Homogene Belegschaften sind schlecht fürs Geschäft

Hans Jablonski im Gespräch mit Dieter Kassel · 23.11.2010
Männlich, deutsch und in gehobenem Alter - diesem Profil entsprechen noch immer die meisten Führungskräfte in den hiesigen Unternehmen. Doch damit Firmen im internationalen Wettbewerb bestehen können, brauchen sie Vielfalt in der Belegschaft, sagt der Diversity-Manager Hans Jablonski.
Dieter Kassel: Die Menschen in Deutschland auf der Straße sind groß und klein, dünn und dick, sie sind schwul, lesbisch und heterosexuell, sie sind schlau und dumm, sie kommen aus fast allen Ländern der Welt inzwischen, und sie gehören entweder gar keiner oder auch jeder möglichen Religion an.

Das finden manche schön, manchen macht das Sorge, und beides gibt es nicht nur in der Gesellschaft an und für sich, sondern auch in der Wirtschaft. Denn so ähnlich wie die Menschen auf der Straße sehen auch immer mehr Belegschaften aus, was ein Problem sein könnte, aber idealerweise auch genau das Gegenteil. Wenn man mit dieser Vielfalt auch in der Wirtschaft, auch in der eigenen Firma richtig umgeht.

Wenn man alles ganz richtig machen will, dann hat man dazu auch noch einen Fachmann im eigenen Laden, den nennt man dann einen Diversity-Manager. Und einer der Ersten seiner Art, damals beim Autokonzern Ford, war in Deutschland Hans Jablonski. Der hat inzwischen seine eigene Firma, mit der er Firmen, die das wollen, in Bezug auf Diversity, auf den Umgang mit der Vielfalt, berät. Jetzt ist er für uns am Telefon, schönen guten Morgen, Herr Jablonski!

Hans Jablonski: Guten Morgen, Herr Kassel!

Kassel: Mal ganz konkret: Was tut ein Diversity-Manager in einem Konzern?

Jablonski: Ja das ist eine interessante Frage. Es geht um das Thema Vielfalt im Unternehmen, und ein Manager der Vielfalt kümmert sich darum, dass festgestellt wurde, die Belegschaften sind in der Regel sehr homogen, und Unternehmen haben festgestellt, das ist nicht gut für unser Geschäft. Und irgendwas brauchen wir als Geschäftsstrategie, um Vielfalt mit zu integrieren – beispielsweise die Internationalisierung, die Herausforderung des demografischen Wandels – und dann zu gucken, wie laufen unsere Prozesse.

Und wenn Sie nachgucken, und das ist ja generell auch in der Diskussion: Die Besten werden gefördert, also nach dem Leistungsprinzip, und im Vorstand landen dann immer nur Männer mit einem bestimmten Alter, mit deutschem Hintergrund. Und dann muss das Diversity-Management, der Diversity-Manager hinterfragen, wie ist der Prozess, wie kommt der zustande, sodass da eben diese bestimmte Auswahl stattfindet? Also Leistungsorientierung der Prozesse im Hinblick auf Vielfalt, was hindert daran, dass unterschiedliche Talente hochkommen und dass Belegschaften unterschiedlich werden?

Kassel: Das klingt jetzt noch so ein bisschen nach etwas Ähnlichem wie einer Art Gleichstellungsbeauftragten, aber es geht doch – und das ist ja auch nicht schlimm – am Ende auch um kommerziellen Erfolg?

Jablonski: Es geht letztendlich darum, in der Belegschaft das zu präsentieren, was auch die Kundschaft ausmacht. Also die Frage ist, kann ich eine globale, internationale Kundschaft bedienen, wenn ich in meinen Entscheidungsgremien zu 90 Prozent deutschstämmige Menschen habe? Also, habe ich ein globales Verständnis davon? Oder müsste das, wie eine große deutsche Bank das gesagt hat, als Ziel haben, unser Vorstand muss wesentlich internationaler werden, um auch die globale Kundschaft zu reflektieren?
Das hat was mit Kundennähe zu tun, also mit der Affinität zu den Kunden, das hat aber auch was mit der Gedankenvielfalt im Unternehmen selber zu tun.

Kassel: Ist eigentlich ein Diversity-Manager dann auch dafür zuständig, wenn man diese Heterogenität bei den Mitarbeitern hergestellt hat, dafür zu sorgen, dass das auch funktioniert? Denn bei einem sehr heterogenen Team, das hat sicher Vorteile, Sie haben das schon angedeutet, aber da sind doch auch Konflikte vorprogrammiert?

