Hummel statt Biene

Von Lutz Reidt · 17.05.2009
Honigbienen sind fleißig und nahezu unermüdlich, wenn es um die Bestäubung von Nutz- und Wildpflanzen geht. Doch sie meiden kühles Wetter und bleiben bei Temperaturen unter zwölf Grad lieber im Bienenstock. Für viele Obstbauern ist das ein Problem. Sie setzen nun bei der Bestäubung verstärkt auf Hummeln.
Lange musste Willi Zentner warten auf die Obstbaum-Blüte in den windigen Höhen des Rheingau-Taunus zwischen Wiesbaden und Rüdesheim.

Jetzt endlich stehen 120 Zwetschgenbäume in voller Blüte. Wie kleine Wattebäusche tanzen die weißen Knospen im Wind. Doch auf eine reiche Ernte im Spätsommer hatte Willi Zentner in den ersten Jahren vergebens gewartet:

"Die Anlage ist jetzt zwölf Jahre alt und in den ersten vier, fünf Jahren, als ich davon noch keine Ahnung hatte - das muss ich ganz ehrlich sagen - haben die Bäume geblüht und geblüht, aber es war kaum was dran, an mancher Sorte war Null dran, aber haben geblüht wie verrückt."

Trotz prächtiger Blüte nur wenige Zwetschgen - und das alles, weil kaum ein Insekt die blühenden Bäume besucht hatte, um sie zu bestäuben. Bienen fliegen erst bei schönem Wetter, wenn es warm genug ist, ab 12 bis 14 Grad.

Hummeln dagegen sind schon kurz nach Sonnenaufgang unterwegs, auch bei windigem und trübem Wetter, und ihnen machen selbst niedrige Temperaturen nichts aus, sagt Hummelzüchter Rüdiger Schwenk:

"Wir brauchen auch die Hummeln, gerade im Frühjahr, wenn jetzt die Temperatur acht bis zehn Grad ist und die Blüte ist voll - dann kann kein Bestäuber bestäuben, außer der Hummel. Und ich denke, das A & O von der Ernährungskette ist einfach die Bestäubung. Wenn die Bestäubung nicht ausreichend gesichert wird, ist irgendwann auch nichts mehr auf dem Tisch."

Rüdiger Schwenk hat diese Marktlücke erkannt und vor 15 Jahren angefangen, Hummeln zu züchten. Im hessischen Aarbergen im Taunus zieht der Ingenieur die Hummelvölker jeden Winter unter laborähnlichen Bedingungen auf und versendet sie im Frühjahr in kleinen Boxen an Obstbauern und Gemüsegärtner.

Diese Boxen sind aus gelbem Plastik mit Ein- und Auslassöffnungen sowie einer Plexiglasabdeckung. Umhüllt von silbergrauem Schaumstoff steht so eine Box - etwa so groß wie eine Autobatterie - im Gras unter einem Zwetschgenbaum in der Plantage von Willi Schwenk. In ihr schwirren die Hummeln wie pelzige, schwarz-gelbe Kugeln umher:
"Also, hier sind so zwischen 80 und 100 Tiere drin. Wenn wir jetzt reinschauen, sieht man das nicht so, weil die ja mit Watte abgedeckt sind; die haben ja da Kokons gebaut; und der Wattebausch ist nur dafür da, damit da das bessere Klima ist, weil die ja eine bestimmte Luftfeuchte brauchen und eine gute Isolierung."

In den kühleren Regionen des Rheingau-Taunus hat Willi Zentner seine Zwetschgen-Ernte dank der Hummeln mittlerweile verdreifacht. Außerdem lässt er die dicken Brummer später im Jahr auch in Gewächshäusern und Folientunneln umher schwirren, wo er Tomaten, Paprika und Erdbeeren aufzieht.

Mit solch künstlicher Umgebung kommen Hummeln weitaus besser klar als Bienen, die im schlimmsten Fall gar nicht mehr zurückfinden in den Bienenstock, sondern solange unter Glas oder Folie umher irren bis sie verenden.

Und Tomaten zum Beispiel werden von Bienen gar nicht erst angeflogen. Während der Blüte entwickeln sie keinen Nektar. Für Bienen ist das uninteressant. Hummeln dagegen begnügen sich durchaus auch mit dem Pollen. Und ersparen daher dem Gemüsegärtner das aufwändige Bestäuben jeder einzelnen Tomatenblüte mit einem kleinen Pinsel:

"Das nennt man Trillern, das macht der Gärtner, ist natürlich eine fürchterliche Arbeit. Die Tomate hat keinen Nektar und wenn die Hummeln ins Gewächshaus gestellt werden, die sind halt standortteu und die bestäuben natürlich die Tomaten und der Gärtner hat natürlich auch 20 bis 25 Prozent mehr Ertrag an seinen Früchten."

Willi Zentner hat an seinen Tomaten noch nie herum getrillert. Wozu auch, er hat ja seine Hummeln, die er später im Jahr in die Glashäuser und Folientunnel setzen wird. Heute allerdings stehen die zwei Boxen mit den Hummelvölkern noch unter blühenden Zwetschgen-Bäumen:

"Wenn die Zwetschgen fertig sind, dann nehme ich die Kiste und stelle sie in die Erdbeeren. Das ist ja kein Problem. Dann macht man abends den Schieber zu, dann können die wieder rein, aber nicht mehr ´raus, und dann, und wenn sie drin sind am nächsten Tag, dann stellt man sie 200 Meter weiter in den Erdbeer-Acker; und dann haben sie da auch noch ihre Tätigkeit; weil die Erdbeeren, die fangen ja jetzt erst an zu blühen, hier in Stephanshausen."

Doch jedes Hummel-Leben geht einmal zu Ende. Als einzige des Hummelvolkes überwintern die Königinnen. Der Rest stirbt im Herbst ab. Und damit im folgenden Frühjahr wieder genügend Völker in die Kisten kommen, muss Hummelzüchter Rüdiger Schwenk vorsorgen:

"Wir brauchen im Herbst genügend Völker, um Drohnen - das sind die Männer - und Jungköniginnen abzusammeln; und die kommen dann in einen Begattungskäfig; das ist ein spezieller Käfig mit speziellem Licht; da kommen die Drohnen ´rein, da kommen auch die kleinen Prinzessinnen, also die Jungköniginnen rein und die werden dann begattet; und wir lassen dann die Drohnen frei; und die Jungköniginnen überwintern bei uns quasi in Temperaturschränken."