Herrmann: NPD-Verbot darf nicht noch einmal scheitern

Joachim Herrmann im Gespräch mit Ute Welty · 08.12.2011
Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann ist der Meinung, dass es genügend Gründe für ein neues Verbotsverfahren gegen die NPD gibt. Ein erneutes Scheitern könne man sich aber nicht leisten, und: ein Parteiverbot verhindert keine rechtsradikalen Straftaten, sagte der CSU-Politiker.
Ute Welty: Der Weg ist noch weit, aber ein erster Schritt soll heute getan werden: Die Innenminister der Länder werden wohl auf ihrer Konferenz beschließen. Ein zweites NPD-Verbotsverfahren anzuschieben. Ein erstes war 2003 vor dem Bundesverfassungsgericht gescheitert – zu viele bezahlte Informanten der Behörden saßen in Führungspositionen der NPD. Der erneute Anlauf scheint vielen Politikern nach Bekanntwerden des mutmaßlichen Serienmordes der rechtsradikalen Zwickauer Zelle mehr als opportun. Wie weit die Vorgespräche gediehen sind, das können wir jetzt einen fragen, der heute und morgen bei der Innenministerkonferenz in Wiesbaden dabei sein wird, nämlich den bayerischen Innenminister Joachim Herrmann, guten Morgen!

Joachim Herrmann: Guten Morgen!

Welty: Was steht einem solchen Beschluss der Innenminister überhaupt noch im Wege? Kann man überhaupt noch allen Ernstes gegen ein NPD-Verbot sein?

Herrmann: Ich glaube, dass alle – jedenfalls gerade im Kreis der Innenminister – die NPD als verfassungsfeindlich und auch als gefährlich einschätzen, aber es gibt natürlich Kollegen, die aufgrund dieses Scheiterns im Jahr 2003 besonderen Wert darauf legen, und es ist unser gemeinsames Anliegen, wir dürfen nicht noch einmal scheitern. Es muss auf jeden Fall erfolgreich sein, wenn wir ein neues NPD-Verbotsverfahren voranbringen. Ich bin ganz entschieden dafür, dass wir jetzt die Vorbereitungen energisch vorantreiben, dass wir die Grundlagen für ein erfolgreiches Verfahren legen – gestartet werden muss es ja dann durch Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung, aber die Innenminister müssen jetzt gemeinsam alles dafür tun, dass im nächsten Jahr ein solches Verfahren starten kann.

Welty: Bayern gehörte neben Hessen zu den Ländern, die bisher einem Verbot eher kritisch gegenüber gestanden haben. Zählen diese ihre Argumente nichts mehr angesichts des großen öffentlichen Drucks?

Herrmann: Das ist so nicht richtig. Hessen ja, aber Bayern – Ministerpräsident Horst Seehofer und ich – haben schon in den letzten zwei, drei Jahren immer wieder gesagt, wir sind für ein NPD-Verbotsverfahren. Also, an uns hat das nicht gelegen, gleichwohl sage ich jetzt, geht es nicht darum, das noch mal hin und her zu wälzen, sondern wirklich die Argumente entsprechend zusammenzutragen. Da spielen natürlich in der Tat diese grässlichen Taten dieser Thüringer Terrorzelle eine ganz entscheidende Rolle, und zwar auch die konkreten Verbindungen, die es dort zu NPD-Funktionären gibt. Natürlich reicht das nicht alleine aus, aber wir erleben ja bei den verschiedensten Gelegenheiten, dass überall in Deutschland immer wieder auch NPD-Funktionäre in konkrete Gewalttaten zum Beispiel gegenüber Ausländern verwickelt sind, und daran sieht man, dass das eben nicht Einzelfälle sind, sondern dass das gerade typisch ist für diese Partei.

Welty: Eine rechtsradikale Partei zu verbieten ist ja das eine, aber verhindert man damit auch rechtsradikal motivierte Morde?