Jablonski: Also deswegen, Sie sprechen einen wichtigen Punkt an: Die Vielfalt ist das eine, was wir haben, und der Umgang mit der Vielfalt, das ist eigentlich der Hebel zur Produktivität. Und in der Regel ist es so, dass, wenn Unterschiedlichkeit – und Sie haben vorhin auch die Angst also vor der Vielfalt des Fremden angesprochen –, dass das häufig ein Hinderungsfaktor dafür ist. Also dass man sich gerne noch mal repliziert oder auch dupliziert, also dass die gleichen Persönlichkeiten, weil ich mich dann wohlfühle und weil ich ein gutes Gefühl habe, dass ich diese Menschen kenne, und ich weiß auch, wie die funktionieren und welche Leistungen die bringen.

Diese Scheu zu nehmen oder diesen Wechsel zu machen, dieses Bewusstsein zu schaffen für meine Vorlieben, für meine Werte, und auch Offenheit für andere Werte, das ist eigentlich der Schlüssel von Diversity-Management. Und wir nennen das die Wertschätzung also unterschiedlichster Menschen gegenüber, dass beispielsweise herausgefunden werden muss, inwiefern arbeiten hier sowohl Männer und Frauen mit 100 Prozent ihrer Energie, oder gibt es da Menschen, die sagen, na ja, das ist nicht meine Firma, ich bin hier kaum repräsentiert, wenn, dann nur in den unteren Ebenen, also ist auch meine Motivation: Ich mache meinen Job und bekomme das Geld dafür.

Kassel: Nennen Sie doch vielleicht aber trotzdem mal für das, was es im Alltag bringen kann, ein paar Beispiele, sei es nur aus Ihrer Zeit bei Ford oder später. Denn wir reden ja nicht nur über verschiedene Kulturen im Sinne von Menschen aus anderen Ländern, wir reden über Alt und Jung, Männer, Frauen, und so weiter und so fort. Was nützt mir das zum Beispiel, wenn ich einen Mittelklassewagen bauen will, wozu brauche ich da auch einen 55-jährigen Linkshändler?

Jablonski: Das Thema Generationenvielfalt ist hoch aktuell. Die Frage also, ältere Menschen und jüngere Menschen mit unterschiedlichen Werten zusammenarbeiten zu lassen. Hier wurde festgestellt, dass gerade die jüngere Generation, diese Generation Y, wie es genannt wird, die zwischen 1980 und 2000 geboren wurde, mit anderen Werten in das Arbeitsleben eintritt, und die zum Teil einen Praxisschock bekommt zu sagen, so wie hier gearbeitet wird, das ist mir viel zu bürokratisch, das ist vom Führungsstil her nicht den, den ich gewohnt bin, und von daher orientiere ich mich dahin, was offen ist für meine Generation beispielsweise.

Und da haben Sie dann beispielsweise den 55-Jährigen, der auch sagen kann, na ja, wenn sich jetzt alles auf Generation Y einstellt, wo bleibe ich dann mit meinen Werten und meiner Art zu arbeiten? Und das ist das, was Unternehmen aktuell als Herausforderung haben, wie kriege ich die unterschiedlichen Werte und Bedürfnisse einer intergenerativen Belegschaft zusammen? Also diskutieren die darüber, wie wird hier Business gemacht. Und was wir ganz viel auch in Workshops feststellen, das Verständnis dafür, dass das Business anders gemacht werden kann und nicht so stattfinden muss, wie ich es gewohnt bin: Als junger Mensch beispielsweise mit meinen Ideen, die ich einbringe, beziehungsweise als Älterer, wo ich sage, ich bin schon lange hier, ich habe Erfahrungswissen, und es wird hier gar nichts mehr anerkannt von dem, was eingebracht wird.

Kassel: Wie offen sind die deutschen Firmen dafür? Es ist ja inzwischen keine Minderheitsbewegung mehr, es gibt die sogenannte Charta der Vielfalt in Deutschland, und wer die unterzeichnet als kleiner oder auch ganz großer Betrieb, der bekennt sich zu dieser Idee der Vielfalt, der Diversity. Über 600 Firmen in Deutschland haben das schon getan, auch einige ganz große darunter, von der Allianz bis zum ZDF. Aber hat sich das trotzdem insgesamt in Deutschland schon rumgesprochen, dass man Vielfalt braucht und dass es keinen Grund gibt, Anst davor zu haben?

Jablonski: Na ja wir haben die Charta der Vielfalt 2006 formuliert, dass wir gesagt haben, wir möchten, dass das Thema in Deutschland etabliert ist und dass man sagt, was verstehen wir unter Vielfalt oder Diversity-Management. Und das haben die Firmen gemacht, dass die gesagt haben, in den sechs Punkten, die in der Charta genannt sind, das meinen wir zum Thema Vielfalt. Und diese, ich glaube es sind 800 Unternehmen, die unterzeichnet haben, die haben auch gesagt, wir (…) zu dem Thema Vielfalt und schließen uns dieser Bewegung an. Und das ist der erste Schritt.

