HSV im Abstiegskampf

Die neue Nüchternheit in Hamburg

Ernst Schmidt posiert in seinem Hamburger Salon, an der Wand ein Gemälde des HSV-Vereinspräsidenten Dietmar Beiersdorfer.
Ernst Schmidt posiert in seinem Hamburger Salon, an der Wand ein Gemälde des HSV-Vereinspräsidenten Dietmar Beiersdorfer. © Deutschlandradio / Axel Schröder
Von Axel Schröder · 22.05.2015
Wenigstens einer bleibt seinem Verein treu: Friseur Ernst Schmidt ist 80 Jahre alt und hofft immer noch, dass der Hamburger SV sich vor dem Abstieg retten kann. Andere Fans sind da weniger optimistisch.
Ernst Schmidt ist ein gefragter Mann. So kurz vor dem möglichen Abstieg des Hamburger Sportvereins in die 2. Bundesliga. Ernst Schmidt ist Friseur. Mitte 80, schlohweißes Haar, steht er in seinem kleinen Friseur-Salon hinter dem einzigen Kunden, die Schere in der einen, den Kamm in der anderen Hand. In Bluejeans und HSV-Puschen, das Hemd mit der kleinen eingestickten HSV-Raute akkurat gebügelt. An der Wand Autogrammkarten und ein großes gerahmtes Porträt des Vereinspräsidenten:
"Also, wie gesagt: Ich bin ein hundertprozentiger HSV-Fan! / Und manche Leute haben den Bundespräsidenten im Zimmer hängen. Und Sie haben Dietmar Beiersdorfer hängen? / Dietmar Beiersdorfer! Jawoll! Den kenne ich natürlich auch persönlich sehr gut, den Dieter… / Und Sie sind guter Hoffnung? / Sehr guter Hoffnung! Aber wie gesagt: es wird schwerfallen gegen Schalke zu gewinnen. Aber wenn sie da gewinnen, würde ich sagen: Alle Achtung!"
Knapp wird es
Morgen Nachmittag muss der HSV gegen Schalke 04 gewinnen. Und wenn dann noch die Rivalen der Hamburger im Kampf um den Klassenerhalt ihre Spiele verlieren, dann könnte der erste HSV-Abstieg seit Gründung der Bundesliga doch noch abgewendet werden. Genauso knapp wie in der letzten Saison. Schmidts einziger Kunde an diesem Morgen, Klaus Petermann, ist natürlich auch HSV-Fan. Schon seit 60 Jahren. Aber viel weniger optimistisch als sein Friseur.
"Einige Spieler haben keinen Charakter. Da kann einer sagen, was er will. Die sind nicht mit Herzblut dabei. Und haben alles Mögliche im Kopf, aber nicht den Verein. Und das wirkt sich auf dem Spielfeld sicherlich aus… Und das ist ja seit Jahren so, dass wir nicht gerade glücklich sind, wenn der HSV spielt."
Klaus Petermann schaut auf den Boden, zieht die Brauen hoch. Nein, über einen HSV in der 2. Liga möchte er lieber nicht nachdenken:
"Also. Vorstellen kann ich es mir nicht. Aber ich glaube, es wäre nicht verkehrt. Gebe ich ehrlich zu! Denn die krebsen schon seit Jahren unten rum. Und das ist kein Dauerzustand…!"
"Verdient hätten sie es dann"
Beim Abschied versichern die beiden Fans: Auch in der 2. Liga würden sie ihrem HSV die Treue halten. Aber vielleicht nicht mehr ganz so oft ins Stadion pilgern wie bisher. Den gespannten Pessimismus vor dem morgigen Entscheidungsspiel findet man überall in Hamburg. Die einstige Siegesgewissheit, besser gesagt: die Gewissheit, für immer und ewig und ganz selbstverständlich 1. Liga zu sein, ist einer neuen Nüchternheit gewichen. Auch unter eingefleischten HSV-Fans:
"Ich muss sagen: Mittlerweile würde ich es gar nicht mehr so bereuen. Weil, es muss was passieren! In den letzten Jahren hat man sich immer so durchgeschlichen... Ich glaube, es wäre kein schlechter Schritt. Ich würde tieftraurig sein. Aber verdient hätten sie es dann auf jeden Fall. Muss man leider so sagen..."
"Was spielt denn der HSV für einen Müll zusammen? Rafael van der Vaart, der schon seit Jahren seinen Zenit überschritten hat - für meine Begriffe - wurde geholt. Und da zieht sich doch durch wie ein roter Faden schon seit Jahren. Das hat für mich alles kein Hand und Fuß..."
... und nur ganz wenige wollen die Hoffnung noch nicht aufgeben:
"Mein HSV wird es schaffen! Ich bin mir da ganz sicher! Es gibt diverse Konstellationen und ich glaube, dass Paderborn und Hannover absteigen und dass der HSV sich über die Relegation retten wird. Wie letztes Jahr..."
Weniger frohgemuht und optimistisch ist die Stimmung dagegen im HSV-Fanshop in der Innenstadt. In den Regalen warten HSV-Tassen und -schals, Trikots und blau-weiß-schwarze Baby-Strampler auf Käufer. Oder der HSV-Toaster, der die Raute, das Vereins-Emblem, aufs Weißbrot toastet. Sich äußern zum drohenden Abstieg, nein, das wollen die drei Verkäuferinnen lieber nicht. Aber den HSV-Spezial-Kugelschreiber für 8,79 Euro, den darf ich ausprobieren. Und der funktioniert nach einem Klick auf den Druckknopf auch noch nach einem Abstieg:
"HSV - Forever and ever, HSV, all the way, all the way..."
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