Hörbuch - "Sefarad hören"

Zur jüdischen Geschichte Spaniens

Ein kunstvoll gefertigter Behälter für Gesetzestafeln der Sephardim. Sephardim werden die Juden genannt, die 1492 Spanien verlassen mussten.
Ein kunstvoll gefertigter Behälter für Gesetzestafeln der Sefarden. Sefarden werden die Juden genannt, die 1492 Spanien verlassen mussten. © picture-alliance / dpa / Wimmer
Von Ralf Bei der Kellen  · 04.09.2015
Die Sefarden waren Juden, die über ein Jahrtausend lang auf der iberischen Halbinsel zu Hause waren. Ihre wechselvolle Geschichte erzählt und erklärt jetzt das Hörbuch "Sefarad hören" - eine gelungene, runde Erzählung.
"Wir, seine Majestäten, die katholischen Könige, stimmen dem Rat der Granden, kirchlichen Herren und anderen gelehrten Personen unserer Königreiche zu, dass alle Juden des Landes verwiesen seien."
Im Jahre 1492 erlassen die katholischen Monarchen Ferdinand und Isabella das sogenannte "Alhambra-Edikt". Nach der Vereinigung ihrer Königreiche Kastilien und Aragon wollen sie nur noch Anhänger des Christentums in ihren Grenzen dulden.
"Es sei ihnen nicht erlaubt, jemals wieder zurückzukehren - weder zur Durchreise, noch, um sich niederzulassen. Alle, die diesem Befehl nicht folge leisten, seien mit dem Tode bestraft. Ihre Güter sollen dem königlichen Staatsschatz zufallen!"
Am 2. August - einen Tag nachdem Christoph Kolumbus zu seiner großen Reise aufgebrochen war - läuft das Ultimatum ab. Für die sephardischen Juden bedeutete das Edikt: Sie konnten entweder zum Christentum konvertieren und in die innere Emigration gehen – und sich damit der Gefahr eines Verrats durch die Inquisition ausliefern, oder – erneut das Land wechseln. Es beginnt eine der größten Vertreibungen einer Volksgruppe im Mittelalter.
Vor den Römern nach Spanien geflohen
In ihrem Hörbuch "Sefarad hören" erzählt Antje Hinz die Geschichte der Sefardischen Juden. Sefarden nennt man die Nachfahren der Juden, die aus dem Nordreich Israels im ersten Jahrhundert nach Christi auf die Iberische Halbinsel kamen. Manche von ihnen waren vor den Römern nach Spanien geflüchtet, andere wurden als Sklaven dorthin verschleppt. Sie erlebten ein wechselhaftes Schicksal – Phasen großer Toleranz wechselten sich ab mit Zeiten der Stigmatisierung und Verfolgung – so wie sich engstirnige Glaubensvertreter mit kosmopolitischen Herrschern abwechselten.
Ein Beispiel: Kalif Ab dar-Rahman der 3., der im 10. Jahrhundert in Cordoba einen eigenen islamischen Staat gründete – in dem auch die Juden ihren Platz hatten.
"Der Kalif leistet sich eine beeindruckende Bibliothek mit 400.000 Büchern. Er holt führende Köpfe der drei Schriftreligionen an seinen Hof und ermutigt sie zu geistigen Debatten – über Astronomie, Kartographie und Mathematik, über Philosophie und Religion, Dichtung und Verslehrer. Arabisch und Hebräisch werden als gleichrangig angesehen."
Die Geschichte, die Antje Hinz hier in knapp 80 Minuten ausbreitet, ist trotz ihres historischen Anspruchs spannend erzählt und voller überraschender Details. Der geschichtliche Abriss ist immer wieder mit Zitaten aus literarischen Texten durchwoben. Und nicht selten entdeckt man sephardische Einflüsse, wo man sie vielleicht am wenigsten vermutet hätte.
"Im Zentrum vom Amsterdam wächst das jüdische Viertel und befruchtet die Kunst. Dem Maler Rembrandt sollen Juden Modell für biblische Gestalten gestanden haben."
Die meisten Sefarden leben in Griechenland
Nach der Vertreibung aus Spanien lassen sich die Sefarden unter anderem in Amsterdam und Hamburg nieder. Auch in Nordafrika, in Italien und in Ägypten gibt es größere Ansiedelungen. Die zahlenmäßig stärkste Gruppe lebt in Griechenland. Einer ihrer Nachfahren ist der in Alexandria geborene Sänger Georges Moustaki.
"Im Lied 'Le Metec' setzt er dem Weltbürger wider Willen ein Denkmal: Ich bin ein Fremder, den man hasst / und dessen Schnauze dem nicht passt, der darin sieht, was er nicht fand. Ich hing am Leben, nicht am Geld, als ein von jedem Wind der Welt zerzauster Hirt aus Griechenland."
Der Sprecherin Anne Moll ist es zu verdanken, dass man dem notwendigerweise gerafften und daher oft komplexen historischen Abriss folgen kann – auch wenn man sich für manche der Zitate gelegentlich einen zweiten Sprecher wünscht, um ein wenig Abwechslung zu bekommen. Aber das sind Petitessen angesichts der gelungenen, runden Erzählung. Am Schluss steht die eindrucksvolle Würdigung einer Migration, in der die Menschen sich stets ihrer Herkunft besannen und wehmütig auf ein goldenes Zeitalter vor ihrer Vertreibung aus Spanien zurückblickten. So wurde Sefarad zum Sehnsuchtsort für viele Juden im 19. und 20. Jahrhundert.
"Die Juden waren es, in Verbindung mit den Mauren, welche diese Halbinsel mit dem freien Geiste umgestalteten. Die Künste des Friedens zu pflegen, zu einem Sitz erster Forschung und hellem Denkens. Es war eine schöne Zeit, nur – zu schnell ging sie zu Ende."
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