Hörbuch: "Dramatische Werke" von Loriot

Viel Loriot, wenig Ehr'

Briefmarke 2011 : Loriot
Humor über die alte Bundesrepublik: Loriots Figuren mit den Knubbelnasen © imago / Schöning
Von Georg Gruber · 18.10.2016
Loriots Sketche um die Jodelschule oder das Frühstücksei gehören in das kollektive Gedächtnis der Deutschen. Wer sie neu interpretiert, wie das deutsch-österreichische Komiker-Duo Dirk Stermann und Christoph Grissemann, tritt ein schweres Erbe an. Und tatsächlich scheitern die beiden daran.
Dirk Stermann und Christoph Grissemann haben sich viel vorgenommen.
- "Berta!"
- "Ja?"
- "Das Ei ist hart!"
Loriot zu interpretieren, daran kann man eigentlich nur scheitern.
- "Das Ei ist hart!"
- "Ich habe es gehört!"
Auch da es dank Internet einfach ist, die Originale zu sehen und zu hören. Und: Die "Dramatischen Werke" gibt es zudem schon jetzt in verschiedenen Versionen, auf DVD und als Hörbuch mit den Tonspuren der TV-Episoden und gelesen vom Meister selbst, von Loriot, und seiner kongenialen Partnerin Evelyn Hamann. Natürlich ist es legitim, sich an diesen Kunstwerken zu versuchen, Coverversionen von Popsongs sind oft besser als die Originale. Oder so eigenständig, dass sie neben den Originalen bestehen können.
- "Wie lange hat das Ei denn gekocht?"
- "Zuviel Eier sind gar nicht gesund!"

Es bleibt nur der bloße Kampf

Doch Stermann und Grissemann scheitern an dieser Aufgabe - dramatisch. Am deutlichsten bei Rollenspielen Mann-Frau. "Das Frühstücksei" ist einer der großen Loriot-Klassiker. Ein Ehepaar streitet sich über die Kunst des Eierkochens. Wobei es natürlich um viel mehr geht, um das Verhältnis zwischen Mann und Frau, die sich nicht verstehen wollen oder können, um den festgefahrenen Ehealltag, um enttäuschte Erwartungen und die Kunst des gelingenden oder scheiternden Zusammenlebens. Beim historischen Vorbild schwingt das alles mit. Bei Stermann und Grissemann bleibt der bloße Kampf.
- "Eine Hausfrau hat das im Gefühl."
- "Was hast Du im Gefühl?"
- "Eine Hausfrau hat es im Gefühl, wann das Ei weich ist."
Die Männerrolle ist an das Original angelehnt, die Frauenrolle kennt so gut wie keine Zwischentöne mehr. Sie, die Frau, klingt hier nur noch wie die Hexe im Kasperltheater.
"Mit meinem Gefühl stimmt was nicht!? Ich stehe den ganzen Tag in der Küche, mache die Wäsche, bring deine Sachen in Ordnung, mach die Wohnung, mach die Wohnung gemütlich, ärgere mich mit den Kindern herum und Du sagst mit meinem Gefühl stimmt was nicht?"
Ähnlich bei einem anderen Klassiker, dem Feierabend, auch hier ist die Frau als reiner Quälgeist angelegt:
- "Also was willst Du denn nun?"
- "Ich möchte hier sitzen."
- "Du kannst einen ja wahnsinnig machen!"
- "Ach."
- "Erst willst Du spazieren gehen, dann wieder nicht, dann soll ich deinen Mantel holen, dann wieder nicht – was denn nun?"
Auch bei anderen Stücken, in denen es nicht um Geschlechterrollen geht, können die beiden nicht wirklich punkten. Stermann und Grissemann sprechen Loriot pur, ohne Musik und weitgehend ohne Geräusche oder Effekte, und machen das auch souverän - aber das Vorbild ist zu groß, zu präsent. Auch, weil die Sketche und Cartoons, erstmals im Fernsehen ausgestrahlt zwischen 1976 und 1978 – und danach immer wieder - ein Stück Zeitgeschichte sind, Bestandteil der Chronik der alten Bundesrepublik, eingebrannt ins kollektive Gedächtnis.

Vielleicht funktioniert das ja live

Viele der wichtigen Figuren und Episoden finden sich auch auf dem Hörbuch: Der Kunstpfeiffer, der sprechende Hund, der Astronaut, der keiner ist, die Herren im Bad, die Frau, die ihr Jodeldiplom machen möchte, die immer wieder gespielte Freude über Mutters Klavier, der Lottogewinner.
"Ich heiße Erwin Lindemann, bin 65 Jahre und ein Lottogewinn von 500.000 DM. Erstmal mache ich mit meiner Wupper, äh, mit meiner Tochter eine Reise nach Wuppertal und eröffne dann, äh, in Island eine Herrenboutique."
Bei allem redlichen Bemühen der beiden: Möglicherweise funktioniert das ja dann live, auf der Bühne, Loriot einen neuen Witz einzuhauchen:
- "Naja gut, dann in diesem Sinne: Holleridödeldo!"
- "Didödeldö!"
- "Didödldi!"

Loriot: Dramatische Werke
Gelesen von Stermann & Grissemann
Diogenes, München 2016
1 CD, Laufzeit: 78 Minuten
13,95 Euro

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