Hieronymus Bosch

Meister der visualisierten Ängste

Das Triptychon "Die Versuchung des Sankt Antonius" von Hieronymus Bosch (1450-1516)
Das Triptychon "Die Versuchung des Sankt Antonius" von Hieronymus Bosch (1450-1516) © imago/UIG
Von Anette Schneider · 09.08.2016
Der Maler Hieronymus Bosch erfand einzigartige, unheimliche Bildwelten, die er mit grotesken und albtraumhaften Figuren füllte. Mit seinem schaurig-fantastischen Werk prägte er die Kunst des 16. Jahrhunderts. Heute vor 500 Jahren wurde der berühmte niederländische Künstler zu Grabe getragen.
Ein auf Beinen laufendes Messer. Mischwesen aus Fischen und Vögeln. Ein Paar Ohren, aus denen ein riesiger Dolch ragt.
Hieronymus Boschs Höllendarstellungen, seine albtraumhaften Ungeheuer, die Menschen zerschneiden, über offenem Feuer braten oder in großen Kesseln kochen beunruhigen bis heute.
"Sie sind aus den kuriosesten Gegenständen, und Teilen von Tieren, Menschen und was immer, zusammengesetzt. Aber all das, was sie machen, die Pfeile, die sie haben, die Messer, die Bohrer, die Dornen, die Haken, all das sieht so aus, als könnte es funktionieren."
Über Hieronymus Bosch selbst ist kaum etwas bekannt: Geboren wurde er zwischen 1450 und 1455 in der reichen, niederländischen Handelsstadt 's-Hertogenbosch. Wie seine Vorfahren wurde er Maler und schuf Heiligenbilder und Altäre für die Kirchen der Stadt.

Die sehr präsente Angst vor der Hölle

1480 heiratete er eine wohlhabende Patriziertochter. Fünf Jahre später wurde er in die Liebfrauenbruderschaft aufgenommen, in der die einflussreichsten Männer und Frauen der Stadt saßen. Von ihnen erhielt er zahlreiche Aufträge. Und bald entstanden seine völlig neuen, unheimlichen Bildwelten, die ihn schnell berühmt und reich machten.
"Die Menschen des Mittelalters lebten in einer ganz konkreten und sehr, sehr stark empfundenen Angst vor der Hölle. Das war für sie eine Gewissheit, dass es die Hölle gibt. Und das, was Bosch gemalt hat in seinen Höllendarstellungen, ist die Aktualisierung, die Zuspitzung all dieser Ängste. Er hat dem, was gepredigt wurde und dem, was die Menschen fühlten und fürchteten, Gestalt verliehen."
"Die sieben Todsünden" von Hieronymus Bosch
"Die sieben Todsünden" von Hieronymus Bosch© dpa / pa / Moya
Bosch erlebte den Übergang vom Mittelalter zur frühen Neuzeit. Von der angeblichen Allmacht der Kirche zur Herausbildung einer fortschrittlichen, frühbürgerlichen Klasse, die eben diese Allmacht und deren Missbrauch kritisierte. In ganz Europa ließ die katholische Inquisition im Namen des christlichen Glaubens humanistische Ideen verfolgen und Ketzer auf Scheiterhaufen verbrennen.
Auf Bildern wie "Das Jüngste Gericht", "Die Versuchung des Heiligen Antonius" oder "Der Garten der Lüste" kann man immer wieder brennende Städte entdecken, Menschen, die an Galgen hängen oder auf Räder geflochten wurden. 1937 schrieb der große Bosch-Forscher Charles de Tolnay:
"Seine Bilder wenden sich unmittelbar an das Denken und helfen dem Betrachter, sich ein selbstständiges Urteil über den Menschen und die Wirklichkeit der Dinge zu bilden. Mit ihm verlässt die Kunst die Bevormundung der Kirche."

Bosch führt menschliche Habgier vor

Zumal die reichen Patrizier ihre eigene Kunst verlangten. Eine Kunst, die ihre Werte spiegelt. Damit brach der Alltag ein in die Malerei. Es entstanden moralisierende Erziehungsbilder und Satiren. In seinem "Narrenschiff" versammelt Bosch zum Beispiel entfesselt saufende und übereinander herfallende Männer und Frauen in einem Boot. Die ganze verderbte Menschheit - inklusive eines Mönchs -, die sich um die wahren Werte nicht kümmert, treibt ausgelassen dem Abgrund entgegen.
Mit solchen Bildern prägte Bosch die Kunst nachfolgender Generationen, so Michael Philipp.
"Es gibt die Sucht nach Geld, das Gewinnstreben, den Eigennutz, der karikiert wird. Die als Todsünden bezeichneten Laster Völlerei und Geiz - all das, was das tägliche Leben auch heute noch vielfach bestimmt. Das hat es im 16. Jahrhundert auch gegeben."
In seinem wohl berühmtesten Werk - dem Triptychon "Der Heuwagen" - führt Hieronymus Bosch die menschliche Habgier vor: Zentrum des Bildes ist ein riesiger Heuwagen - eine Allegorie für irdischen Besitz. Er wird von einigen teuflischen Mischwesen gezogen.
Während Papst und Kaiser dem Wagen zu Pferde folgen, versuchen Bauern, Bettler, Mönche und Nonnen ihren Anteil am Heu zu ergattern, wobei sie brutal aufeinander einschlagen.
Doch sind Boschs späte Bilder nicht nur düstere Apokalypsen. Stets stellt er ihnen paradiesisch schöne Landschaften gegenüber, fantastische Pflanzen, Liebende. Und so schreibt der zweite berühmte Bosch-Forscher, Wilhelm Fraenger, über den am 9. August 1516 verstorbenen Maler:
"Bosch hat das Böse in Warnungsbildern als Gegenwelt der gottgewollten Ordnung demonstriert. Sie sind das negative Zerrbild seines grundpositiven Ideals einer schon hier auf Erden möglichen Vollkommenheit des Menschen!"
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