Ian McDonald: "Luna"

Eine Weltraum-Seifenoper

Ein Gefährt mit Astronauten ist auf der Mondoberfläche unterwegs
Im Roman "Luna" ist der Mond besiedelt - und verdammt teuer. Zugleich bietet das Leben dort ungeahnte Gelüste. © NASA
Von Marten Hahn · 04.01.2017
In diesem Science-Fiction-Roman wirkt das Leben auf dem besiedelten Mond wie ein Abziehbild der Erde: Mit "Luna" kreiert der britische Schriftsteller Ian McDonald eine dramatische Weltraum-Seifenoper für Erwachsene, mit politischen Ränkespielen mächtiger Energiekonzerne und schwerelosem Sex.
Sie haben den Mond besiedelt. Natürlich nicht zum Spaß, sondern um den riesigen Gesteinsbrocken auszubeuten. Extraktoren bauen Bodenschätze und Helium-3 ab. Ob auf der Erde oder auf dem Mond: Der Mensch bleibt ein gieriger Maulwurf.
Regiert wird "das teuerste und größte Infrastrukturprogramm der Menschheit", das Ian McDonald in seinem Roman "Luna" entwirft, von fünf verschiedenen Familienclans. Die Leser lernen die Mondgesellschaft aus der Sicht der brasilianischen Cortas kennen. Aufgestiegen aus den Favelas Rio de Janeiros hat die Matriarchin Adriana Corta auf dem Mond ein Helium-Imperium aufgebaut, das die Erde mit Energie versorgt, plötzlich jedoch ins Wanken gerät.

Neues Interesse am Mond

In der Science-Fiction-Literatur hat der Mond lange ein Schattendasein gefristet. Immer wieder wurde in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten der Mars angeflogen, bewohnt und verflucht. Den Erdtrabanten ließen die meisten Autoren hingegen links liegen, mit wenigen Ausnahmen - darunter Frank Schätzings "Limit".
Doch die Zeiten scheinen sich zu ändern. Im deutschsprachigen Raum ist gerade Arne Ahlerts "Moonatics" erschienen und fast zeitgleich die Übersetzung von Ian McDonalds "Luna".
Man braucht ein bisschen Geduld für diesen Roman. Obwohl McDonald – geboren 1960 in Manchester – einige Genre-Preise im Schrank stehen hat, lesen sich die ersten 100 Seiten zunächst zäh.
Nach einer packenden Eröffnungsszene mit einem "Mondlauf" schaut man dem Autor dabei zu, wie er wenig elegant die Kulissen aufbaut und anstreicht und das Bild einer sexuell freizügigen Gesellschaft entwirft, die sich ihre Retro-Kleidung vom heimischen Allzweck-Drucker fertigen lässt.

Auf dem Mond gibt es nichts umsonst

Was dann folgt, ist jedoch so klug, hart und rasant, dass man den holprigen Start schnell vergisst. Auf Ian McDonalds Mond gibt es nichts umsonst. Sogar für das Atmen muss man bezahlen. Wer kein Geld für Luft, Wasser, Kohlenstoff und Daten hat, macht es hier nicht lange.
Das Leben ist staubig und gefährlich - aber nicht freudlos: Es gibt Kaffee auf dem Mond, schwerelosen Sex und wohlriechende Cocktails, und inmitten dieser Szenerie entwirft McDonald eine brillante Ideenwelt voller menschlicher Wolfsrudel, Selbstbefriedigungsorgien und Quantencomputer, die die Zukunft vorhersagen.
Und als das fragile politische Gleichgewicht auf dem Mond zerbricht, zeigt sich: Mit den Menschen sind auch Hass, Machthunger und Gewalt auf dem Mond gelandet. "Es heißt immer, der Mond ist hart. Doch das stimmt nicht. Die Menschen sind hart, nur die Menschen", sinniert die sonst abgebrühte Adriana Corta.
Mit all seinen Intrigen, politischen Ränkespielen, Sex und aufgeschlitzten Kehlen erinnert "Luna" an George R.R. Martins "Game of Thrones". McDonald hat eine dramatische Weltraum-Seifenoper für Erwachsene geschrieben, die den Leser atemlos zurücklässt. Ein zweiter Teil ist erwünscht, notwendig und für Mitte des Jahres angekündigt.

Ian McDonald: "Luna"
Roman. Aus dem Englischen: Friedrich Mader
Heyne, München 2016
512 Seiten, 14,99 Euro

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