"Ich kann in der CDU keinen Linksruck erkennen"

Peter Altmaier im Gespräch mit Nana Brink · 16.02.2010
Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Peter Altmaier, lobt die Ausrichtung seiner Partei unter CDU-Chefin und Bundeskanzlerin Angela Merkel. Die CDU sei unter ihrer Führung in die Mitte gerückt, sagte Altmaier.
Nana Brink: Nicht nur in der schwarz-gelben Koalition rumort es derzeit heftig - anlässlich der Debatte über die soziale Gerechtigkeit. Auch die Koalitionspartner selbst gönnen sich schon mal die eine oder andere innerbetriebliche Auseinandersetzung um die richtige Positionierung.

Bei der Union hat jetzt ein Bündnis einiger Politiker und Publizisten gegen den von ihnen konstatierten Linksruck protestiert. Die Partei habe wesentliche Positionen aufgegeben, marschiere in den Schuldenstaat, sei für die Homo-Ehe oder Integrationspolitik von Rot-Grün.

Ich spreche jetzt mit Peter Altmaier, erster Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag. Einen schönen guten Morgen, Herr Altmaier.

Peter Altmaier: Guten Morgen, Frau Brink!

Brink: Mit einem Manifest gegen den Linkstrend haben sich eine Reihe von CDU-Politiken, darunter auch der ehemalige Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Werner Münch, zu Wort gemeldet, und sie fordern eine grundlegende politische Wende, sozusagen eine geistig-moralische Wende. Ist die CDU nach links gewandert?

Altmaier: Nein, ich kann in der CDU keinen Linksruck erkennen. Was allerdings richtig ist, ist, dass unter Führung von Angela Merkel die CDU in die Mitte des politischen Spektrums gerückt ist. Sie ist die große Volkspartei der Mitte geworden, das belegen auch alle Umfragen und Wahlen.

Und das bedeutet, dass die Union sich den Herausforderungen unserer Zeit stellt und darauf auch bisweilen neue Antworten findet. Das wird nicht von allen gleichermaßen goutiert, aber das gehört zur Demokratie, und damit müssen wir leben.

Brink: Es ist ja nicht irgendwer, der über den neuen Linkstrend der CDU schimpft. Der neue baden-württembergische Ministerpräsident Stefan Mappus hat ja seine Partei auch davor gewarnt, ihre konservativen Stammwähler zu verlieren nach dem Motto: Wir haben in der Mitte kaum etwas dazugewonnen, dafür ist uns aber auf der anderen Seite jede Menge weggebrochen. Eine richtige Analyse?

Altmaier: Nun, wir hatten ja vor wenigen Wochen in der Klausurtagung des Bundesvorstandes eine ausführliche Wahlanalyse, und dort hat sich gezeigt, dass die CDU durchaus – etwa in Norddeutschland und auch in den neuen Bundesländern, in Ostdeutschland – Stimmen dazugewonnen hat, Wähler dazugewonnen hat.

Das hängt damit zusammen, dass sie eben stärker in der Mitte verortet ist als früher, und im Übrigen ist die Berliner Erklärung dann vom CDU-Bundesvorstand mit großer Einmütigkeit verabschiedet worden. Insofern glaube ich, dass diese Initiative von einer sehr kleinen Minderheit in der CDU getragen wird, die aber natürlich das Recht hat, ihre Meinung zu artikulieren. Im Übrigen, Herr Mappus ist, soweit ich das überblicken kann, bei dieser Initiative nicht mit von der Partie.

Brink: Nein, aber er hat sich trotzdem zu dem Thema geäußert, was ja auch sein gutes Recht ist, wie Sie sagen. Warum sind dann die Traditionalisten in der CDU nicht zufrieden mit Ihrer Politik, oder anders gefragt, können Sie es sich leisten, auch auf der rechten Seite Wähler zu verlieren?

Altmaier: Ich bin dagegen, dass wir Politik im Rechts-Links-Schema machen, sondern wir müssen versuchen, bei der Lebenswirklichkeit der Menschen anzukommen. Ursula von der Leyen hat das mit ihrer Familienpolitik in den letzten vier Jahren großartig vorgemacht, wir haben dies in anderen Bereichen in der Umweltpolitik, in der Sozialpolitik, aber auch in der Innen- und Gesellschaftspolitik bewiesen, dass die Union integrieren kann, und zwar nach rechts und nach links.

