Hotels mit Geschichte (1)

Das düstere Continental in Ho-Chi-Minh-Stadt

Das legendäre Hotel Continental an der Dong Khoi Street im District 1 in der südvietnamesichen Metropole Ho-Chi-Minh-Stadt wird vom abendlichen Mopedverkehr umbraust.
Das legendäre Hotel Continental in Ho-Chi-Minh-Stadt wird vom abendlichen Mopedverkehr umbraust. © picture-alliance / dpa / Johanna Hoelzl
Udo Schmidt im Gespräch mit Nicole Dittmer und Julius Stucke · 20.07.2015
Schweres Holz und riesige Räume: Dem Hotel Continental in Ho-Chi-Minh-Stadt ist seine Entstehung in der Kolonialzeit noch heute anzumerken. Zum Mythos wurde die Nobelherberge im Vietnamkrieg. Kriegsberichterstatter aus der ganzen Welt mieteten sich ein, die Magazine "Time" und "Newsweek" hatten dort ihre Büros.
Das Hotel Continental, das im späten 19. Jahrhundert im damaligen Saigon eröffnete, gehört zu den legendären Kolonialherbergen des Fernen Ostens. Auf der berühmten Terrasse saßen Militärs, Kautschuk-Pflanzer und Verwaltungsbeamte aus Französisch-Indochina beim Pastis. Auch viele Schriftsteller und Literaten quartierten sich dort ein.
Die Idylle überdauerte die Besetzung durch die Japaner im Zweiten Weltkrieg und Frankreichs Indochina-Krieg. "Die Würfel klickerten auf den Tischen, wo die Franzosen um den Aperitif spielten, während die Mädchen in den weißen Seidenhosen nach Hause radelten", schilderte Graham Greene in "Der stille Amerikaner" die Beschaulichkeit des Nachmittags, wenn sich Offiziere, Diplomaten und Journalisten im Continental einfanden.
Schweres Holz und koloniale Weite
Der ARD-Korrespondent Udo Schmidt war vor kurzem im Continental mit seinen riesigen, aber dennoch recht dunklen und düsteren Zimmern, die mit schwerem Holz ausgestattet sind: Als Gast wäre man auch gut mit halb soviel Raum ausgekommen. Hier atme "koloniale Weite", berichtet er.
Der zeitgeschichtliche Mythos des Hotels ist vor allem auf den Vietnamkrieg zurückzuführen: Als sich dort die Journalisten trafen, wurde nicht nur mit Piaster und Dollar gehandelt, das Hotel war das Zuhause und die Nachrichtenbörse für die vagabundierende Internationale der Kriegsberichterstatter. "Time" und "Newsweek" hatten dort ihre Büros. Mit dem zunehmenden militärischen Engagement der USA, die Frankreich als Schutzmacht ersetzt hatten, wuchs auch die Zahl der Reporter, vor allem der US-Amerikaner. "Groß, laut, jungenhaft und mittelalt", nannte sie Autor Greene, der das Debakel der Weltmacht in Indochina schon früh vorhersagte.

"Hotels mit Geschichte" ist in diesem Jahr die Sommerreihe in "Studio 9" bei Deutschlandradio Kultur.

Hotels erzählen Geschichte und Geschichten, sind Erinnerungsorte und vermitteln Einblicke in den Alltag fremder Kulturen. Hotels regen nicht nur die Fantasie an, beispielweise von Schriftstellern. Sie erzählen auch von großen Krisen, von Kriegen oder Konferenzen, in denen sich die Weltgeschichte spiegelte, zum Beispiel das American Colony in Jerusalem. Hier begannen die Friedensgespräche, die zum Oslo-Vertrag von 1993 führten.

Andere Hotels waren in Kriegszeiten Nachrichtenbörsen für Journalisten, so das Hotel Palestine in Bagdad oder das Continental-Palace im damaligen Saigon. Im Hotel Casa Santa Marta neben dem Petersdom wohnen im Konklave die Kardinäle und hier arbeitet auch Papst Franziskus. Das Hotel Ukraijna in Kiew stand im Zentrum der Auseinandersetzungen am Maidan und das Beau Rivage in Genf war Schauplatz eines bis heute ungeklärten Kriminalfalls.

Deutschlandradio Kultur berichtet vom 20. Juli an in Gesprächen und Reportagen über "Hotels als Orte der Zeitgeschichte".