Hohe Energiepreise als Chance für Innovationen

Moderation: Leonie March · 07.07.2008
Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) hat von Deutschland mehr Anstrengungen im Klimaschutz gefordert. Die Glaubwürdigkeit werde nur dann zunehmen, wenn im eigenen Lande wesentlich mehr gemacht werde als bisher, sagte der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger. Zugleich forderte er, die hohen Energiepreise als "zentrales Signal zum Umdenken" zu nutzen.
Leonie March: Die Rolle der Schwellenländer beim Klimaschutz wird ein Thema beim G8-Gipfel sein, der heute in Japan beginnt. Dazu begrüße ich Prof. Hubert Weiger. Er ist der Vorsitzende vom Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland, BUND. Guten Morgen, Prof. Weiger!

Hubert Weiger: Guten Morgen!

March: Die Bundeskanzlerin meint, die Industriestaaten müssten mit gutem Beispiel vorangehen und verbindliche Klimaschutzziele vereinbaren. Die USA wollen nur zustimmen, wenn sich auch die Schwellenländer dazu verpflichten wie Indien. Welche Position teilen Sie?

Weiger: Wir teilen durchaus die Position in dem Fall der Bundeskanzlerin, dass vorbildhaft wir vorangehen müssen, denn die Inder haben recht, wenn sie sagen, dass die meiste Energie ja in den Industriestaaten, das heißt auch bei uns in Deutschland, mit verschwendet wird. Wir haben erhebliche Effizienzpotenziale, die wir bisher auch ansatzweise nicht genutzt haben. Aber natürlich müssen auch die Schwellenländer hier in Zukunft wesentlich stärker Effizienzpotenziale berücksichtigen. Da macht uns vor allem die Entwicklung in China größte Sorge. Denn wenn die Entwicklung so weitergeht, wird China in wenigen Jahren die USA im gesamten CO2-Verbrauch überholt haben.

March: Die Debatte um die Energiepolitik hat ja durch den hohen Ölpreis einen neuen Schub bekommen. Führt letztlich nur der finanzielle Druck zu einem langfristigen Bewusstseinswechsel?

Weiger: Ich glaube, dass sowohl das Bewusstsein wichtig ist, dass sich der Klimawandel nicht danach richtet, welche Beschlüsse gefasst werden, sondern ob es tatsächlich gelingt, entsprechende klimarelevante Emissionen zu reduzieren und zwar massiv. Zum anderen ist aber natürlich der höhere Energiepreis ein zentrales Signal zum Umdenken. Wir haben ja auch bei uns selber die Erfahrung gemacht, dass überhaupt die Chance zur Durchsetzung von energiesparender Technologie bzw. auch zum Umdenken im Privaten genauso wie im öffentlichen Bereich dadurch zugenommen hat, dass die Energiepreise zum Beispiel 1973 bereits deutlich angestiegen sind. Es gilt aber natürlich gerade hier dann auch, Hilfestellungen zu leisten für die sozial Schwächeren, und zwar nicht durch Subventionierung dann der Preise, sondern durch konkrete Hilfestellungen, wie sie selber Energie sparen können. Denn wir stellen fest, dass gerade eben sozial Schwächere zum Beispiel in den Gebäuden leben, die am schlechtesten wärmegedämpft sind. Das gilt nicht nur national, sondern auch international. Und da ist durchaus dann der Staat gefordert, durch verstärkte Wärmedämmungsprogramme hier den Energieverbrauch deutlich zu reduzieren.

