Hübsch und nachhaltig

Trendmode aus dem Altkleidersack

Von Leonie March · 14.01.2014
Die Schwestern Nelly und Nelsa aus Maputo schneidern aus Altkleidern vom Markt neue Modelle. Ihre hippen Klamotten sind nicht zuletzt bei Europäern angesagt. "Upcycling" heißt das Konzept.
Der Fajardo-Markt gleicht einem riesigen begehbaren Kleiderschrank. Ein Labyrinth aus engen Gassen, rechts und links hängen Klamotten dicht an dicht. Von BHs und Slips über Jeans und T-Shirts bis zu Abendmode und Brautkleidern.
"Nelly, look at those ones! Really lovely the colour. Si forte. So many dresses, dresses everywhere!"
Nelly und Nelsa Guambe sind in ihrem Element. Begeistert wühlen sich die zierlichen Schwestern durch kniehohe Kleiderhaufen auf dem Boden, schieben einen Bügel nach dem anderen zur Seite, beäugen jedes Kleid kritisch.
"We go for the 60s, 70s style mostly, because we think it is a very stylish and very feminine look and we like that."
Der feminine Stil der 60er- und 70er-Jahre hat es uns besonders angetan, erklärt Nelly und streicht sich eine ihrer schulterlangen Dreadlocks aus dem Gesicht. Wichtig ist auch die Qualität der Stoffe und deren Verarbeitung, fügt ihre Zwillingsschwester Nelsa hinzu und zieht ein unscheinbares, schwarzes Satinkleid hervor.
"If you look at it, the way the dress is made is really beautiful and the quality of the material is really amazing."
Kein Geld für neue Klamotten, alte wurden umgeschneidert
Die 26-Jährigen grüßen rechts und links, sie kennen die meisten Händler, erkundigen sich wann die neuen Kleider eintreffen und feilschen um die Preise. Wir sind fast jedes Wochenende hier, erklärt Nelly schmunzelnd.
"Wie den meisten Familien in Mosambik fehlte auch bei uns früher das Geld für neue Klamotten. Wir haben Kleider second hand gekauft und umgeschneidert. Viele Leute haben uns schon gefragt, woher wir unsere schönen Kleider haben. Wenn wir antworten´'Vom Fajardo-Markt', können sie es kaum glauben. Da kam uns die Geschäftsidee: Anfang letzten Jahres haben wir unser Label 'Mima-te' gegründet und verkaufen unsere Kleider seitdem."
Die Zwillinge kaufen ein, bis ihnen gerade noch genug Geld für die Rückfahrt in die Innenstadt bleibt. Nelsas Umhängetasche platzt aus allen Nähten.
Zwei Stunden später treffen die beiden bei ihrem Lieblingsschneider ein. Ein gutmütiger, älterer Mann, der in einem selbstgebauten Wellblechschuppen vor seiner uralten Nähmaschine sitzt. Während er noch einen Rocksaum säubert, breiten die Zwillinge ihre Kleider auf dem Zuschneidetisch aus.
"What we will do with this, we take out the sleeves and we make it shorter. Because what we want is to keep the original shape. And what we will do with this one, we will mix two different dresses."
Ein blau-weiß gepunktetes Kleid wollen die Schwestern kürzen, die Ärmel abtrennen, ansonsten aber seinen ursprünglichen Charakter erhalten. Das schwarze Satinkleid wollen sie dagegen mit einem anderen kombinieren und ihm damit einen vollkommen neuen Look verpassen. Ich bin immer sehr glücklich, wenn die Metamorphose gelingt, sagt Nelsa während sie den Stoff liebevoll glatt streicht.
"Viele dieser Kleider landen im Müll, weil sie keiner mehr haben will. Wir wählen sie bewusst aus und bereiten sie wieder auf. Diese Art von Upcycling ist ein neues Konzept für unser Land und verringert auch die Umweltverschmutzung. Denn normalerweise werden diese Kleider einfach verbrannt."
Nelly nickt zustimmend. Ihre Mode ist nicht nur hübsch, sondern reflektiert auch ihre Einstellung.
"Wir wollen nicht länger die Müllkippe der Welt sein"
"Jedes Kleid erzählt eine Geschichte: Es wird zum Beispiel in Bangladesch gefertigt, jemand in Europa trägt es, bis es ihm nicht mehr gefällt. Also wird es nach Afrika abgeschoben. Aber wir wollen nicht länger die Müllkippe der Welt sein. Wir verändern die alten Kleider und bringen sie als neues Produkt wieder auf den Markt."
Die beiden Schwestern besprechen mit dem Schneider schnell noch die letzten Änderungen und verabschieden sich.
Am nächsten Nachmittag in der Wohnung der Zwillinge, im obersten Stock eines Appartementblocks in der Innenstadt. Die Tür steht offen, nach und nach trudeln Freunde und Bekannte ein, darunter sind etliche junge Europäer, die in Maputo arbeiten. Nelly und Nelsa Guambe haben sie zu einer privaten Verkaufsparty eingeladen.
Einige der Kleider, die sie erst gestern auf dem Markt gefunden haben, hängen jetzt umgearbeitet, gewaschen und gebügelt an einer Kleiderstange. Keine Spur mehr von dem abgestandenen Second-Hand-Muff. Vor allem das schwarze Satinkleid mit dem neuen transparenten Oberteil erregt Aufsehen.
"Olala, that's ready to kill! It is nice, hey? Really nice!"
Begeistert probieren die Frauen die originellen Einzelstücke an. Viele kaufen gleich mehrere Modelle. Gerade Europäerinnen stehen auf den Vintage-Look und unser Recycling-Konzept, meint Nelsa fröhlich lächelnd.
"Es ist schon witzig, dass sich der Kreislauf so wieder schließt. Unsere Kleider kehren wieder zurück nach Europa, wo sie ursprünglich einmal hergekommen sind. Und wer weiß, wenn die Leute sie irgendwann nicht mehr mögen, schicken sie sie vielleicht wieder zurück nach Afrika. Darauf freuen wir uns schon."