Hirnforschung

Schluss mit den Neuro-Mythen!

Das Modell eines menschlichen Gehirns
Henning Beck konfrontiert Neuro-Mythen mit Witz und Wahrheit. © dpa / picture alliance / Weigel
Von Vanja Budde · 08.09.2014
Um unser Gehirn ranken sich jede Menge pseudowissenschaftliche Mythen. Der junge Neurobiologe Henning Beck will mit dem Unsinn aufräumen - als Science Slammer auf der Bühne und jetzt auch in einem unterhaltsamen Sachbuch.
Henning Beck als Science Slammer: 2012 wurde er deutscher Meister in der Kunst, bei wissenschaftlichen Vortragswettbewerben seinen Forschungsschwerpunkt in nur zehn Minuten zu erklären. Schlank und mit dem Headset auf modischer Kurzhaar-Frisur, in Jeans und Turnschuhen, mit weißem T-Shirt unter blauem Hemd, kommt Beck beim Publikum gut an mit seinem Vortrag über die immense Bedeutung der Nervenzellen für die Informationsverarbeitung im Gehirn.
Der Sachbuch-Markt ist mit Neuro-Abhandlungen überschwemmt, das Thema liegt im Trend. Wozu also noch ein Werk über den Sitz unserer grauen Zellen? Henning Beck versteht sich als modernen Aufklärer.
"Gerade in der jetzigen Zeit wird sehr viel einfach über das Gehirn erst mal behauptet und das mündet dann zum Teil in eine richtige Pseudowissenschaft, wenn es Richtung Spiegelneurone oder Glückshormone geht. Ich denke, da muss man einfach mal aufräumen, um dann wieder den Weg für die Wirklichkeit des Gehirns freizumachen. Denn man hat es eigentlich gar nicht nötig, irgendwelchen Quatsch über das Gehirn zu erzählen. Das Gehirn ist an sich so faszinierend, das muss man nicht mit irgendwelchen Legenden noch aufhübschen."
Das letzte große Rätsel unserer Biologie
Henning Beck wurde 1983 an der südhessischen Bergstraße geboren, wo er immer noch fleißig Rennrad fährt. Sein Vater arbeitete in der Chemieindustrie, Henning hatte in der Schule Biologie und Chemie als Leistungskurs. Da lag es nahe, in Tübingen und Ulm Biochemie zu studieren.
"Das Gehirn ist von allen Organen eigentlich das einzige, was wir noch nicht in der ganzen Komplexität verstehen können. Alle anderen Organe kann man entweder ersetzen oder künstlich mit Maschinen nachbilden. Aber beim Gehirn haben wir keine konkrete Ahnung, wie diese ganzen Vorgänge tatsächlich ablaufen. Es ist tatsächlich das letzte große Rätsel unserer eigenen Biologie. Das ist das, was mich an diesem Thema so begeistert."
Wie in seinen Slams so setzt Beck auch in seinem Buch "Hirnrissig" auf Entertainment, um dem Leser klar zu machen, dass das Gehirn viel komplexer aufgebaut ist, als Neuromythen uns glauben machen wollen. "Hirnrissig" liest sich flott, man schmunzelt, lacht manchmal laut, staunt ehrfürchtig über das Wunderwerk Gehirn, das anders als ein Computer nie veraltet und immer weiter dazulernt. Und fragt sich doch: Muss denn immer alles Entertainment sein? Populärwissenschaftliche Sachbücher können auch ohne Witzchen faszinieren. Doch unterhaltsam dargebrachte Inhalte bleiben besser hängen, meint Neurowissenschaftler Beck.
"Das Gehirn möchte nichts lieber, als erfreut werden. Das Gehirn hat tatsächlich Mechanismen entwickelt, um Spaß an Neuem zu haben. Der Sinn des Glücks oder der Freude ist tatsächlich, dass man Neues besonders schnell lernt, das ist sozusagen so ein Turbo, eine Beschleunigung, um Neues besonders effektiv abzuspeichern. Und Humor, Spaß und Freude sind ein sehr effizienter Weg, um neue Informationen auch dauerhaft zu behalten. Wenn Sachen Spaß machen, dann lernt man die umso lieber."
Das Gehirn hat Spaß an Neuem
Die Hirnforschung sei viel zu schön, um auf die Wissenschaft beschränkt zu bleiben, meint Henning Beck. 2012 promovierte er mit einer Arbeit über die Biologie der Nervenzellen. Um anschließend nach Kalifornien zu gehen: Beck beriet Start-Up-Firmen, wie sie vom Meister der Kreativität lernen können: dem Gehirn, das seit Jahrmillionen dröge Sach-Informationen zu innovativen Ideen verknüpft.
"Da ging es mir darum, wieder eine Grenzfläche auszuloten, zu schauen, was andere Disziplinen von der Hirnforschung lernen können, wo Wirtschaft von der Neurobiologie profitieren kann – oder auch umgekehrt. Und es macht unheimlich viel Spaß, als Wissenschaftler mal in einer fachfremden Umgebung zu sein, um von anderen Kompetenzen zu profitieren."
Obwohl er auch Vorträge für Abendveranstaltungen, Messen oder Firmenevents anbietet, sieht Beck sich in erster Linie als Wissenschaftler. Er biete "die perfekte Symbiose aus Entertainment und Wissenschaft", heißt es auf seiner Website. An Selbstbewusstsein mangelt es Henning Beck jedenfalls nicht.

Henning Beck: Hirnrissig
Die 20,5 größten Neuromythen – und wie unser Gehirn wirklich tickt
Hanser Verlag, München, erscheint 25. August 2014
272 Seiten, 16,90 Euro

Mehr zum Thema