Hörbuch über Claire & Yvan Goll

Das verwegene Liebesleben eines Künstlerpaars

Der Schauspieler Ulrich Tukur posiert am 29.05.2015 in Düsseldorf bei einer Pressekonferenz zu seiner Auszeichnung mit dem Helmut-Käutner-Preis der Landeshauptstadt.
Ulrich Tukur liest mit Sandra Quadflieg die Briefe des Künstlerpaars. © picture alliance / dpa / Horst Ossinger
Von Susanne Billig · 13.02.2017
Sie galten als der Inbegriff des exzentrischen und leidenschaftlichen Künstlerpaars: Claire und Yvan Goll. Ihr Ruhm gründet nicht nur auf ihren Gedichten, sondern auch auf ihrem wilden Liebesleben im Paris der frühen 1930er-Jahre. Ihre Briefe sind nun als Hörbuch erschienen.
Ulrich Tukur: "Hochgeliebte, wie viel Leben hast du mir gebracht! Ich war tot, du bist die rot flammende Fahne des Tages! Du bist die Erretterin der Menschheit! Du – wir wollen Menschen werden. Süße, noch einmal: Kuss! Und, und dann stürzt zu dir, bald, ich schwelle vor Lust, Yvan."
Sie beide schwollen vor Lust, betrogen einander und fanden immer wieder zu ihrer Liebe zurück: Claire und Yvan Goll, beide Ende des 19. Jahrhunderts geboren, linksliberal, pazifistisch, jüdisch, verfolgt und leidenschaftlich ineinander – und einige andere Menschen – verliebt. Im Laufe ihrer jahrzehntelangen Beziehung besangen die Dichterin und der Dichter ihre Liebe, die Kunst und das Leben in Briefen und Tagebucheinträgen. Dreißig davon sind nun, sorgfältig ausgewählt und chronologisch arrangiert, als Hörbuch erschienen: zweieinhalb Stunden Eintauchen in das Pathos eines der berühmtesten Liebespaare des 20. Jahrhunderts.
Sandra Quadflieg: "Freitag, 19. Oktober 1917. Ich schwöre dir, dich nie zu verlassen, denn ich würde mich damit selbst verlassen. Ich schwöre Treue, denn nur so kann ich mir selber treu bleiben. Ich will dich jeden Tag tiefer erkennen, um dich mehr lieben zu können. Ewig."
Ulrich Tukur: "Ich nehme deinen Schwur an; denn dein Schwur ist der meine. Ich will dein Mann sein, weil ich an dich glaube, du tiefe, du wahre, du große Frau. Ich bin dein. – Darauf wechselten wir die Ringe."
Liebespoesie und herrlichster Gossip aus der Künstlerszene
Die Schauspielerin Sandra Quadflieg hat die Texte ausgewählt und liest sie mit Ulrich Tukur – ein wunderbares Paar. Ihre Stimme ergeben und zornig, sehnsüchtig und depressiv. Er ein Tausendsassa, der sich in Liebesdingen auskennt, raunt und lockt, auch ironisch und doppelbödig. Nicht nur Liebespoesie bietet das Hörbuch, sondern auch herrlichsten Gossip aus der Künstlerszene. Hier geht es um Else Lasker-Schüler:
Sandra Quadflieg: "Ich bin so grundverschieden von ihr, schon allein ihr zänkischer Charakter! Noch höre ich sie keifen an unserem Tisch im Café in Zürich, mit welch boshafter Eifersucht sie mich, die jüngere, angriff – weil du ihr gefielst."
Immer wieder musste das jüdische Paar fliehen – Zürich, Paris, Genf, New York. In dem Hörbuch lässt sich das wenig nachvollziehen, doch darum geht es auch nicht. In einem Begleitheft erzählt Sandra Quadflieg, warum sie sich in diese Briefe verliebt hat, in die Achterbahn der Gefühle und das Ringen um künstlerischen Ausdruck. 1947 kehrte das Paar zurück nach Paris – drei Jahre später starb Yvan Goll an Leukämie. Im Todeskampf schrie er seine Krankenschwestern an:
Ulrich Tukur: "Lasst mich allein mit meinem Tod! Laissez moi seule avec moi mort!”
Sandra Quadflieg: "Dann ist er gestorben. Er sah so schön aus. Wie ein jüdischer Prophet. Ich wollte ihm folgen. Ich hatte ihm versprochen, ich würde mich umbringen nach seinem Tod. Aber er war dagegen. Er sagte:"
Ulrich Tukur: "Bring dich nicht um. Verwalte mein Werk."
Das tat sie. Claire Goll überlebte ihren Mann um viele Jahre und starb 1977 in Paris.

Claire Goll, Yvan Goll: Nichts fehlt – außer Dir. Die Geschichte einer überwältigenden Liebe
Briefe & Tagebuchaufzeichnungen
Sandra Quadflieg und Ulrich Tukur lesen Claire und Yvan Goll
Verlag Random House, 2 Audio-CDs, 19,99 Euro