Homosexuellen-Rechte

Conchitas Sieg hat nur wenig bewirkt

Leider liegt für dieses Bild keine Bildbeschreibung vor
Conchita Wurst gewinnt den Eurovision Song Contest (Bild: dpa/Vladimir Astapkovich) © dpa/Vladimir Astapkovich
Von Ralf Borchard · 20.05.2015
Conchita Wurst hat zwar den Eurovision Song Contest nach Österreich geholt und wird dort beinahe verehrt wie Kaiserin Sissi. Doch ein Jahr nach ihrem fulminanten Sieg hat sich für Homosexuelle in Österreich fast nichts geändert.
Sie ist die Symbolfigur dieses Song Contests. Fragt man die Österreicher nach Conchita Wurst, klingt Begeisterung, fast Verehrung durch:
Junge Frau: "Cool, dass sie 'nen Bart trägt."
Junger Mann: "Geil, Conchita ist geil. Conchita bringt die Leute zum Nachdenken. Und sie macht das auf eine Weise, wo es wirklich Kunst wird und wo es wirklich etwas im Volk bewegt, ohne dass die Leute auf die Barrikaden steigen und defensiv werden, weil einfach viel Talent auch dahinter steckt."
Älterer Mann: "Sie macht das super. Also ich steh voll hinter ihr."
Natürlich gibt es auch die, die die Dragqueen mit Bart ganz unmöglich finden, wenn sich das auch kaum jemand offen zu sagen traut:
"Kann ich absolut nichts mit anfangen."
"Weiß nicht, kein Kommentar."
Erstaunlich ist: selbst Stefan Petzner, einst poltischer Weggefährte des verstorbenen Rechtspopulisten Jörg Haider, sagt: Conchitas Sieg hat mehr Toleranz bewirkt, auch im Spektrum der FPÖ-Wähler:
"Wir gewinnen im Skifahren und das war's. Wir werden nie Fußball-Weltmeister. Und dann gewinnt die Conchita Wurst, ausgerechnet die, einen internationalen Wettbewerb, den man durchaus auch mit Sportveranstaltungen wie Fußball-Weltmeisterschaften, Olympischen Spielen vergleichen kann. Gerade bei rechten Kreisen, die eigentlich sehr intolerant sind gegenüber homosexuellen Menschen, hat das eine Patriotismus-Euphorie ausgelöst. Und das zusammen hat glaub' ich schon etwas bewirkt."
Rechtlich hat sich kaum etwas verändert für Homosexuelle in Österreich
Conchita Wurst selbst sieht die Sache differenziert. Ja, die Akzeptanz ist gestiegen, sagt sie, aber es bleibt auch viel Scheinheiligkeit:
"Ich habe Belege dafür, dass sich etwas getan hat, wo mir Fans schreiben auf Facebook. Ich denke auch, der Sieg war ein großes Statement aus Europa an Europa und an die ganze Welt. Aber ich bin nicht naiv, zu glauben, dass ein Statement reicht. Ich muss aber daran glauben, dass wenn man kontinuierlich darüber spricht, dass es Menschen gibt, die das hören, die vielleicht gewissen Einfluss haben auf gewisse rechtliche Situationen."
Rechtlich hat sich kaum etwas verändert für Homosexuelle in Österreich im vergangenen Jahr. Der Rechtsanwalt Helmut Graupner sagt:
"Es hat eine ganze Menge von Ankündigungen gegeben, eine wahre Inflation. Aber keine einzige Ankündigung ist bis jetzt umgesetzt worden."
Die Regierung, eine große Koalition aus Sozialdemokraten und Volkspartei, lässt geplante Gesetzesänderungen einfach liegen, meint Graupner:
"Die drei wichtigsten Punkte sind: die Ehemöglichkeit, damit die Kinder in den jetzt möglichen gleichberechtigten Regenbogenfamilien auch ehelich sind und sein können. Das zweite ist der Diskriminierungsschutz außerhalb des Arbeitsplatzes. Und das dritte ist die Rehabilitierung der Opfer der Strafverfolgung, die immer noch zu über 200 im Strafregister vorgemerkt sind."
Die Bilanz des Rechtsanwalts ist: Österreich ist keinen Schritt weiter als vor einem Jahr.
Mehr zum Thema