Heiße Teilchen in Greifswald

Von Peter Marx · 06.03.2013
In Mecklenburg-Vorpommern entsteht eines der größten Forschungsprojekte Deutschlands: Die Anlage Wendelstein 7-X soll durch Verschmelzung von Wasserstoff-Atomkernen Energie erzeugen. Wissenschaftler hoffen, dadurch eine nahezu unerschöpfliche Energiequelle zu gewinnen.
Der Anblick des Fusionsreaktors verschlägt einem die Sprache und macht deutlich, was Plasmaphysiker in Greifswald vor allem brauchen: ein sehr gutes Vorstellungsvermögen. Kein rechter Winkel, keine gerade Linie. Nur Kurven und die noch gewunden und gedreht. Ein Monsterapparat, der nicht darstellbar ist – jedenfalls nicht zweidimensional auf Papier. Notwendig sind dreidimensionale Computermodelle. Der erste Eindruck: Hier hat ein verrückt gewordener Professor eine möglichst umständliche Maschine gebaut. Der zweite: Hier bauen Außerirdische ein Raumschiff in Form eines stacheligen Donut. Lutz Wegener, Technischer Leiter des Forschungsprojektes kann über beide Eindrücke lachen, findet aber:

"Na ja, eine tolle Maschine - sagen wir mal so: Monster ist nicht der richtige Ausdruck."

Die tolle Maschine ist eine ringförmige Fusionstestanlage mit einem Durchmesser von 16 Metern. Sie ist fünf Meter hoch und hat ein Gesamtgewicht von 725 Tonnen. In dem Ring, der von 70 mannshohen Magnetspulen eingeschlossen ist, soll ein ionisiertes Wasserstoffplasma auf eine Temperatur von 100 Millionen Grad erhitzt werden.

Lutz Wegener beobachtet vom Gerüst, wie die letzten Teile des Rings geschlossen werden. Was einfacher klingt, als es tatsächlich ist:

"Es sind viele Freiformteile. Sie können keine Regelgeometrien handhaben, wenn sie die Teile zusammensetzen. Sie brauchen immer intensive Unterstützung durch Messvorgänge oder besonders geschultes Personal. Es ist insbesondere der Anlauf jedes neuen Montagevorganges, wenn man also eine erstmalig kommende Komponente zuerst mal zu ihrem Platz bringen muss, integrieren muss, verschweißen, verrohren, verkabeln muss, dann ist das immer eine kleine Premiere, die dann auch mit ihren Anfangsherausforderungen fertig werden muss."

Schweißer Oliver Lah kommt aus der Röhre, wischt sich erst mal den Schweiß von der Stirn. Er lehnt sich gegen ein meterhohes silbern glänzendes Metallteil, greift zur Trinkflasche, atmet tief durch. "Sein Arbeitsplatz", sagt Technikchef Wegener ist "abenteuerlich unbequem":

"Es sind also ergonomisch sehr ungünstige Arbeitsverhältnisse. Das Plasmagefäß ist helikal dreidimensional verwunden. Man steht also immer in gekrümmten Flächen oder muss auf gekrümmten Flächen stehen beziehungsweise gegen gekrümmte Flächen arbeiten. Da fällt es durchaus schwer, Bauteile an diese Flächen raumgenau einzubauen. Das kann man mit der einfachen Hand, mit dem einfachen Auge gar nicht mehr machen. Dafür nützen wir sogenannte Positionsroboter. Das sind Maschinen, die werden in dieses Gefäß im Inneren eingebaut, werden mit mathematischen Koordinaten versorgt, die wir vorher aus den Computermodellen ableiteten. Diese Positioniervorrichtung hält Ihnen dann das Bauteil genau auf die Raumposition, wo es geometrisch hingehört und die Monteure letztlich schweißen dann dieses Teil dann gegen die Stahlwand."

Oliver Lah trinkt noch einen tiefen Schluck, lächelt, und ergänzt die Ausführungen des Technikchefs:

"Ja, die Physiker rechnen was aus, wie das Bauteil sein muss, zwei Stellen nach dem Komma in Millimetern und berechnen das. Und wir müssen das so hinkriegen mit Schweißen und das ist halt das Problem."

