das tun kann, was ich all diese Jahre studiert habe. Wo ich anerkannt werde und Geld verdienen kann mit dem, was ich leidenschaftlich gern tue: Gitarre spielen und Filme machen. Es ist mein Traum, davon leben zu können. In Mosambik ist das nicht möglich."