March: Ich möchte noch mal drauf kommen, was Sie eben gesagt haben. Steckt in den hohen Energiepreisen auch eine Chance, weil sich zum Beispiel bestimmte Transportwege durch den hohen Ölpreis nicht mehr rechnen?
Weiger: Natürlich. Je teurer die Energie, umso mehr wird drüber nachgedacht, wie man zum Beispiel als Erstes unnötige Transporte vermeiden kann, umso eher wird daran gedacht, zu verlagern auf effizientere Verkehrsträger und intelligente insgesamt, das gesamte Verkehrssystem zu nutzen. Von daher ist der höhere Preis durchaus eine zentrale Chance zur Innovation. Er ist natürlich auch eine gewaltige Herausforderung für die Volkswirtschaften, um damit fertig zu werden. Aber er gibt auch den Schub zur Innovation und damit auch zur Nutzung der Effizienzpotenziale. Denn bisher sind wir ja, wenn man daran denkt, Weltmeister im Energieverbrauch. Wir haben in den letzten Jahren in Deutschland zwar vom Klimaschutz geredet, aber gerade unser eigene Automobilindustrie hat ja sich darauf konzentriert, eigentlich immer schwerere, immer leistungsfähigere Autos zu produzieren, anstatt sparsamere Autos und das in einer Exportnation. Wir haben das immer kritisiert, und wir sehen jetzt, dass die Automobilindustrie von sich aus reagiert, weil einfach diese Produkte nicht mehr nachgefragt werden, spät, aber hoffentlich nicht zu spät.

March: Nehmen Sie insofern der Kanzlerin beim G8-Gipfel die Rolle der Vorreiterin im Klimaschutz auch nicht ab?

Weiger: Wir sehen durchaus, dass sie sich persönlich engagiert einsetzt. Aber sie hat selbst in eigenem Land ein Glaubwürdigkeitsproblem, eben Deutschland zwar sehr gut ist bei der Formulierung von Zielen, aber auf europäischer Ebene dann u.a. auch entsprechende Initiativen der Europäischen Union nicht konsequent genug unterstützt, teilweise sogar abblockt und verhindert. Das heißt, die Glaubwürdigkeit wird nur dann zunehmen, wenn wir im eigenen Lande wesentlich mehr machen, als das bisher der Fall ist.

March: Im Zusammenhang mit dem Klimaschutz wird es bei dem G8-Gipfel ja auch um die Rolle der Atomenergie gehen. Alle G8-Staaten außer Deutschland setzen auf die Atomkraft, um den CO2-Ausstoß zu verringern. Gerät Deutschland hier in eine Rolle des Außenseiters?

Weiger: In eine Rolle des Außenseiters nur, was die Spitzen, die dort in Japan versammelt sind, angeht, aber nicht, was die Bevölkerung angeht. Denn Tatsache ist ja, dass der Widerstand in den demokratischen Staaten, die in den G8-Ländern zusammengefasst sind, gegen die Atomkraft nicht abnimmt, sondern zunimmt. Tatsache ist auch, dass man auch ansatzweise nicht von einer sogenannten Renaissance sprechen kann. Denn die Zahl der am Netz befindlichen Atomkraftwerke hat sowohl in der Europäischen Union als auch weltweit abgenommen. Und Tatsache ist auch, dass der Anteil der Atomenergie im gesamten weltweiten Energiebedarf bei nach wie vor unter drei Prozent liegt. Das heißt, wir versuchen, mit Atomkraft unsere Klimaprobleme zu lösen, ist absurd und ist auch angesichts der ungelösten weltweiten Entsorgungsprobleme natürlich grob fahrlässig und unverantwortlich gegenüber allen kommenden Generationen. Von daher führt kein Weg in unseren Augen vorbei, tatsächlich die Effizienzpotenziale zu nutzen. Und da hat zum Beispiel Japan durchaus eine wichtige Rolle, weil in der Effizienz bei elektrischen Geräten die Japaner unter anderem deswegen führend sind, weil nach dem sogenannten Top-Runner-Prinzip in Japan das effizienteste elektrische Gerät nach fünf Jahren zum Maßstab für alle elektrischen Geräte wird. Das heißt, es ist hier ein sehr intelligentes System installiert worden tatsächlich für entsprechenden technischen Fortschritt. Und davon sollten die anderen Industriestaaten in dem Fall von Japan lernen.

March: Prof. Hubert Weiger, der Vorsitzende vom Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland, BUND. Vielen Dank für das Gespräch!

Weiger: Ich danke auch.