Hobby-Buddler unter Tage

Von Carolin Hoffrogge · 26.10.2013
Über steile Eisenleitern geht es in die nass-kalteTiefe. Jedes Wochenende trifft sich in St. Andreasberg im Harz eine Truppe von Hobby-Bergleuten, um Schlamm und Geröll aus alten Stollen zu räumen. Sie wollen das Erbe der Harzer Bergleute retten.
"Ah, Glück auf. Gut das du da bist."

Die Lampenstube, ein altes Blockhaus mit niedriger Decke ist vollgerümpelt mit historischen Lampen, mit Bergmannshelmen, mit dicken Tauen und einem knarzigen Holztisch. In der Ecke knackt das Feuer in einem schmiedeeisernen Ofen. Hier treffen sich die Freizeit-Buddler um Markus Liebermann.

"Ich bin nicht klassischer Hauer, aber ich habe einen Diplomstudiengang Bergbau hinter mich gebracht. Hatte während der Zeit versucht, ein Hobby zu finden. Dann bin ich hierhergekommen. Man kann sich hier körperlich austoben. Spaß dabei haben und was Sinnvolles machen."

Markus Liebermann lässt eine Kette von der Decke. Daran hängt seine Arbeitsjacke und Hose, eigentlich waren die mal - wie im Bergbau üblich - weiß, jetzt sind sie dunkelbraun, vor Dreck.

Über Jahrzehnte, zum Teil auch Jahrhunderte sind die alten Bergwerke wieder zugeschüttet worden - durch Erdrutsche, aber auch von Menschenhand. Mit ihrer Arbeit machen die Hobbybuddler diese wieder zugänglich. Ihr Ziel heute: eine lange Metallstange, den sogenannten Luftharken in die Tiefe zu bringen. Damit wollen sie den bisher ausgebuddelten Schacht stützen. Aus alter Tradition haben alle Schächte einen Namen, dieser heißt Hirsch.

"Wir müssten noch den Luftharken auf den Hirschen bringen. Also runter im Absinken drei und Absinken vier. Das müsste mit Kletterzeug gemacht werden. Da haben wir zwar die Winde, aber die ist zu schnell. Das sind gute 80 Kilo."

Absinken drei? Absinken vier? Die Männer gehen derart in ihrem Hobby auf, dass sie sich nur noch in bergmännischer Sprache unterhalten. Es geht immer um den Kopf und den Fuß des Schachtes, in den sie gleich hinuntersteigen.

Woltermann: "Wie sieht das Ding aus? Nehme ich einen Schlup?"
Liebermann: "Nimm ein Seil mit, 50 Meter, schön lang. Wie immer drauf achten, keiner steht unter der Last."

Marco Woltermann hört dem Plan mit einem breiten Lächeln zu. Seine Nickelbrille rutscht dem 35-Jährigen immer wieder über die Nasenwurzel.

"Es ist quasi eine Sucht. In die tiefen Löcher zu steigen wie die alten Bergmänner unter Tage zu arbeiten."

Seit 20 Jahren schon kommt Marco regelmäßig nach St. Andreasberg in seinem knallblauen Trabi aus Göttingen angefahren: "Ich bin nicht Bergmann, zur Zeit bin ich Lagerist. Eigentlich komme ich zu dieser Gruppe durch die Höhlenforschung."

"- "Einmal Drücken ist Fernlicht, zweimal Drücken ist Aus."
- "So, dann nehmen wir noch mal lange Seile mit.""

Direkt neben der Hütte ist der Eingang in den Stollen. Umgezogen, mit Helm, Lampen und Sicherheitsseilen ausgerüstet, gehen die Männer endlich in den Berg ein. Einer nach dem anderen, denn der Einstieg in den Schacht ist schmal. Die Luft ist nass und acht Grad kalt. Dieses Klima müssen sie die nächsten vier Stunden aushalten. Der Weg in den Berg ist mühsam. Über steile Eisenleitern geht es in die Tiefe.

Nach einigen Minuten sind sie schon in 30 Metern Tiefe. Am Ende des Schachtes kommen die Freizeit-Bergmänner in einer sogenannten Radstube an, eine riesige Höhle, in die früher ein Wasserrad aus Eichenholz eingebaut war. Durch das schummrige Licht der Kopflampen wirkt die Radstube wie eine gotische Kathedrale. Mit ihren bloßen Händen haben Markus Liebermann und seine Mithelfer die Radstube wieder freigelegt.

"Als wir das aufgemacht haben, haben wir da vorne im Dreck gestanden, im Dreck gewühlt. Und dann kommt ein ganz kleines Loch zum Vorschein und mit der Kratze noch zweimal ziehen und dann wupp, ist die Strecke da. Und dann kann man 50, 60 Meter rein und ist froh."

Euphorie und Entdeckergeist ist Markus Liebermann bei jedem seiner Wort anzumerken. Er kommt aus einer Familie von Bergmännern und erzählt begeistert, wie seine Vorfahren das alles ohne jegliche Hilfsmittel geschaffen haben.

"Ohne dass sie viel Technik eingesetzt haben, ohne dass sie sich bis an ihre Grenzen gebracht haben, hätten die das früher nicht hingekriegt. Mit welcher Präzision und welchem Langmut die damals daran gegangen sind und gesagt haben, okay, dann dauert es mal zehn Jahre."

Während seine Kollegen mit der Eisenstange noch tiefer in den Berg hineingehen, gräbt Jörg Bertram in einem Nachbarstollen kiloweise Geröll weg. Durchgeschwitzt und dreckverschmiert blitzen seine hellen Augen unter dem roten Helm hervor.

"Etwas weiter hinten in den Berg hinein gibt es einen weiteren Abbau, den haben wir uns in den letzten Wochen und Monaten hochgearbeitet. Hier haben wir eine Keilhaue, Eimer, Wasser, Metall zum Ausbau. Leitplanken, alles was man so braucht. Wir haben uns in einen alten Abbau abgeseilt und geguckt, was ist da noch möglich."

Jedes Wochenende reist der 50-jährige Bertram extra aus Essen an, nicht nur zum Graben. Die Hobby-Buddler machen auch Führungen durch ihre Stollen, damit das Erbe der Harzer Bergleute erhalten bleibt.

"Wir waren bis jetzt sehr erfolgreich. Da sind Hohlräume im Berg, die gar nicht bekannt sind. Das ist spannend, wir wissen gar nicht, was uns erwartet. Wenn man sieht, was wir uns erschlossen haben, dann kann man das Wochenende wo man einfährt gar nicht abwarten."