Der zweite Schritt, der jetzt kommen muss, heißt, wir müssen ganz konkret in Aktivitäten gehen zu sagen, was macht ein Unternehmen, was hat sich bewährt beispielsweise in der Wirtschaft, in der Zusammenarbeit von Generationen? Was hat sich an - attraktiver Arbeitgeber für die unterschiedlichsten Talente zu sein? Also eben nicht, dass wir sagen, wir rekrutieren nach wie vor, die wir früher rekrutiert haben, sondern inwiefern sind auch in meinem Talentpool Männer und Frauen vertreten, also auf so was zu achten.

Oder das Thema Migrationshintergrund, dass ich auch attraktiv für Menschen bin, die Migrationshintergründe haben und die nicht sagen, die Firma ist mir zu deutsch, ich gehe lieber in die Türkei, da habe ich eine größere Affinität zu dem, was da gemacht wird. Und deswegen ist es wichtig, den zweiten Schritt zu machen, Aktivitäten zu starten, die Unternehmenskultur zu überprüfen – also, wer fühlt sich denn nicht gewertschätzt hier drin, wer verlässt die Firma, oder wer hat im Rahmen der Personalentwicklung keine Chance?

Kassel: Aber fängt es nicht viel früher an: Wir kennen doch zahlreiche Tests in Deutschland, in Europa, wo sich jeweils auf eine Stelle beworben wurde mit einem Namen, der nach dem Land klang, in dem die Stelle auch ausgeschrieben wurde, und mit einem fremd klingenden Namen bei gleicher Qualifikation, und in all diesen Untersuchungen haben immer die Leute mit dem fremd klingenden Namen dann eher keine Einladung zum Vorstellungsgespräch bekommen. Also ganz so weit sind wir ja vielleicht dann doch alle noch nicht?

Jablonski: Wir sind nicht so weit, aber wir sind unterwegs, und das ist glaube ich wichtig, weil es um eine Unternehmenskulturveränderung geht und eine Veränderung der Einstellung der Menschen. Was wir ansprechen, ist ein Schlüsselpunkt vom Diversity-Management, die Stereotypen und Vorurteile. Also, inwiefern beurteile ich Männer und Frauen entsprechend ihrer Präferenzen. Und da ist eben festgestellt worden – ich spreche jetzt auch im Sinne von Generalisierung, also nicht per se –, dass wenn Sie einen Mann fragen, können Sie sich vorstellen, diesen Job zu machen, da wesentlich direktiver gehandelt wird, also zu sagen, ja klar, ich kann den Job machen, ich kann den übernehmen, als wenn Sie eine Frau fragen, die sagt, ja ich könnte mir das vorstellen, aber ich weiß noch nicht, ob ich so weit bin.

Und wenn Sie sagen, ich beurteile nach Leistung, dann nehme ich natürlich den Mann, weil ich sage, hey, der hat mir gerade gesagt, er kann den Job machen, also wird er es auch. Vielleicht habe ich aber hier ein Vorurteil bedient zu sagen, das, was ich hier gesehen habe, war nicht Leistung, sondern eher ein Verhalten. Und diese Stereotypisierung führt häufig nicht im Sinne des Unternehmens dazu, dass ich die besten Leute habe, sondern dass ich einen Filter anhabe in meinen Personalprozessen, die mir eben dann die gängigsten Leute, also die mir am bequemsten und die ich auch kenne im Verhalten, hervorbringt.

Kassel: Wir reden im Deutschlandradio Kultur mit Hans Jablonski, er berät Unternehmen, Firmen beim Umgang mit der Vielfalt, beim sogenannten Diversity-Management. Sind denn, wenn wir jetzt 600 bis 800 Firmen haben, die diese Charta unterschrieben haben, wahrscheinlich noch viel mehr, die grundsätzlich Interesse an der Sache haben allein in Deutschland, sind denn vielleicht einige Bereiche der Wirtschaft, was den Umgang mit Vielfalt angeht, schon weiter als die Gesellschaft insgesamt, Herr Jablonski? Denn die Politik stellt sich ja teilweise immer noch die Frage, ob es überhaupt sinnvoll ist, neue Arbeitskräfte aus dem Ausland hereinzulassen …

Jablonski: Also heute stand in der Presse drin, in zehn Jahren fehlen 140.000 Arbeitskräfte. Also von daher die Zahlen, die sind, wenn sie heute schon dramatisch sind, das wird dramatischer in der Zukunft. Deswegen glaube ich schon, dass es eine Veränderung geben wird. Inwieweit die jetzt ausschlaggebend sein wird, das müsste diskutiert werden. Die Diskussion um das Thema Vielfalt in Unternehmen… Es gibt sehr viel Bedenken dazu, also wo gesagt wird, wir sind doch erfolgreich, weil wir deutsch sind und weil wir Tugenden haben, die uns so weit gebracht haben. Und die Unternehmen merken eben, wir kommen aber an Grenzen.

