Hommage an alle jüdischen Omas

Von Jörg Taszman · 19.08.2012
Die junge Filmemacherin Alexa Karolinski wurde 1984 geboren und ist in Berlin aufgewachsen. Heute lebt die Deutsch- Kanadierin in New York und hat nun mit "Oma und Bella" ihren ersten Dokumentarfilm vorgelegt. Es ist das Portrait von zwei Frauen, die übers Kochen referieren und dabei ihre Lebensgeschichte erzählen.
"Alexele, vielleicht willst du lieber einen Keks zum Kaffee? Sehr gute."
"Nein Danke."
"Die wir selbst gemacht haben."
"Nein, Danke."
"Dass Du was im Magen hast."
"Ich hab doch grad gegessen."
" Wenn Du trinkst mit einem Kaffee. Merkst Du das. Eins net mehr."

Alexa soll von den Keksen kosten. Ihre Oma interessiert es dabei wenig, dass die Enkelin gerade einen Film über sie dreht. Eigentlich wollte die junge Filmemacherin Alexa Karolinski nur ein Kochbuch schreiben, die vielen leckeren Speisen und Gerichte, die ihre Großmutter mit ihrer besten Freundin Bella täglich erstellt, in Rezepte umsetzen. Aber als sie dann in der Charlottenburger Wohnung bei den beiden betagten Freundinnen lebte, beschloss sie schnell die Kamera mitzunehmen.

Alexa Karolinski: "Das erste Mal habe ich eine Kamera mitgenommen, als ich vor drei Jahren sehr viel für dieses Kochbuch angefangen habe zu kochen und es schon feststand, dass ich zur Filmschule gehe. Ich habe mir einen Tag lang die Kamera einfach ausgeliehen. Ich wollte mir schon einmal selber Kamera und Schnitt beibringen. Ich suchte etwas zum Filmen und da ich eh jeden Tag bei Oma und Bella kochen war, habe ich die Kamera mitgenommen und die beiden einfach gefilmt und daraus einen eineinhalbminütigen Teaser geschnitten, hab auch weiter nicht darüber nachgedacht, bis ich einen Abschlussfilm machen musste , hatte einige Ideen von denen "Oma und Bella" eine war. Es war aber klar, dass es Oma und Bella sein musste, denn alle anderen Ideen kann ich noch machen und mit Oma und Bella ist die Zeit begrenzt."

Bella ist 88 und Regina 84. Seit 2007 teilen sich die Freundinnen eine Wohnung, erleichtern sich den Alltag, leben, feiern und kochen zusammen. Dabei zelebrieren sie den Genuss und erinnern sich durch die Gerichte ihrer Mütter an ihre Kindheit in Katowice und in Vilnius.

Bella: "Ich komme aus Vilnius. Litowski SSR. Und ich habe zuhause nichts gemacht, weil ich die jüngste war. Da hat man mich nicht reingelassen in die Küche. Die haben gesagt, ich taug nichts. Ich musste das alles so herausfinden und hab's herausgefunden. Genauso wie man es zu Hause gemacht hat. Nicht anders. "

Den Krieg und die Shoa haben beide Frauen auf abenteuerliche Weise überlebt. Bella konnte aus dem Ghetto in Vilnius fliehen und schloss sich jüdischen Partisanen an. Regina kam 1942 in ein Arbeitslager im Sudetenland. Beide wurden von der Roten Armee befreit und sind nach 1945 in einem Berliner Displaced Persons Camp für Flüchtlinge gestrandet. Eigentlich befanden sie sich lediglich auf der Durchreise nach Amerika, wurden dann schwanger und blieben im Westen der geteilten Stadt. Eigentlich sollte die schmerzvolle Vergangenheit im Film nicht thematisiert werden.

Alexa: "Die wollten nicht, dass ich danach frage. Ich durfte auch nur den Film machen, wenn ich nicht danach frage und hatte mir auch schon ganz viele Konzepte überlegt für einen Film, indem das nicht vorkommt, aber zum Glück haben sie sich geöffnet. Aber nicht, weil es einen besseren Film macht, sondern weil es heilt und weil es für die beiden sehr, sehr gut war und weil Bella vor allem seitdem ganz anders darüber spricht. Es war für die beiden auch eine sehr gute Therapie."

Über ihr Leben und ihre Männer berichten die Damen beim Kochen, oder sie sitzen in zwei riesigen Sesseln. Durch Berlin laufen sie manchmal mit schicken Sonnenbrillen und wirken dann wie zwei Filmdiven. Sie könnten auch Schauspielerinnen sein. Ihr Charme wirkt auf der Leinwand. "Oma und Bella" ist auch ein Film über das Leben von Juden in Berlin.

Alexa: "Natürlich ist es ein Berlin-Film, weil die beiden in Berlin leben, weil die beiden in einem Kiez seit 60 Jahren leben, weil man sie überall erkennt, weil sie auch ihres Alters wegen Stammkunden sind, seit 30 Jahren zum gleichen Friseur gehen, seit 30 Jahren im gleichen Laden ihr Hühnchen kaufen. Sie sind schwierige Kunden, egal wo sie hingehen. Man mag die beiden sehr, nicht nur, weil sie visuell so aussehen, sondern weil sie auch sehr charmant und frech sind."

Der amerikanische Kritiker des Branchenblattes "Variety" Jay Weissberg schrieb über den Film:
"Allen die eine jüdische Großmutter hatten oder sich immer gewünscht haben, hilft der Film 'Oma und Bella', sich daran zu erinnern."

Treffender kann man diese Hommage an alle jüdischen Omas und ihre phänomenalen Kochkünste kaum zusammen fassen. Das Kochbuch hat Alexa Karolinski inzwischen auch fertig gestellt. Es wird 35 Gerichte umfassen und im Herbst zweisprachig erscheinen. Auch darauf kann man sich nach dem Sehgenuss dieses wunderschönen, kleinen Filmes bereits freuen.

""Sie macht alles ungefähr."
"Ich hab noch nie mit einem Maß gearbeitet. Nie. Nicht mit einer Waage und nicht mit einem Maß. Nicht einmal beim Backen. Und beim Backen braucht man wirklich ein Maß, aber das brauch ich nicht."