Homosexualität in Moskau

"Nicht traditionell orientiert"

Ein Plakat mit der Aufschrift "End homophobic laws" zeigt einen wie eine Dragqueen geschminkten Wladimir Putin, im Hintergrund die Regenbogenflagge als Symbol der homosexuellen Bewegung.
Ein Plakat gegen die homophoben Gesetze in Russland, gezeigt auf einer Demonstration in Hongkong. © AFP / Philippe Lopez
Von Bernd Großheim · 01.06.2016
Trotz vorhandener Diskriminierung von Homosexuellen in Russland, können Schwule und Lesben in großen Städten relativ unbehelligt leben, wie Bernd Großheim am Beispiel eines jungen Moskauers zeigt. In der Provinz ist die Situation anders.
Im Jahr 2013 verabschiedete das russische Parlament ein Gesetz, das im Westen als schwulenfeindlich kritisiert wurde.
Mitautorin des Gesetzes ist die Duma-Abgeordnete Jelena Misulina:
"Das Gesetz soll Minderjährige vor den Folgen der Propaganda für Homosexualität schützen. Denn eine zügellose Propaganda bedeutet für das Kind die Einschränkung seiner Rechte auf die Freiheit der Entwicklung und auf die Wahl seiner sexuellen Orientierung, wenn es volljährig wird."
In einem Café auf der berühmten Moskauer Straße Arbat meint Sascha, auf ihn habe dieses Gesetz überhaupt keinen Einfluss gehabt.
Ja, auch er habe Erfahrungen mit Homophobie gehabt, Prügel sei ihm angedroht worden, weil er schwul sei, doch es blieb bei der Drohung. Andere hatten weniger Glück. Aktivisten versuchten, eine Gay-Parade zu organisieren und bekamen Probleme, zuerst mit den Behörden, die das nicht erlauben wollten, und dann mit ungebetenen Besuchern:
"In der Presse hieß es, Fußballfans hätten Prügeleien angefangen und mit Steinen geworfen. Viele von meinen Bekannten sind der Meinung, dass es keinen Sinn hat, auf einer Gay-Parade zu demonstrieren, wozu auch? Wofür sollen wir kämpfen? Für Gleichberechtigung? Die Menschen leben eigentlich nicht schlecht. Wir sehen nicht ständig einen Pistolenlauf auf uns gerichtet."

Bekannte haben sich von ihm abgewandt

Einige von Saschas Bekannten haben sich von ihm abgewandt, als sie erfuhren, dass er schwul ist, aber grundsätzlich fühlt sich der junge Mann wohl. Sascha meint, es sei alles eine Frage der Mentalität in Russland.
"In 50 Jahren wird es keine Unterschiede mehr geben. Im Moment wird das Land von den Menschen regiert, die noch in der Sowjetunion aufgewachsen sind, als es noch einen Paragraphen gegen gleichgeschlechtliche Unzucht gab."
"Nicht traditionell Orientierte", so der oft benutzte Begriff, seien überall, sagt Sascha, selbst in der Regierung, aber man spreche nicht darüber. Es sei jedermanns Privatsache. Auch das sei russische Mentalität. Ein Vorteil für Schwule, so meint Sascha, seien auf jeden Fall die großen Städte, wo nicht jeder jeden kennt. Homophobie gebe es eher in den kleineren Städten der Provinz.
Und: je mehr über Homosexualität gesprochen werde, umso besser sei es. Irgendwann hätten die Leute dann keine Lust mehr, sich darüber Gedanken zu machen. Das ist Saschas Hoffnung. Noch aber, in dem Straßencafe auf dem Arbat in Moskau, senkt er jedes Mal die Lautstärke, wenn er "Sex" sagt oder "schwul".
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