Herbert: Starke Leistungsspitze

Moderation: Frank Meyer · 27.11.2007
Der Freiburger Historiker Ulrich Herbert und ehemalige Leiter der Arbeitsgruppe des deutschen Wissenschaftsrates zur Zukunft der Geisteswissenschaften lobte die Präsenz ihrer Leistungen in der Öffentlichkeit wie in kaum einem anderen Land. Er verwies allerdings auf die Verschlechterung der Lehre in den letzten 15 Jahren.
Herbert: Wir haben zwischen 1995 und 2004 knapp 50 Prozent mehr Studierende in den geisteswissenschaftlichen Fächern bei gleichbleibender Zahl der Professoren. Das heißt, die Betreuungsrelation hat sich in diesen doch sehr wenigen Jahren wirklich dramatisch verschlechtert. Und daher rührt auch ein Großteil der Frustration der Kolleginnen und Kollegen in den Universitäten, weil von ihnen einerseits und zu Recht verlangt wird, sie mögen ihre Themen doch bitte mutiger in der Öffentlichkeit vertreten und das, was sie für die Gesellschaft leisteten, auf der anderen Seite aber, ohne dass die Öffentlichkeit das wirklich wahrgenommen hat, in einem Ausmaß mit der Lehre und mit einer Studentenzahl belastet sind, wie es das in dieser Form in keinem anderen entwickelten Industrieland des Westens gibt. Wir hatten etwa noch in den 70er Jahren, als ich studiert habe, knapp 15 Prozent eines Jahrgangs, der an die Universitäten ging. Und von denen ging etwa ein Fünftel in die Geisteswissenschaften. Die Zahl der Professoren war damals zwar geringer als heute, aber im Verhältnis zur Zahl der Studenten ein Vielfaches höher. Wir haben nun fast 40 Prozent eines Jahrgangs an den Universitäten, und der Zuwachs, der in den vergangenen Jahren politisch gewollt wurde, bis zu 40 Prozent eines Jahrgangs in die Universitäten zu bringen, ist zu einem weit überproportionalen Anteil in die Geisteswissenschaften geflossen. In den vergangenen zehn Jahren fast ausschließlich, das muss man sich mal vorstellen. Und dadurch haben wir eine Leistungsbandbreite der Studierenden, die tatsächlich so weit reicht, von Studierenden, die auch beim Abschluss nicht sehr viel weiter gekommen sind als ihr Ausgangspunkt, weil die Betreuung schwach ist, weil die Universität vielleicht hier auch keinen Schwerpunkt hat und aus anderen Gründen, bis zu – und das habe ich auch gesagt in Berlin, das ist allerdings in den Zeitungsberichten weniger berücksichtigt worden –, wir haben eine Leistungsspitze, die im internationalen Vergleich und im Zeitvergleich der letzten 50 Jahre es so noch nie gegeben hat. Das heißt, wir haben mittlerweile Abschlussarbeiten, Magisterarbeiten, die ein Niveau haben, damit hätte man vor 20 Jahren eine gute Promotion bestanden. Und wir haben – das sehen wir ja auch im Export unserer promovierten Kollegen in benachbarte Länder, nach England oder USA – offenbar einen sehr hohen Leistungsstart in der Spitze. Und diese Bandbreite von doch sehr schwachen Leuten bis zu überragend guten Leuten auf ein und derselben Ebene ist eines der großen Probleme.