Hitler-Biografie

Ein Diktator, der sich bis ins Detail einmischte

Adolf Hitler während einer Rede (undatierte Aufnahme)
Adolf Hitler während einer Rede © picture-alliance / dpa
Peter Longerich im Gespräch mit Maike Albath · 14.11.2015
Der renommierte deutsche Zeithistoriker Peter Longerich hat eine Hitler-Biografie geschrieben. Darin zeichnet er an vielen Stellen ein vom Mainstream der Forschung abweichendes Bild: über den gescheiterten Künstler und späteren Diktator Adolf Hitler.
Noch ein Buch über Adolf Hitler und die NS-Zeit? Selbstbewusst macht Peter Longerich bereits in der Einleitung seines über 1000 Seiten starken Werks mit dem schlichten Titel "Hitler" deutlich, dass es für den interessierten Leser noch immer viel Neues zu entdecken gibt:
"Entgegen einer weit verbreiteten Ansicht ist der Nationalsozialismus heute keineswegs vollständig oder auch nur annähernd vollständig erforscht."
Longerich hält Wort: So zeigt der Historiker, dass Hitler nicht bereits in den Zehnerjahren des 20. Jahrhunderts zu einem fanatischen Antisemiten wurde – eine Annahme, die bislang als gesichert galt, damit aber eher der Selbstinszenierung Hitlers in "Mein Kampf" gefolgt sei als der historischen Wahrheit.
Der radikale Judenhass Hitlers sei erst nach 1918 zu Tage getreten, unter dem Einfluss rechter Kreise in München. Und erst zu dieser Zeit sei er von einem "Niemand", von einer "völlig unbedeutenden Figur" (Longerich) allmählich in seine künftige Rolle hineingewachsen.
Hitler plante systematisch seinen Aufstieg
Dann aber habe Hitler seinen weiteren Aufstieg systematisch geplant: 1933 etwa habe er gezielt das Amt des Reichskanzlers angestrebt – und sei nicht von anderen in diese Position gehievt worden, wie es eine weit verbreitete Interpretation der Geschehnisse nahelegt.
Ebenso interessant ist Longerichs Erkenntnis, dass Hitler bei allen Etappen der Judenverfolgung bis hin zum Holocaust nicht allein die ideologisch treibende Kraft war, sondern dass er bis ins Detail die Organisation des millionenfachen Mords kontrollierte und bestimmte.
Hitlers Führungsstil sei ohnehin, viel stärker als bislang vermutet, von permanenten Einmischungen bis hin auf die Ebene des politischen Tagesgeschäfts gekennzeichnet gewesen: Kirchen- und Kulturpolitik, Fragen der Aufrüstung wie der Lebensmittelversorgung der Bevölkerung – er kümmerte sich um dies und das; freilich, seinem Naturell entsprechend, meist sprunghaft und willkürlich.
Cover von Peter Longerichs "Hitler. Biographie"
Cover von Peter Longerichs "Hitler. Biographie"© Siedler-Verlag
Ohne Hitler hätte NS-Staat nicht funktioniert
Hitler nutzte – so Longerich – den selbstgeschaffenen Handlungsspielraum extensiv aus. Der Diktator habe bis zum Ende seiner Schreckensherrschaft die Zügel in keinem relevanten Bereich aus der Hand gegeben. Das Bild des "Führers", der, dem Alltag entrückt, sich nach 1939 im Wesentlichen nur noch mit der Kriegsführung befasste, sei unzutreffend.
Peter Longerich, Jahrgang 1955, gilt als einer der führenden deutschen Zeithistoriker. Zunächst machte er sich einen Namen als Holocaust-Forscher, in den letzten Jahren folgten umfängliche Biografien über Himmler und Goebbels – und nun Hitler.
Longerich stellt die Person Adolf Hitlers und ihr Handeln in den Mittelpunkt seines Werks. Eine der Kernthesen des Buchs lautet, ohne Hitler wäre ein funktionstüchtiger NS-Staat gar nicht möglich gewesen, erklärt der Autor gegenüber Deutschlandradio Kultur:

"Die Politik dieser Epoche trägt in sehr vielen Bereichen seine Handschrift und seinen unverwechselbaren Stil. Das ist eine Person, die nicht ohne weiteres auswechselbar war."

Peter Longerich: Hitler. Biographie
Siedler-Verlag, München 2015
1296 Seiten, 39,99 Euro, auch als ebook

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