Hitlers Kunstdieben auf der Spur

11.07.2013
Ihr soldatischer Auftrag war speziell: Die Monuments Men sollten die von den Nazis geraubten Kunstwerke suchen und wiederfinden. In diesem Buch erfährt man mehr über die wenig bekannte Sondereinheit der Amerikaner und Engländer, die mit den Alliierten 1944 in der Normandie landete.
Ronald Balfour war zu spät gekommen. Acht Tage bevor er im September 1944 mit seiner Einheit Brügge erreichte, hatten deutsche Soldaten das wichtigste Kunstwerk der Stadt geraubt. Eingewickelt in Matratzen war Michelangelos Madonna auf einem Lastwagen des Roten Kreuzes abtransportiert worden. Dem englischen Major blieb nur, den Verlust zu dokumentieren.

Wenig anders erging es Walker Hancock. Der Hauptmann der US-amerikanischen Streitkräfte konnte im Oktober 1944 im schwer beschädigten Aachener Dom nur noch das Fehlen der Kunstschätze notieren.

Ronald Balfour und Walker Hancock waren Mitglieder der von den US-Amerikanern und Engländern gegründeten Sondereinheit "Monuments, Fine Arts and Archives" (MFAA). Diese war seit Ende 1943 für den Schutz von Kulturgütern und die Wiederauffindung von gestohlenen sowie versteckten Kunstobjekten verantwortlich. Wenig ist bisher über die so genannten Monuments Men berichtet worden. Robert M. Edsel widmet ihnen nun ein über 500 Seiten starkes Buch.

Komponiert aus Briefen, Feldtagebüchern, Kriegsberichten und Memoiren konzentriert der Autor seine Erzählung auf ein knappes Dutzend Monuments Men, die mit den Alliierten 1944 in der Normandie landeten und mit den kämpfenden Truppen parallel zu deren Eroberung schließlich bis nach Deutschland vorrückten. Die Suche seiner Helden nach den von den Nazis aus Paris geraubten Kulturgütern und nach einzelnen Kunstwerken wie beispielsweise der Brügger Madonna oder dem Genter Altar bildet schließlich die Haupt-Handlungsstränge.

Edsel schildert minutiös die detektivische Kleinstarbeit der Monuments Men. So gelang es etwa James J. Rorimer das Vertrauen von Rose Valland zu gewinnen. Die Mitarbeiterin des Museums Jeu de Paume hatte jahrelang den Nazi-Kunstraub in Paris heimlich dokumentiert und war eine wichtige Quelle. Zum Teil ist es auch ihr zu verdanken, dass die MFAA neben vielen anderen Orten Schloss Neuschwanstein und das Bergwerk Altaussee als Groß-Verstecke von Nazi-Raubkunst identifizieren und Tausende von Kunstwerken bergen konnte.

So eindringlich viele Szenen beschrieben werden, das Buch hat neben der schlampigen Übersetzung doch einige Schwächen: Orte und Handelnde etwa wechseln derart schnell, dass der Leser den Überblick verliert. Und der Tonfall ist gewöhnungsbedürftig, erinnert er doch sehr an den Jargon typisch amerikanischer Kriegshelden-Epen.

Schwerer allerdings wiegt die mangelnde Berücksichtigung aktueller Quellen. Wie man seit 2004 weiß, waren wesentlich weniger Gemälde für das Führermuseum in Linz gedacht, als lange geglaubt. Edsel jedoch wiederholt die alte Legende. Zudem unterbewertet er die Rolle der österreichischen Bergarbeiter bei der Bergung in Altaussee und die Mitarbeit auch nicht-amerikanischer Tippgeber an der Wiederauffindung von Raubkunst.

So hinterlässt das Buch einen zwiespältigen Eindruck: Es thematisiert endlich eines der spannendsten und bisher nur wenig erzählten Kapitel des Zweiten Weltkriegs, wird diesem aber nur in Teilen gerecht.

Besprochen von Eva Hepper

Robert M. Edsel, Bret Witter: Monuments Men - Die Jagd nach Hitlers Raubkunst
Aus dem Amerikanischen von Hans Freundl
Residenz Verlag, Wien 2013
560 Seiten, 29,90 Euro