"Ich bin weniger unglücklich, wenn ich spiele"

Von Christoph Leibold · 26.06.2012
Sie war eines der bekanntesten Gesichter der Münchner Kammerspiele. Jetzt ist die Schauspielerin Doris Schade im Alter von 88 Jahren gestorben. Noch bis ins hohe Alter stand sie auf der Bühne.
Doris Schade 1962 als Desdemona in Shakespeares "Othello" an der Seite von Rolf Boysen in der Titelrolle. Das war ihr Debüt an den Münchner Kammerspielen, fast ein halbes Jahrhundert - von einer fünfjährigen Unterbrechung abgesehen - sollte sie danach dem Hause die Treue halten. Fritz Kortner hatte Doris Schade an die Kammerspiele geholt.

Ehe sie an die Kammerspiele kam, war Doris Schade über 20 Mal umgezogen, einerseits der Familie wegen - der Vater war Flugzeugingenieur und arbeitete zeitweise in Moskau, wo Doris Schade einen Teil ihre Kindheit verbrachte - andererseits aufgrund der vielen wechselnden Theaterengagements in den frühen Jahren ihrer Karriere. An den Münchner Kammerspielen fand sie - in Ermangelung eines echten Zuhauses - zumindest eine künstlerische Heimat.

Eine Heimat, die sie auch 2001 nicht mehr verlassen wollte, als Intendant Dieter Dorn mit fast der gesamten alten Kammerspiele-Familie ans Residenztheater auf die andere Seite der Münchner Maximilianstraße übersiedelte. Doris Schade blieb an den Kammerspielen, um - das ist das bemerkenswerte daran - weiter zu ziehen: nicht in einen anderen Theaterraum, wohl aber zu einer anderen Theaterästhetik, die mit Dorns Nachfolger Frank Baumbauer an den Kammerspielen einzog. Sie hatte sich eben bis ins hohe Alter die Neugierde bewahrt.

Der blinde Seher Teiresias in Lars-Ole Walburgs "Antigone"-Inszenierung war eine von Doris Schades letzten Rollen am Theater. Teiresias, der Kreon, den verblendeten König von Theben, zur Umkehr aufruft. Doris Schade spielte diesen ja eigentlich einem männlichen Darsteller zugedachten Part mit dem für sie so charakteristischen präzisen, dabei aber nie seelenlos-kalten Ausdruck und hinterließ, wie zumeist, tiefen Eindruck. Und das, obwohl der Teiresias in der Antigone nur einen Fünfminutenauftritt hat.

So etwas sagte Doris Schade ohne Verbitterung. Hatte sie doch in jungen Jahren fast alles gespielt, was es zu spielen gab: Die Luise in "Kabale und Liebe" war ihre allererste Rolle, 1946 in Osnabrück, danach spielte sie Schillers Trauerspielheldin noch unter drei verschiedenen weiteren Regisseuren. Auch die Viola in Shakespeares "Was ihr wollt" war sie drei Mal; in späteren Jahren, an den Kammerspielen, verkörperte sie im selben Stück hinreißend komödiantisch die Zofe Maria. Dazu Rollen wie die Medea in Hans Henny Jahns Antiken-Adaption und die Hekabe in den "Troerinnen des Euripides", Regie: George Tabori, eine Rolle, für die Doris Schade den Eysoldt-Ring zugesprochen kam, als erste Preisträgerin überhaupt. Dennoch: Doris Schade war nie eine Schauspielerin, die es sich im Erfolg bequem machte.

Natürlich hat sie auch gedreht - fürs Fernsehen und für den Film, vor allem mit Margarethe von Trotta: "Die bleierne Zeit" oder "Rosenstraße". Anspruchsvolle Filme, und doch begriff Doris Schade das Drehen beinahe als Erholung im Vergleich zum Theaterspielen:

Eine Einfachheit und Klarheit zeichnete freilich auch Doris Schades Bühnenschaffen aus, eine genaues, fast ökonomische Gesten- und Mienenspiel, mit dem sie unzähligen Rollen ihren Stempel aufdrückte. "Ich bin weniger unglücklich, wenn ich spiele", hat Doris Schade einmal gesagt. Es war also ein recht erfülltes Schauspielerleben, dass sie geführt hat.

Links:
Hörspiel mit Doris Schade: Amphitryon, nach Heinrich von Kleist