Holländischer Bassklarinettist Joris Roelofs

Kombinieren, weglassen, neu erfinden

Joris Roelofs
Bassklarinettist Joris Roelofs: Nah am Original, aber auf keinen Fall zu nah. © Konstantin Kern
Von Johannes Kaiser · 20.01.2016
Der niederländische Bassklarinettist Joris Roelofs holt sich Anregungen aus dem Jazzrepertoire und aus der klassischen Musik. Auf dem titelgebenden Stück des neuen Albums "Amateur Dentist" sind allerdings auch Zahnarzt-Geräusche zu hören, die Roelofs mit seinem Instrument imitiert.
Joris Roelofs: "Ich wusste irgendwie, dass das besonders war, die Musik von Guillaume de Machaut. Die Musik ist sehr besonders, die gregorianische Musik, so harmonisch und melodisch und rhythmisch eigentlich auch, extrem modern auch irgendwie.
Dann habe ich einfach entschieden, das mache ich öfters, da suche ich einen Komponisten und dann suche ich mir alles Mögliche anzuhören von dem, bis ich was entdecke für mich selber, aha, kann ich das selber spielen.
Und das war bei der Messe Notre Dame von Guillaume de Machaut, das berühmteste Werk von ihm, war das auch der Fall."
Die Bassklarinette ist ein Musikinstrument, das im Jazz eher Seltenheitswert hat. Umso erstaunlicher, wie der Holländer Joris Roelof aus dem Begleitinstrument ein Soloinstrument geformt hat. Seine Bassklarinette beherrscht sein Trio zwar nicht, ist aber dennoch die Leitstimme, gibt den Ton an. Dem Bassklarinettisten zur Seite stehen auf dem neuen Album der neuseeländische Kontrabassist Matt Penman und der amerikanische Schlagzeuger Ted Poor.

"Die Klangkombination von Kontrabass und Bassklarinette gefällt mich sehr. Wenn man zum Beispiel unisono spielt, wenn man dieselben Töne spielt, das ist ein sehr cooler Effekt. Da kann man viel mit machen und das hört sich schön an.
Was wir versuchen in diesem Trio, dass wir die traditionelle Rollenverteilung, dass wir da irgendwie mitspielen. Was ich meine, ist, das so wie normalerweise Kontrabass mich begleitet als Solist, als Saxophonist oder Klarinettist. Nur das verteilen wir, spielen wir mit, wir drehen die Rollen oft um.
Also eigentlich spielen wir sehr viel mit dem Klang, also dem Klang von Bass und Bassklarinette und versuchen wir, dass als Haupteigenschaft vom Trio zu machen."
Joris Roelof liebt nicht zuletzt aus diesem Grund die kleine Trioformation, weil sie den Spielern viele Freiheiten bietet. Seine Kompositionen, fünf der zehn Titel auf der neuen CD "Amateur Dentist‘" stammen von ihm, sind denn auch offen für Veränderungen. Er bringt zwar Noten zu den Proben mit, liebt aber das freie Spiel, die Improvisation, was bei einem Jazzmusiker ja kaum überrascht. Zudem experimentiert er gerne. So probiert er in seinem titelgebenden Stück "Amateur Dentist" aus, was er an Geräuschen und Klängen auf der Bassklarinette erzeugen kann.
Mit einem Augenzwinkern
Das Stück "Amateurzahnarzt" hat manchen Zuhörer tatsächlich an eine Zahnarztpraxis erinnert, wie Joris Roelof lachend erzählt. Seine eigenen Titel sind überhaupt alle mit einem Augenzwinkern gedacht und zeigen ihn als humorvollen Musiker. Para Poli zum Beispiel heißt "zu viel" auf griechisch und soll darauf hindeuten, dass die Komposition sehr viele Akkorde hat, vielleicht zu viele.
Und "Samurai Curtain" ist eine englische Verballhornung des holländischen Begriffs "Samenreiskorting", was so viel wie Gruppenermäßigung bei der Bahn bedeutet. Viel Witz zeigt auch seine Musik, die gerne mit musikalischen Versatzstücken, Anspielungen und ironischen Zitaten spielt. Der Bassklarinettist holt sich viele seiner Anregungen für Coverversionen sowohl aus dem Jazzrepertoire als auch aus der klassischen Musik. So hat er auf seiner neuen Platte sowohl einen Standard von Duke Ellington interpretiert als auch ein Stück des russischen Komponisten Alexander Scriabin. Solche Übernahmen sind nicht ganz einfach:

"Die Schwierigkeit liegt darin, denke ich, einerseits möchte man nicht ganz genau alles nachspielen. Das wäre langweilig und ein bisschen Kitsch, andererseits möchte man auch nicht, also ich nicht, unbedingt zu viel davon abweichen vom Original oder von der Form.
Also, es ist extrem schwierig, um eine richtige Balance finden. Wie ich es mache, ist, einfach viel versuchen und ganz viel weglassen. Das ist, glaube ich, die Kunst, dass man Sachen weglässt und dass man gleichzeitig, und hat direkt damit zu tun, sich bewusst ist, was am wichtigsten ist in der Komposition, die Stärke der Elemente der Komposition."

Joris Roelof gelingt es mit seiner kleinen Besetzung, selbst aus einem Bigband-Stück wie Duke Ellingtons "Such sweet thunder" eine kleine swingende Ballade zu formen. Ob eigene Kompositionen oder fremde: der Bassklarinettist überrascht stets aufs Neue mit ungewohnten Klangbildern. Seine Triomusik ist einzigartig und bislang ungehört.