Holocaust

Die Violinen der Hoffnung

Geigenbauer Amnon Weinstein mit einer von ihm restaurierten Violine bei der Ausstellung "Violins of Hope" in Monaco.
Der Geigenbauer Amnon Weinstein mit einer von ihm restaurierten Violine bei einer Ausstellung der "Violins of Hope". © picture alliance / dpa / Cyril Dodergny
Von Marianne Lechner · 27.01.2015
Die Geigen, die der Tel Aviver Geigenbauer Amnon Weinstein sammelt, haben eine besondere Geschichte: Sie gehörten europäischen Juden, von denen viele im Holocaust starben. Ihr Konzert zum 70. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz spielen die Berliner Philharmoniker auf diesen Instrumenten.
Programmhinweis: Deutschlandradio Kultur überträgt am 27. Januar ab 20.03 Uhr live aus dem Kammermusiksaal der Philharmonie Berlin das Konzert zum internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust.
Amnon Weinstein wird dieses Jahr 76 Jahre alt. Aber er wird nicht müde, die Geschichte der Violins of Hope immer wieder zu erzählen. Sie beginnt vor dem Zweiten Weltkrieg. Sein Vater Mosche Weinstein war einer der ersten Geigenbauer in Israel. Er kam 1938 nach Tel Aviv. Dort war erst kurz zuvor, im Dezember 1936, das Israel Philharmonic Orchestra gegründet worden. Der polnische Geiger Bronislaw Hubermann hatte 75 jüdische Musiker überzeugt, mit ihm zusammen nach Palästina auszuwandern, um der Verfolgung durch die Nazis zu entgehen. Doch als sie dort nach Kriegsende 1945 von dem ganzen Ausmaß des Holocaust erfuhren, wollten sie nicht mehr auf ihren Instrumenten spielen, denn die hatten sie ja größtenteils aus Deutschland mitgebracht:
"Die Musiker kamen zu meinem Vater und sagten: Wenn du unsere Instrumente nicht kaufst, dann zerbrechen oder verbrennen wir sie. Allein diese Vorstellung war für meinen Vater unerträglich. Und so hat er alle Instrumente gekauft, obwohl er wusste, dass er sie nie weiterverkaufen könnte. Und deshalb besitzen wir jetzt diese großartige Sammlung der besten in Deutschland gebauten Instrumente."
Amnon Weinstein wollte lange nichts mit diesen Instrumenten zu tun haben. Schließlich wurden auch 80 Mitglieder seiner Familie von den Nazis umgebracht. Und trotzdem nennt Amnon Weinstein die Instrumente heute "Violins of Hope" - Violinen der Hoffnung:
"Weil alle Musiker und ihre Familien, die Hubermann nach Israel holte, überlebt haben. Und er holte so viele er konnte."
Geschichte jedes Instruments dokumentiert
Nach der deutschen Wiedervereinigung hatte Amnon Weinstein einen jungen Praktikanten aus Dresden. Er wusste nur wenig über den Holocaust und brachte seinen Lehrmeister dazu, vor dem Verband deutscher Geigenbauer erstmals über die Violins of Hope zu sprechen:
"Ich brachte 250 Dias mit, Computer gab's damals ja noch nicht, und sechs Instrumente, und nach dem Vortrag waren die Leute erst mal sprachlos. Erst später, um Mitternacht, kamen sie dann zu mir und fragten: Wie konnte das passieren, wie war das überhaupt möglich?"
Auch Amnon Weinstein ließen diese Fragen nicht mehr los. Als nächstes startete er einen Radioaufruf. Er wollte herausfinden, was aus Geigen wurde, die jüdische Musiker in den Ghettos und Konzentrationslagern spielten:
"Ich wusste, dass die Leute damals in den Lagern und Ghettos spielten. Die Reaktionen kamen über uns wie eine Lawine. Eine, zwei drei… Heute haben wir 55 Instrumente."
Eine Geige zum Beispiel wurde von ihrem Besitzer aus dem Zug geworfen. Er starb im Vernichtungslager. Die Geige wurde gerettet. Amnon Weinstein hat die Geschichte jedes Instruments so präzise wie möglich dokumentiert:
"Ich habe dafür ein eigenes Notizbuch. Über jedes Instrument, das ich bekomme, schreibe ich alles auf, was ich weiß. Jedes Instrument hat ja eine Geschichte von seinem Besitzer oder seiner Familie oder sonst wem. Jetzt gibt es auch ein Buch, das ein amerikanischer Professor über die Sammlung geschrieben hat. Wir tragen wirklich alle Informationen zusammen. Ich muss aber zugeben und das bedaure ich heute auch, dass ich zu spät damit angefangen habe: Viele Menschen sind schon gestorben, und andere wollen kein Wort sagen."
Die Konzertreisen fallen noch immer schwer
Wie schon sein Vater hat Amnon Weinstein viel Zeit damit verbracht, die Instrumente in seiner Werkstatt zu restaurieren und wieder spielbar zu machen. Einige sind echte Schmuckstücke, auf der Rückseite etwa mit einem Davidstern aus Perlmutt und anderen Einlegearbeiten verziert. Das erste Konzert darauf seit dem Krieg fand in Istanbul statt. Ein türkischer Freund von Amnon Weinstein hatte es organisiert:
"Und dann kam wieder die Lawine, eins und noch eins und noch eins. Wir hatten Konzerte in Paris, London, Jerusalem, in Charlotteville...
In Deutschland waren die Violins of Hope erstmals im vergangenen November zu hören. Bei einer Reihe von Synagogenkonzerten in Rheinland-Pfalz. Gespielt wurde auch dieses Stück von Gideon Klein. Der jüdische Komponist wurde nach Theresienstadt und später nach Auschwitz deportiert und 1945 ermordet. Sein Duo für Violine und Cello blieb unvollendet. Und heute Abend jetzt das erste Konzert in Berlin. Amnon Weinstein war schon oft privat in Deutschland, aber die Konzertreisen fallen ihm immer noch schwer:
"Es ist nicht leicht für mich, es ist sogar sehr schwer. Aber die Instrumente erzählen diese unglaubliche Geschichte. Für uns ist es schwer, sie zu verstehen, aber deshalb machen wir den Versuch, durch ihren Klang zu begreifen, was damals passiert ist. Die Musik ist für die sechs Millionen Menschen, die nicht mehr unter uns sind und die Violinen im Konzert erklingen für sie."