Hightech für Senioren

Von Philip Banse · 17.12.2007
Wenn Senioren noch im hohen Alter in der eigenen Wohnung leben, ist es für sie schwer, in Notfällen rechtzeitig Hilfe zu bekommen. Die "Soziale Personenbetreuung - Hilfe im Alltag" (SOPHIA) bietet älteren Menschen ein Hightech-Sicherheitspaket mit Hausnotrufanlage, Bildkommunikation und einem Armband mit Notrufalarm.
"Soll ich noch mal drücken?"

"Ja, machen sie mal. Das ist immer der Vorführeffekt. Hauptsache es klappt, wenn sie mal da liegen."

Ilse Pastusiak, 87, steht im Flur ihrer Zweizimmer-Wohnung und schaut auf ihr Armband: Eine klobige Digitaluhr mit einem großen, grauen Knopf, der Alarmknopf. Wenn sie den drückt, egal ob im Flur, im Bett oder im Wohnzimmer, ruft ein kleiner Kasten neben dem Telefon die Notrufzentrale an. Aus Lautsprechern in der ganzen Wohnung meldet sich dann eine Dame und fragt nach dem Rechten. Mikrofone übertragen Ilse Pastusiaks Antworten. Normalerweise soll sich die Zentrale spätestens nach 90 Sekunden melden, doch jetzt schnarren die Lautsprecher erst nach drei Minuten.

"Guten Tag, Frau Pastusiak, hier ist die Hausnotrufzentrale. Was kann ich für sie tun?"

"Es ist nur eine Probe, ich habe jemanden vom Rundfunk hier, und die überprüfen, wie das hier alles geht."

"Verstanden, Frau Pastusiak, dann schalte ich wieder ab und wünsche noch einen schönen Tag."

Die Rentnerin Ilse Pastusiak ist Kundin bei SOPHIA, einer Firma, die alten Menschen ermöglichen will, so lange zu Hause zu wohnen, wie möglich. Schlichte Notrufdienste sind bei vielen Anbietern zu haben. SOPHIA allerdings bietet mehr als eine Telefonnummer: Seit Jahren forschen Wissenschaftler an Senioren-Assistenzsystemen. Die sollen mit viel Hightech das Leben älterer Menschen überwachen, analysieren und sicherer machen: Kaffeebecher, die melden, wie viel getrunken wurde; Teppiche, die Laufwege und Schrittlänge überwachen; Gehstöcke, die Stürze melden. Diese Systeme sind jedoch sehr teuer und bisher nur auf Messen zu bewundern. Oma allein zu Haus, Hightech sei Dank: SOPHIA bringt diese Idee erstmals ab 30 Euro pro Monat in die Wohnzimmer.
"Es ist ganz leicht. Ich drücke einfach auf den Knopf, das geht auch beim Lidl."

Die Uhr am Handgelenk der Rentnerin Ilse Pastusiak birgt nicht nur den Alarmknopf, erklärt Melanie Rosliwek-Hollering, Geschäftsführerin von Sophia. Auf der Unterseite der Uhr misst ein Sensor jede noch so feine Bewegung von Ilse Pastusiaks Hand.

Es misst keinen Blutdruck, keinen Herzschlag, sondern wirklich die Aktivität. Mikro- und Makrobewegungen, also auch ein kleines Knacken eines Knöchels, das wird als Bewegung erkannt. Und das zeigt an, dass Frau Pastusiak aktiv ist, dass sie durch die Wohnung läuft.

Aus der Hand wird die allgemeine Aktivität abgeleitet. Diese Aktivitätskurven der Rentnerin werden einmal am Tag per Telefonleitung in die SOPHIA-Zentrale übertragen: ein Büro im Ost-Berliner Plattenbaubezirk Marzahn. Auf ihrem Bildschirm kann sich Melanie Rosliwek-Hollering die Aktivitätskurven aller Teilnehmer anzeigen lassen.

"Die Dame schläft nachts relativ schlecht. Ich weiß auch, woran es liegt. Ich muss mir da jetzt keine Sorgen machen. Ich würde mir Sorgen machen, wenn ich solche Kurven sehen würde und nicht wüsste, woran es liegt."

Bewegt sich mal gar nichts mehr, kann das Armband auch von sich aus einen Notruf auslösen. Weil der Sensor aber nur die Bewegungen der Hand erfasst, kommt es auch zu Fehlalarmen:

"Wir hatten mal eine Teilnehmerin, die hatte einen Verschlechterungsalarm, weil sie anderthalb Stunden in starrer Pose mit ihrer Freundin telefoniert hat und ihre Hand einfach dann gar nicht mehr bewegt hat. Sie konnte es auch kaum glauben!"

Zwischen 17 und 50 Euro kosten die SOPHIA-Dienste im Monat. Mit der Luxus-Variante können Senioren ihre Helfer, Enkel und Kinder beim Telefonieren auch auf dem Fernsehbildschirm sehen. Unter dem Fernseher stehen ein abgespeckter Rechner, zwei Lautsprecher und ein Richtmikrofon. Voraussetzung für die Video-Telefonie ist ein schneller Internet-Anschluss.

"Zu bedienen ist das mit einer Senioren-Fernbedienung. Sie haben hier große Knöpfe, die Symbole auf dem Fernseher sind ebenfalls sehr groß. Und dann haben sie hier ein Adressbuch, um ihre Lieben anzurufen."

SOPHIA bietet seine Dienste seit knapp fünf Jahren an. Rund 900 Senioren machen mit, in Bayern, dem Ruhrgebiet und der Region Berlin-Brandenburg. Bisher galt das Angebot nur für Mieter bestimmter Wohnungsunternehmen. Demnächst soll SOPHIA jeder buchen können, gegen Aufpreis. Viele Senioren sind jedoch skeptisch. Einige fühlen sich überwacht, andere überfordert von der Technik. Manche wollen auch schlicht nicht einsehen, dass sie Hilfe brauchen. Gefährlicher Leichtsinn, sagt die Berliner Rentnerin Ilse Pastusiak:

"Ich sage es noch einmal: Ich möchte es nicht mehr missen, solange ich lebe."