Hörbuch

Überall spukt der Teufel herum

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Der russische Schriftsteller Michail Bulgakow © picture alliance / RIA Novosti
Von Michael Opitz  · 17.11.2014
Klaus Buhlert hat ein neues Hörbuch von Michail Bulgakows "Der Meister und Margarita" vorgelegt. Es ist das zweite, nach der Inszenierung von Petra Meyenburg, die 1999 als Hörbuch des Jahres ausgezeichnet wurde. Michael Opitz hat sich beide Fassungen angehört.
Beide Hörspielinszenierungen von Bulgakows "Meister und Maragarita" dauern jeweils mehr als zehn Stunden. 75 Schauspieler hat Petra Meyenburg für ihre Inszenierung verpflichtet und Klaus Buhlert arbeitet in seiner gerade erschienenen Hörspielproduktion mit 50 Sprechern.
Die creme della creme ist da zu hören, klangvolle Namen stehen auf beiden Besetzungslisten: Jürgen Hentsch, Michael Rotschopf, Thomas Thieme, Jürgen Holz, Manfred Zapatka, Daniel Minetti, Karl Malkowics, Dieter Mann, um nur einige wenige zu nennen.
Für welche der beiden Produktionen man sich entscheidet, hängt zum großen Teil auch davon ab, welchen Erzähler man favorisiert. Wer soll einen durch das Geschichtenlabyrinth führen, dem der Faust-Soff zugrunde liegt?
In Petra Meyenburgs Inszenierung von "Meister und Margarita" von 1999 ist Jürgen Hentsch als Erzähler zu hören:
"Dem getreuen, doch unbeteiligten Chronisten verkrampft sich das Herz bei dem Gedanken, was Margarita für Qualen durchlitt, als sie an jenem bewussten Tag in das Häuschen des Meisters kam, und erfuhr, dass der Meister verschwunden war."
Die charismatische Stimme von Jürgen Hentsch entwickelt einen ganz eigenen Sog. Sie zieht einen förmlich in das Handlungsgeschehen hinein, auch wenn Hentsch vorgibt, eigentlich unbeteiligt zu sein.
Will man sich diesem staunenden Erzähler anvertrauen, oder doch lieber Michael Rotschopf hören, der in Jürgen Buhlerts Neuinszenierung die Erzähler-Rolle übernommen hat?
"Wohlan denn Hörer, folge mir nach. Wer hat dir erzählt, es gäbe auf der Welt keine echte, wahrhafte, ewige Liebe? Möge dem Lügner seine schändliche Zunge abgetrennt werden."
Michael Rotschopf ist ein aufmerksamer Erzähler, der Distanz zum Geschehen wahrt, um nicht den Überblick zu verlieren, was leicht geschehen kann, da in Bulgakow kunstvollem und zugleich verwirrendem Roman überall der Teufel herumspukt.
Weil es der Teufel so will
Für ihn ist es nur ein Spaß, wenn er Menschen kurzer Hand aus ihrer Lebensbahn wirft. Für den Schriftsteller Berlioz wird eine Straßenbahn zur Unglücksbahn, weil es der Teufel so will. Er ist, der lenkt, mögen die Dichter denken, was sie wollen.
Wie es zu dem Unfall kam, beschreibt Jürgen Hentsch in der älteren Hörspielfassung:
"Im Glaskästchen war die Schrift Achtung Straßenbahn aufgeleuchtet. Da brauste sie auch schon heran - die Straßenbahn."
Klaus Buhlert hingegen inszeniert in der Neufassung des Hörspiels, was sich ereignet und er erteilt zunächst Michael Rotschopf das Wort:
"Da glitt seine Hand unversehens ab und riss sich frei. Der Fuß aber, rutschte wie auf Eis, unaufhaltsam über das Pflaster fort. Der andere Fuß wurde hochgeschleudert."
Doch dann schaltet Buhlert einen zweiten Augenzeugen ein, sodass der Eindruck entsteht, beide Zeugen erzählen abwechseln, was sie gesehen haben.
"Er sah das ungestüm näher rückende, ganz und gar schreckensbleiche Gesicht der Wagenführerin samt ihrer hellroten Komsomolzenbinde. Kein Schrei kam aus Berlioz Kehle. [...] Die Tram hatte Berlioz überrollt und an den Zaun der Patriarchenkirche kullerte über das schräge Pflaster ein dunkles, rundes Objekt."
Durch die Aufteilung der Erzählerstimme baut sich eine ganz eigene Spannung auf. Nicht weniger dramatisch aber versteht es Jürgen Hentsch in der alten Aufnahme einen Eindruck davon zu vermitteln, wie Berlioz zu Tode kam.
"Die Straßenbahn überrollte Berlioz und unterm Gitter des Patriarchenteichs hervor sprang ein dunkler runder Gegenstand die gepflasterte Böschung hinauf, rollte wieder herab und hüpfte über den Fahrdamm. Es war der abgetrennte Kopf von Berlioz."
Beide Inszenierungen greifen auf zwei ausgezeichnete, aus dem Russischen übertragene Übersetzungen zurück: Petra Meyenburg auf die von Thomas Reschke, Klaus Buhlert auf die von Alexander Nitzberg. Man kann sich nicht gegen, sondern nur für eine Aufnahme entscheiden.
Die viel zu früh verstorbene Petra Meyenburg wird mit dieser grandiosen, heute immer noch faszinierenden Hörbuchproduktion in Erinnerung bleiben. Und Klaus Buhlert hat mit Bulgakow nach Kafka, Joyce, Musil und Canetti einen weiteren Jahrhundertautor verzaubernd schön zum Klingen gebracht.

Michail Bulgakow: "Der Meister und Margarita"
Hörspielbearbeitung, Komposition und Regie: Klaus Buhlert
Der Hörverlag. München 2014. 12 CDs. Gesamtlaufzeit 10 Stunden und 4 Minuten. 49,99 Euro.
und

Michail Bulgakow: "Der Meister und Margarita"
Hörspiel in der Regie von Petra Meyenburg
Mitteldeutscher Rundfunk 1998. Der Hörverlag. München 1999
10 CDs. Gesamtlaufzeit 11 Stunden und 32 Minuten. 29,99 Euro

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