Und am Ende zählt für die Menschen, ob ihre Probleme gelöst werden und nicht, welcher Stempel auf einem Parteiprogramm steht. Insofern glaube ich, dass die Diskussion über rechts und links eine überholte ist. Dass es allerdings zu einzelnen Fragen durchaus zu kontroversen Meinungsunterschieden kommen kann, das gehört zu einer Volkspartei mit dazu.

Brink: Umweltminister Norbert Röttgen will ja das Ende der Kernkraft verkünden, und der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Jürgen Rüttgers, legt sich mit der FDP in Sachen Steuererleichterung an, die er ja nicht für notwendig hält. Heißt Öffnung der CDU auch eine Abkehr von der FDP?

Altmaier: Nein, ganz bestimmt nicht, wir sind ja gerade erst in Berlin eine Koalition für vier Jahre eingegangen, und in Nordrhein-Westfalen regiert Jürgen Rüttgers mit der FDP. Allerdings ist auch richtig, dass in einem Fünf-Parteien-System die Parteien untereinander in ganz anderer Weise koalitionsfähig sein müssen als noch vor einigen Jahren, und deshalb haben Sie heute in Deutschland Große Koalitionen, Sie haben Koalitionen, in denen die FDP mit der SPD regiert, aber auch solche, wo die CDU mit den Grünen regiert, wie in Hamburg oder auch im Saarland.

Das ist eigentlich ein Stück von Normalität in einem Parteiensystem, das aus sehr vielen Parteien besteht. Das ändert nichts daran, dass wir immer dort, wenn es Mehrheiten gibt, für eine CDU/FDP-Koalition diese in aller Regel auch schließen, weil die beiden bürgerlichen Parteien über eine Schnittmenge verfügen, die größer ist als die zu anderen Parteien.

Brink: Aber trotzdem entnehme ich doch Ihren Äußerungen, dass Sie es nicht für eine abstruse Idee halten. Wenn Sie auf Modernisierung setzen, wie wäre es denn dann mit einem modernen Bündnis, zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen, da sind ja im Mai Wahlen, und es ist ja nicht gesagt, dass das schwarz-gelbe Bündnis dort überleben wird, also probieren Sie es mal mit den Grünen, sozusagen als Probelauf für den Bund?

Altmaier: Ich habe es immer nur bedauert, dass die Grünen sich in einer Art babylonischer Gefangenschaft mit der SPD begeben, weil sie eine Jamaikakoalition unter Einschluss der FDP und der CDU kategorisch ablehnen. Wir haben gesehen, dass im Saarland genau diese Konstellation zustande gekommen ist und gut arbeitet.

Und insofern hätte ich mir gewünscht, dass die Grünen in Nordrhein-Westfalen etwas offener in diese Wahlauseinandersetzung gehen. Im Übrigen wird man abwarten müssen, welche Entscheidung der Wähler trifft, denn Koalitionsabsichten sind das eine, aber die tatsächliche Entscheidung des Wählers ist das andere.

Brink: Aber ich frage ja jetzt Sie und nicht die Grünen. Die Grünen haben zum Beispiel in NRW schon signalisiert, dass das gar nicht so absurd wäre.

Altmaier: Ich glaube, dass wir diese Spekulationen im Hinblick auf NRW getrost denen überlassen sollen, die damit ihre Zeilen füllen in Zeitungen und Veröffentlichungen. Für uns ist wichtig, dass die CDU unter Führung von Jürgen Rüttgers so viele Stimmen bekommt, dass eine Koalitionsbildung ohne die CDU nicht möglich ist, und ich bin sehr optimistisch, dass dies auch gelingen wird.

Brink: Und wie gehen Sie jetzt mit den Kritikern in den eigenen Reihen um, sprich den Initiatoren des Manifests gegen den Linksruck?

Altmaier: Mit der größtmöglichen Gelassenheit, weil die CDU eine Partei ist, die solche Diskussionen und Debatten aushalten muss. Wir werden allerdings den Kurs der Erneuerung, den Angela Merkel eingeschlagen hat, weiterhin offensiv vertreten.

Es wird und es kann kein Zurück geben zu Zeiten, die lange in der Vergangenheit liegen, weil sich die Voraussetzungen und die Umstände gewandelt haben. Nicht unsere Grundwerte sind heute andere, die sind dieselben wie vor 20 oder 30 Jahren, aber die Herausforderungen haben sich geändert, und deshalb müssen wir auch Antworten geben, die diesen Herausforderungen entsprechen.

Brink: Peter Altmaier, parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag, und wir sprachen über den vermeintlichen Linksruck der CDU. Vielen Dank für das Gespräch!

Altmaier: Ich danke Ihnen!