Also dass, die Talente, die dann aus Indien beispielsweise in die Pfalz geholt worden sind, dass die das Gefühl haben, hier sprechen alle deutsch, hier habe ich keine Community, meine Familie fühlt sich hier nicht zu Hause. Also wie kann ich hier motiviert sein und für die Firma arbeiten, wenn ich so ein Gefühl hab, als wenn ich mal, wir nennen das das Alien auch im Unternehmen bin. Deswegen glaube ich, diese Leistung von Offenheit, also was kann ich als Unternehmen tun, um Weltoffenheit auch zu haben, um Vorbilder auch in der Belegschaft zu haben, in der Hierarchie zu haben, sodass da noch mal gezeigt wird eine Repräsentanz von unterschiedlichsten Hintergründen in allen Entscheidungsgremien der Firmen.

Kassel: Wissen Sie einen Hintergrund dafür, dass das sogenannte Diversity-Management in Deutschland erst so spät zum Thema geworden ist? In den USA, in Großbritannien, aber auch in anderen europäischen Ländern ist das ja schon ein etwas älterer Trend als bei uns.

Jablonski: Man kann das so nicht vergleichen. Ich glaube, jedes Land und jede Region hat auch ihre Geschichte zu dem Thema, und in den USA oder im angelsächsischen Bereich generell wird das Thema sehr durch die Gesetzgebung getrieben. Deswegen haben Sie auch eine andere Art von Diversity-Management, die in amerikanischen Unternehmen stattfindet oder auch in angelsächsischen. Sehr viel mehr auf das Thema Risiko ausgerichtet, also dass dann gesetzlich auch gesagt wird, bevor wir in das Risiko gehen, keine leistungsorientierten Entscheidungen zu treffen, machen wir anonyme Bewerbung. Also das ist gang und gäbe in diesen Bereichen, das passt aber nicht unbedingt in die Kultur von Deutschland beispielsweise, auch wenn über das Thema Rasse oder race in den USA gesprochen wird, passt es nicht, wenn wir über das Thema Rasse am Arbeitsplatz reden.

Deswegen, die Definition von dem, was wir mit Vielfalt meinen, auch von der Definition der Schwerpunkte her, also was ist unsere Mischung der Belegschaft, muss in Deutschland diskutiert werden. Es ist interessant, weil Unternehmen – das haben Sie vorhin gefragt, was hat das mit Gesellschaft zu tun –, Unternehmen sind ja der Ort, wo Kulturen zusammenkommen. Ich kann die in meinen Leben relativ einfach vermeiden, ich wohne in der Region, wo meinesgleichen wohnt, ich begebe mich in den Freundeskreis, in den Verein, wo meine Leute sind, nur auf der Arbeit, da kommt das eben zusammen.

Und deswegen sind Arbeitsfelder so wichtig darin, diese wertschätzende Unternehmenskultur zu schaffen, also zu sagen, wie gehen wir miteinander um. Und auch in meinem persönlichen Verhalten stelle ich mich infrage, wenn mein Kollege oder meine Kollegin beispielsweise muslimischen Glaubens ist und das Zuckerfest feiert, während ich Weihnachten feiere. Also, habe ich mehr Recht darauf Weihnachten zu feiern, weil wir in Deutschland sind, was christlich geprägt ist, oder müssen wir jetzt alle Feiertage feiern, die dann auf der Welt verfügbar sind?

Diese Diskussionen müssen stattfinden. Ich glaube auch, die Identifizierung, also was ist deutsch, was ist meine Kultur, von der ich herkomme, und das ist eben nicht also zu sagen, wir müssen eine Kultur nicht aufgeben, wir müssen jetzt international werden, sondern eher noch mal zu hinterfragen, was ist deutsch und inwiefern kann diese Kultur adaptiv sein andern Kulturen gegenüber.

Kassel: Vielfalt als Gewinn. Hans Jablonski war das, Geschäftsführer der Firma Jablonski Business Diversity, mit dieser Firma berät er Unternehmen, die wirklich Vielfalt haben wollen und sie dann auch im positiven Sinne des Wortes ausnutzen. Herr Jablonski, ich danke Ihnen für das Gespräch!

Jablonski: Danke, Herr Kassel!
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