Hochschulpolitik

"So viel Kooperation wie noch nie im Hochschulbereich"

Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU)
Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) © picture alliance / dpa/ Bernd von Jutrczenka
Johanna Wanka im Gespräch mit Dieter Kassel · 26.06.2014
Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) will die Bundesländer dauerhaft im Hochschulbereich fördern. Eine entsprechende Grundgesetzänderung soll das ermöglichen.
Dieter Kassel: Gestern war in Deutschland ein Protesttag, es war der Tag der Bildungsproteste 2014. Lehrende und Lernende an Schulen, Hochschulen und anderen Bildungseinrichtungen machten bundesweit auf Umstände aufmerksam, die sie für untragbar halten. Auch Gabriele Metzler, Professorin am Geisteswissenschaftlichen Institution der Humboldt-Universität in Berlin, war dabei.
Gabriele Metzler: "Eigentlich ist das komplette System vollkommen aus der Balance geraten. Das Verhältnis zwischen Grundfinanzierung und Drittmittelfinanzierung stimmt nicht mehr. Dahinter steckt also ein ungeheurer Druck, einfach um – ich will's ganz salopp ausdrücken – den Laden am Laufen zu halten. Wir verschleißen hier ganze akademische Generationen auf dieser Art und Weise, überlassen sie prekären Beschäftigungsverhältnissen. Und hier muss unbedingt etwas passieren."
Kassel: Bisher ist die Finanzierung der Hochschulen grundsätzlich Ländersache, aber daran könnte sich nach Plänen des Bundesministeriums für Bildung und Forschung bald etwas ändern.
Am Telefon begrüße ich dazu Bundesbildungsministerin Johanna Wanka. Schönen guten Morgen, Frau Wanka!
Johanna Wanka: Hallo, guten Morgen, Herr Kassel!
Kassel: Nachdem Sie da gestern bestimmt auch viel gehört haben von den Protestierenden, haben Sie den Eindruck, die Länder haben versagt?
Bund bezahlt außeruniversitäre Forschung
Wanka: Nein, ich kenne ja die Anstrengungen der Länder auch in den letzten Jahren, trotzdem war das eben Gesagte richtig, dass die Balance zwischen dem, was wir möglich gemacht haben bei den außeruniversitären Forschungseinrichtungen und an den Hochschulen, dass das sehr unterschiedlich ist. Und deswegen war ja in den Koalitionsverhandlungen eine ganz wichtige Position von uns, insbesondere von der Bundeskanzlerin, die Hochschulen als Kernstück des Wissenschaftssystems zu stärken, zu unterstützen, bis hin zur Unterstützung in der Grundfinanzierung, oder aber den Ländern Möglichkeiten zu geben, mehr Geld in die Hochschulen zu stecken.
Und das haben wir zum Beispiel dadurch getan, dass wir den Aufwuchs bei den außeruniversitären Forschungseinrichtungen, also Helmholtz, Leibniz, den immer Bund und Länder in den letzten Jahren gemeinsam getragen haben, dass wir den in Zukunft, dass der Bund das alleine zahlt und die Freiräume hoffentlich genutzt werden, um dann die Hochschulen zu stärken.
Der wissenschaftliche Mitarbeiter vom Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz, Dennis Mronga, justiert am 04.03.2013 auf der weltgrößten Computermesse CeBIT in der Messe Hannover (Niedersachsen) den rechten Arm der Roboterdame AILA. 
Mitarbeiter vom Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz auf der Cebit mit Roboterdame AILA© picture alliance / dpa / Sebastian Kahnert
Kassel: Aber wenn wir nicht über Leibniz und andere, Max Planck, reden, dann reden wir über Dinge, die Sie eigentlich qua Grundgesetz bisher gar nichts angehen.
Wanka: Wir haben die Möglichkeit zu kooperieren, und wir haben so viel Kooperation wie noch nie zwischen Bund und Ländern im Hochschulbereich – Qualitätspakt Lehre, Hochschulpakt, Exzellenzinitiative –, aber wir können nur temporär, zeitlich befristet fördern, nicht unbefristet und auch nicht institutionell. Und das eben Angesprochene, dass man natürlich an den Hochschulen Dauerstellen braucht für Daueraufgaben, das versuchen wir jetzt mit dem, was überhaupt noch nie in den letzten Jahren möglich war, dass wir ab 1. Januar den Ländern dauerhaft Geld, das sie für Dauerstellen verwenden können, zum Beispiel für Nachwuchswissenschaftler. Das passiert ab 1. Januar des nächsten Jahres.
