Höhlenmalereien in Lascaux

Das kopierte Wunder

Höhlenmalerei im "Internationalen Zentrum für Höhlenmalerei" (Lascaux 4)
Höhlenmalerei im "Internationalen Zentrum für Höhlenmalerei" (Lascaux 4) © Deutschlandradio - Bettina Kaps
Von Bettina Kaps · 06.12.2016
1940 wurden in Lascaux prähistorische Höhlenmalereien entdeckt. Doch weil die vielen Besucher den Felsmalereien schadeten, baute man eine exakte Kopie: Lascaux 2. Diese gefährdete aber das Original und deshalb gibt es jetzt eine weitere Höhle mit kopierter Wandmalerei.
Das Faksimile ist in einem lang gezogenen grauen Bau untergebracht, er fügt sich wie eine Felskante in einen natürlichen Abhang ein. Der Besuch beginnt im Freien, auf dem Flachdach. Von dort schweift der Blick über die hüglige Landschaft, in der die Höhlenmaler vor rund 20.000 Jahren gelebt und gemalt haben.
Ein schmaler Weg führt die Besucher zwischen der Außenmauer und einer Schneise im Hügel hinab zum versteckten Eingang. Insekten zirpen, ein Junge ruft, ein Hund bellt... Die Geräusche aus dem Lautsprecher erinnern daran, dass Lascaux im September 1940 von vier Jugendlichen entdeckt wurde, die ihren Hund suchten.
Das Ausstellungszentrum im "Internationalen Zentrum für Höhlenmalerei" (Lascaux 4)
Das Ausstellungszentrum im "Internationalen Zentrum für Höhlenmalerei" (Lascaux 4)© Deutschlandradio - Bettina Kaps
Innen ist die Luft kühl und feucht wie in einer echten Grotte. Die Besuchergruppen – maximal 30 Personen – werden stets von einem Führer begleitet. Diesmal geht der Archäologe Jean-Pierre Chadelle voran. Er zeigt nach oben, zum Einstiegsloch. Von dort fällt schwaches Licht auf einen Geröllhaufen. Hier weicht das Faksimile ausnahmsweise vom Jetzt-Zustand der Originalhöhle ab, sagt Chadelle.
"Die Entdecker haben eine solche Halde vorgefunden, sie wurde aber 1958 entfernt. Durch die Atemluft der zahlreichen Besucher stieg damals die Kohlendioxidkonzentration, viele Menschen wurden ohnmächtig. Deshalb hat man hier eine riesige Maschine zum Luftaustausch installiert. Vorher wurde das Geröll beseitigt."
Ein Maschinenraum in der berühmten Steinzeithöhle – unglaublich! Auch Rohre und Schutzgitter haben Lascaux verschandelt, sagt Chadelle, in der Kopie wurden sie ebenfalls weggelassen. Die Wände mit den Zeichnungen sind jedoch identisch.

Auerochsen, Wildpferde und Hirsche

Der Archäologe redet sich in Begeisterung, so als stünde er in der echten Höhle, wo er früher selbst geforscht hat.
"Die Pigmente haben ihre kräftigen Farben bewahrt, rot, schwarz... Wir können die Techniken erkennen. Hier haben die Maler die Farbe auf die Wand geblasen, um die Schnauze und das flauschige Fell an der Kehle des Stiers abzubilden. Man sieht sogar, in welche Richtung sie den Stift gedreht haben, als sie diese kleinen Punkte gezeichnet haben."
Der erste Saal ist üppig bemalt: Zu beiden Seiten sind große Auerochsen zu sehen, außerdem Wildpferde und Hirsche. Er geht in einen schmalen Gang über. Auch hier sind die Wände mit Rindern, Pferden, Hirschen und Steinböcken ausgeschmückt. Einzelne Deckenbilder sind so hoch, dass die Künstler wohl ein Gerüst benutzt haben müssen.
Der Gang mündet in eine Sackgasse. Plötzlich öffnet Chadelle eine Tür, führt uns durch eine schwarze Schleuse in den zweiten Teil der Grotte: So wird verhindert, dass die Gruppe kehrt machen muss, wie im Original. Man hätte es fast vergessen: Wir gehen durch eine Kopie.
Der Archäologe Jean-Pierre Chadelle in der Höhle Lascaux 4.
Der Archäologe Jean-Pierre Chadelle in der Höhle Lascaux 4.© Deutschlandradio - Bettina Kaps
Der nächste Saal wirkt fast nackt. Hier hat sich kein Calcit gebildet. Auf dem Kalkstein aber haften die Pigmente schlecht. Ausgerechnet hier haben die Forscher besonders viele Zeichnungen gefunden. Chadelle öffnet uns die Augen:
"Ein Hirschgeweih, die Rückenlinie eines Pferds und sein Schweif, hier, kaum zu sehen, drei große Pferde. Auf dieser kleinen Fläche haben wir rund tausend Ritzbilder gefunden. Das ist etwa ein Zehntel aller Höhlenbilder weltweit, die wir kennen. Zehn Prozent allein hier - das zeigt, wie wenig uns von diesen Gemeinschaften geblieben ist."
Wer die Zeichnungen nicht entziffern kann, dem gibt ein Ausstellungsraum gleich im Anschluss an das Faksimile Nachhilfe: Einzelne Bilder aus der Höhle wurden dort in Augenhöhe gehängt. Ultraviolettes Licht lässt die Ritzbilder aufleuchten. Hier ist auch die einzige menschliche Abbildung zu sehen: Der Mann mit Vogelkopf und erigiertem Penis wurde in einem schwer zugänglichen Brunnenschacht gemalt.
Das neue Ausstellungszentrum sei ein hervorragendes pädagogisches Mittel, um Wissen über Höhlenmalerei zu vermitteln, sagt die Konservatorin Muriel Mauriac. Sie selbst wacht über das Wohl der echten Grotte von Lascaux. In den 2000er-Jahren waren dort auf den Wänden weiße und schwarze Schimmelflecken aufgetreten.
"Nach dieser mikrobiologischen Krise hat sich der Zustand der Grotte stabilisiert. Wir müssen aber weiterhin extrem aufpassen. Wir haben inzwischen Forschungsprogramme entwickelt, um die Prozesse in der Höhle besser zu verstehen. Heute geht es ihr verhältnismäßig gut."
Bis Archäologen und Paläontologen wieder in Lascaux forschen können, werde es allerdings noch dauern.
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