"Hell"

Von Anke Leweke · 21.09.2011
Was passiert eigentlich, wenn es wirklich so warm wird, dass uns das Wasser aus geht? Regie-Neuling Tim Fehlbaum nimmt sich dieser Frage im Film "Hell" an und zeigt, was die Erderwärmung aus unserem Planeten machen könnte: eine Hölle.
Auch im Kino muss man blinzeln, so hell ist die Leinwand. Hat man sich an das gleißende Licht gewöhnt, erkennt man eine deutsche Autobahn. Aber kein Auto fährt. Man sieht Bäume, doch sie haben keine Blätter. Überall liegt ein seltsamer Staub. Die Kamera schwenkt zu einem parkenden Auto an einer Tankstelle. Im Wageninneren sitzen drei Menschen, die sich für den Ausstieg präparieren. Sie setzen große Sonnenbrillen auf, wickeln ihrer Köpfe in Tücher, verhüllen ihre Arme.

Tim Fehlbaum braucht nur wenige Minuten, um Bilder für die Klimakatastrophe zu finden, um eine Endzeitstimmung zu etablieren. Sein Regiedebüt "Hell" spielt im Jahre 2016: Die Erderwärmung hat unseren Planeten in eine ausgedörrte Hölle, eine Mondlandschaft verwandelt.

Seit drei Jahren hat es keine Ernte mehr gegeben, die Wasservorräte werden immer knapper. Fehlbaum folgt einer handvoll Menschen bei ihrem Überlebenskampf, beobachtet ihre Reaktionen in der Extremsituation. Rückt man in der Katastrophe einander näher oder geht man seine eigenen Wege?

Phillip (Lars Eidinger), Tom (Stipe Erceg), Marie (Hannah Herzsprung) und ihre kleine Schwester Leonie fahren Richtung Alpen, hoffen, dass sich oben in den Bergen noch Wasser finden lässt. Die unruhige Kamera, die sich immer wieder zwischen den Bäumen versteckt und die Figuren aus der Distanz verfolgt, lässt ahnen, dass es noch andere Menschen gibt. Und dass die kleine Gruppe womöglich verfolgt wird. Sie werden in einer Falle landen, feststellen, dass man es nicht nur auf den Inhalt ihres Kofferraumes, sondern auf sie selbst abgesehen hat. Denn mitten in der Einöde führt Angela Winkler einen seltsamen Familienbetrieb. Plötzlich glaubt man sich nicht mehr in der nahen Zukunft, sondern in einer völlig archaischen Welt, die mit unserer Zivilisation nichts mehr gemein hat.

Tim Fehlbaums Film ist ein Beweis dafür, dass man weder große Effekte noch Unsummen von Geld braucht, um einen Genre-Film in Deutschland zu drehen. Man braucht nur eine Vision von der Katastrophe, und die ist bei diesem jungen Regisseur so eindrücklich, dass man zutiefst verstört das Kino verlässt.

Deutschland / Schweiz 2011. Originaltitel: Das Ende der Nacht. Regie: Tim Fehlbaum. Darsteller: Hannah Herzsprung, Lars Eidinger, Stipe Erceg, Lisa Vicari, Angela Winkler, Christoph Gaugler. 86 Minuten. Ab 16 Jahren