Kassel: Sind Sie zufrieden damit, dass Sie Geld schicken dürfen, dass Sie aber eigentlich ja nicht mitbestimmen dürfen, was mit dem Geld geschieht?
"Die Grundkompetenz für die Hochschulen bleibt bei den Ländern"
Wanka: Also wir haben ja immer Bund-Länder-Vereinbarungen, wo wir uns dann auf Ziele und anderes verständigen, wir werden aber jetzt und wollen eine Grundgesetzänderung, die es dem Bund auch möglich macht, dauerhaft und auch institutionell natürlich immer auf der Basis von Vereinbarungen. Und die Grundkompetenz für die Hochschulen, die bleibt bei den Ländern.
Kassel: Aber das würde immer noch bedeuten, Sie geben das Geld, und die Länder bestimmen, was damit geschieht.
Wanka: Nein, nein, wenn wir Bund-Länder-Vereinbarungen machen, dann beschreiben wir das - zum Beispiel beim Professorinnenprogramm. Da ist ganz klar geregelt, wofür das Geld eingesetzt werden kann. Und Bund-Länder-Vereinbarungen, die sind notwendig, weil eben die Grundkompetenz bei den Ländern liegt.
Kassel: In welche Richtung werden Sie dann gehen wollen, Frau Wanka, in die, in die viele andere Länder gehen – Großbritannien ist ein extremes Beispiel –, nur noch Naturwissenschaften fördern, nebenher vielleicht noch Jura und Wirtschaftswissenschaften, aber alle anderen Fächer nicht mehr?
Wanka: Nein, wir haben ja beim Hochschulpakt nicht einzelne Fächer herausgegriffen, sondern es prinzipiell für alle Fächer möglich gemacht, dass an jeder Hochschule Geld dafür vom Bund zur Verfügung gestellt wird zum Ausbau und Aufwuchs. Und wir haben auch – da war Annette Schavan sehr wichtig –, dass gerade die Geisteswissenschaften mit Programmen gestärkt werden, und das wird auch weiterhin, und das sieht man auch bei uns in den Koalitionsvereinbarungen, unbedingt ein Schwerpunkt sein. Wir brauchen die Naturwissenschaften, wir brauchen aber genauso die Geisteswissenschaften.
Kassel: Ihr Bildungshaushalt steigt in diesem Jahr um 224 Millionen Euro an, das sind dann insgesamt ungefähr 14 Milliarden. Hört sich viel an, aber Sie können natürlich nicht alles nur in die Unis stopfen. Es gibt 16 Bundesländer – ist das nicht im Grunde genommen wieder zu wenig Geld?
Wanka: Nein. Also es kann immer mehr sein, es kann immer mehr sein, aber dieses Ressort, was ich jetzt mitverantworte, die Ausgaben sind 2005, die sind um 60 Prozent - fast noch mehr - gestiegen, und sie werden auch in dieser Legislaturperiode erheblich ansteigen, erheblich ansteigen in den nächsten Jahren. Und das ist auch spürbar, und das wird auch an allen Hochschulen so gesehen, dass Milliarden neu ins System gekommen sind, was vorher überhaupt nicht denkbar war.
Studenten sitzen am Campus Koblenz der Universität Koblenz-Landau im großen Hörsaal.
Studenten in einem Hörsaal© dpa / picture alliance / Thomas Frey
Trotz mehr Geld weiterhin volle Hörsäle
Kassel: Aber wenn Sie davon reden, 60 Prozent im Jahr 2005, die Situation jetzt, die Wirkung scheint doch langsam zu sein. Was hat eine Studentin, die heute einen vollen Hörsaal hat, davon, wenn sie uns beide jetzt hört und weiß, in sechs, sieben Jahren ist es vielleicht besser?
Wanka: Nein, die Studentin hat jetzt schon viel davon, weil das Geld für jeden Studierenden, der mehr eingestellt wird, vom Bund zur Hälfte kommt. Und wir zum Beispiel Geld ohne Kofinanzierung der Länder geben – zwei Milliarden für Qualitätsverbesserung in der Lehre –, und das ist ja etwas, was die Studenten direkt betrifft.