Herrmann: Nein, das muss man klar erkennen: Allein das Verbotsverfahren bringt nichts. Es ist wichtig übrigens auch, um dieser Partei letztendlich den finanziellen Hahn zuzudrehen, denn im Moment führt natürlich die staatliche Parteienfinanzierung auch dazu, dass die NPD für ihre grässliche Propaganda auch noch ständig Steuermittel bekommt. Das ist völlig absurd, das muss beendet werden. Aber damit sind natürlich nicht automatisch alle Gewalttaten von Neonazis beendet. Das heißt, wir brauchen insgesamt natürlich einen breiten Kampf der gesamten Gesellschaft gegen Neonazis, gegen rechtsextremistisches Gedankengut. Das ist zum Teil eine Aufgabe dann der Sicherheitsbehörden, es muss jeder Straftat mit großer Konsequenz nachgegangen werden, die Leute müssen vor Gericht gestellt werden, aber wir brauchen auch die geistige Auseinandersetzung. Deshalb ist es auch eine Frage der Jugendarbeit, der Präventionsarbeit. Das heißt, es braucht ein breites Spektrum, und es darf in der Tat niemand glauben, dass allein mit einem NPD-Verbotsverfahren wir jetzt dann alles getan hätten.

Welty: Aber dieser Weg ist ein sehr öffentlichkeitswirksamer, wenn auch der ehemalige Verfassungsrichter Papier zu bedenken gibt, es müsse bewiesen werden, dass die NPD in ihrer Gesamtheit die demokratische Grundordnung bekämpft. Wo setzen sie da an, um nicht wieder in eine – wie Papier sagte – unsägliche Falle hineinzulaufen?

Herrmann: Wichtig ist, dass wir es nicht nur an ein oder zwei Fällen festmachen können. Aber es kann sicherlich nicht darum gehen, nun für jedes einzelne NPD-Mitglied deutlich zu machen, dass er hier entsprechend umstürzlerische Ziele hat. Interessant ist, dass der neue Bundesvorsitzende der NPD schon vor einiger Zeit lauthals erklärt hat: Ja, selbstverständlich sind wir eine verfassungsfeindliche Partei. Ich denke, das sollte jedem zu denken geben, und wir müssen jetzt entsprechend die Vielzahl von Erkenntnissen zusammentragen, und zwar nicht solche, die nur von V-Leuten abhängig sind, sondern Dinge, die offenkundig sind, die öffentlich ausgesprochen worden sind, und eben auch diese Gewalttaten, für die einzelne – und zwar nicht nur wenige, sondern eine ganze Reihe von NPD-Mitgliedern – längst von ordentlichen deutschen Gerichten verurteilt worden sind.

Welty: Aber die Sammlung dieses Materials ist doch schon vorangegangen, das füllt doch schon Berge von Aktenordnern.

Herrmann: Das ist richtig, und deshalb, denke ich, kann das jetzt auch zügig vorangebracht werden. Wir müssen jetzt sicherlich nicht noch mal zwei Jahre lang die Dinge sammeln, sondern das, denke ich, muss innerhalb eines halben Jahres jetzt wirklich so abgeschlossen werden können, das ist aus meiner Sicht jedenfalls, muss aus meiner Sicht das Ziel sein, das bis spätestens zum Frühsommer des nächsten Jahres dann auch die Grundlagen dafür vorhanden sind, dass Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung den entsprechenden förmlichen Antrag beim Bundesverfassungsgericht beschließen können.

Welty: Lässt sich überhaupt abschätzen, welche Nebenwirkungen ein solches NPD-Verbot mit sich bringt? Wie wollen Sie zum Beispiel unterbinden, dass andere rechtsradikale Parteien aufgewertet werden durch ein Verbot, dass sie dann an Mitgliedern gewinnen?

Herrmann: Das ist grundsätzlich nicht völlig unmöglich, im Moment haben wir ja die Situation, dass immer noch im Raum steht – es ist bisher nicht richtig völlig vollzogen worden – diese Fusion von NPD und DVU. Gott sei Dank haben wir ja in dem rechtsextremistischen Spektrum nicht beliebig viele andere Parteien. Wir haben andere Organisationen, Vereine, die zum Teil auch in den letzten Jahren auch schon rechtswirksam verboten worden sind. Diese Vereinsverbote haben vor dem Bundesverwaltungsgericht übrigens auch alle Bestand gehabt, das heißt, da waren wir erfolgreich. Die Hürden für ein Parteienverbot sind höher, aber auch das, denke ich, kann man jetzt mit Erfolg angehen.

Welty: Vor der Innenministerkonferenz sprachen wir mit Bayerns Innenminister Joachim Herrmann. Danke dafür!

Herrmann: Ich danke Ihnen auch, einen schönen Tag!

Welty: Gleichfalls!


Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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