Kassel: Aber wieso scheint es nicht zu funktionieren. Wir hören eigentlich seit Jahren das Gleiche: volle Hörsäle, die Bibliothek ist zu, die Technik reicht nicht aus, die Professoren haben gar keine Zeit. Sind die Studenten zu anspruchsvoll oder funktioniert doch irgendwas nicht?
Wanka: Nein, das, was Sie jetzt als Beschwerde sagen, ist nicht die generelle Haltung der letzten Jahre, das können Sie wirklich nicht so sagen. Vielleicht ist es ein bisschen zentriert auf Berlin, auf das, was man dort hört …
Kassel: Das, was ich jetzt gerade meinte, weiß ich von einer Freundin von mir, die ist Professorin in Freiburg.
Wanka: Okay. Aber gerade in Baden-Württemberg ist ja die Hochschulsituation mit dem, was dort geleistet wird, sehr gut. Also, wir haben etwas geschafft, was man sich vorher nicht vorstellen konnte, dass wir jetzt ungefähr 30 Prozent mehr junge Menschen haben, die Jahr für Jahr in die Hochschulen kommen, die Studienanfängerzahlen, und das trotzdem mit einer gleichbleibenden Betreuungsrelation. Das heißt, es ist nicht verschlechtert worden, das heißt nicht mehr Studenten und gleichbleibende Zahl von Professoren, sondern diese Relation ist zum Beispiel unverändert, und das ist eine große, gemeinsame Anstrengung von Bund und Ländern.
Kassel: Aber wenn vorher schon die Hörsäle voll waren und jetzt sind es mehr Studenten als vorher und die Betreuungsrelation hat sich nicht verändert, ist es ja eigentlich genauso schlimm wie vorher.
Wanka: Nein, da implizieren Sie, dass es schlimm ist. Das können Sie überhaupt nicht so sagen, und Sie müssen auch differenzieren zwischen Fächern. Wir haben in manchen Fächern Betreuungsrelationen, die so ideal sind, mit wenig Studenten, viel Betreuung. Man kann also nicht pauschal sagen, die Betreuungsrelation ist schlecht, das kann man überhaupt nicht sagen.
Stärkung der dualen Ausbildung als Schwerpunkt
Kassel: Frau Wanka, zum Schluss: Sie sind ja Bundesbildungsministerin, nicht Bundeshochschulministerin, und es gab vor einigen Monaten – Sie werden sich auch noch erinnern – so eine Diskussion, die irgendwie nicht so lange gedauert hat, so ist das manchmal in den Medien, zu der Frage: Muss denn wirklich absolut jeder, der in Deutschland eine Chance haben soll, studieren? Da wurde viel über die außeruniversitäre Bildung geredet. Müssen wir wirklich ein bisschen aufpassen, die nicht zu vergessen?
Wanka: Was meinen Sie jetzt mit außeruniversitärer Bildung? Ach, Sie meinen jetzt duale Ausbildung.
Kassel: Duale Ausbildung, drücken wir es einfach aus.
Wanka: Weil außeruniversitär ist bei mir immer sofort Max Planck und andere.
Kassel: Da gehen wir in die falsche Richtung. Machen wir es noch mal direkter: Ich brauche ja nicht unbedingt in Zukunft einen Klempner, der was studiert hat.
Wanka: Ja, ganz klar, da sind wir völlig einer Meinung. Aber, es ist so, dass wir natürlich jeden, der jetzt studieren möchte und ein Studium erfolgreich bewältigen kann, die Möglichkeit geben, und das müssen wir auch, weil wir haben einen radikalen Rückgang der Studierendenzahlen oder jungen Leute, die überhaupt zur Ausbildung oder Studium zur Verfügung stehen, ab 2023. Und das heißt, wir müssen jetzt die Lehrer, die Ärzte, die Architekten, die Ingenieure für die 30er-, 40er-, 50er-Jahre dieses Jahrhunderts ausbilden, und da reichen nicht mal die, die wir in Deutschland haben. Aber wir müssen auch die duale Ausbildung stärken und verhindern, dass viele in die akademische Ausbildung drängen und abbrechen, weil sie es gar nicht schaffen können. Wir brauchen dort individuelle Beratung und eine Stärkung der dualen Ausbildung, und das ist für mich ein absoluter Schwerpunkt in dieser Legislaturperiode.
Kassel: Die Bundesministerin für Forschung und Bildung, Johanna Wanka, im Gespräch im Deutschlandradio Kultur. Frau Wanka, ich danke Ihnen sehr!
Wanka: Gerne. Wiederhören!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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