Lutz Wegener geht zur offenen Röhre, zwängt sich zwischen zwei Magneten durch, kommt aber schnell wieder zurück. Mit der linken Hand fächelt er sich Luft ins Gesicht:

"Was sie hier so rauschen hören sind die Belüftungsanlagen. Wir haben ja folgenden Effekt: Wenn die Leute im Inneren des Gefäßes arbeiten, was jetzt der Arbeitsschwerpunkt ist, dann brauchen die eine aktive Luftzuführung, damit das Arbeitsklima vernünftig ist. Gleichzeitig ist das Plasmagefäß thermisch isoliert. Wenn sie jetzt Leute darin arbeiten und schweißen lassen in diesem perfekt thermisch isolierten Gefäß, dann haben sie in kurzer Zeit Saunabedingungen. Das heißt, man muss nicht nur frische Luft reinbringen, man muss die Luft auch vorkühlen. Sie dürfen die Leute aber nicht im Luftzug arbeiten lassen, sonst geht das nur eine halbe Stunde gut. Lange Rede kurzer Sinn: Allein das richtige Belüftungsszenario, welche Maschinerie brauchen wir, wo muss Luft rein, wo muss Luft raus war eine eigene Übung."

Ausgerechnet Greifswald?
Die modernen blaugrauen Hallen aus Glas und Stahl des Institutes für Plasmaphysik lassen von außen kaum erahnen, was drin gebaut wird. Hier am nordöstlichen Rand der Universitätsstadt Greifswald entsteht ein Schlüsselexperiment der Kernfusionsforschung. Ziel ist es, ein Kraftwerk zu entwickeln, das ähnlich wie die Sonne durch Verschmelzung von Wasserstoff-Atomkernen Energie erzeugt. Die Forschung verspricht sich davon eine nahezu unerschöpfliche Energiequelle, umweltschonend und sicher. Eigens dafür gründete die Max-Planck-Gesellschaft in Mecklenburg-Vorpommern eine Außenstelle ihres Garchinger Instituts für Plasmaphysik. Und warum Greifswald? Der wissenschaftliche Projekt-Leiter, Thomas Klinger verweist auf die Wendezeit:

"Direkt nach der politischen Wende, nach dem Fall der Mauer, hat die Max-Planck-Gesellschaft sich entschlossen, neue Institute ausschließlich in den neuen Bundesländern zu gründen und damit auch die neuen Forschungsinitiativen in den neuen Bundesländern zu machen. Das wurde für mehr als zehn Jahre sehr konsequent verfolgt und dazu gehört auch unser Institut, was also einen zweiten Standort hier in Greifswald gegründet hat. Jetzt kann man sagen: Warum Greifswald und nicht irgendwo anders? Das hat zu tun mit der langen Tradition dieser Forschung an der Universität Greifswald. Das hat zu tun mit der technischen Kompetenz, die hier am Kernkraftwerk Lubmin vorlag und dem Standort Lubmin. Das hat auch damit zu tun, dass hier ein Leuchtturm etabliert werden sollte, in MV etwas ganz besonderes."

Nur die – um im Bild zu bleiben – Leuchtturmwärter fehlten damals noch. Viele der gesuchten Ingenieure und Wissenschaftler waren über die ganze Welt verstreut. Inzwischen sind über 400 Techniker und 100 Wissenschaftler am Standort Greifwald, die alle nur aus einem Grund kamen. Klinger deutet lächelnd auf den Fusionsreaktor:

"Zunächst haben wir uns offen mit der Frage auseinandergesetzt. Greifswald wo ist denn das? Dann wurde erst mal auf der Landkarte nachgeschaut, wo denn Greifswald liegt. Aber wenn diese Physiker, Ingenieure erst mal hier waren, erst mal den Weg hierher geschafft haben und diese Maschine gesehen haben, dann haben wir sie typischerweise gewonnen. Diese Maschine mit ihrer ganzen Pracht, die gibt es sonst nicht auf der Welt. Das ist ein einmaliges Instrument. Und wenn man dann sagt, das ist eine Anlage bei der ich mitarbeiten möchte, entweder technisch oder wissenschaftlich - dann ist Greifswald der Ort der Wahl."

Bei Institutsleiter Thomas Klinger klingt bei jedem Satz der Stolz auf sein Institut durch. Er war schon dabei, als das neue Institut zum Jahrtausendwechsel eröffnet wurde. Damals waren die Wissenschaftler überzeugt, spätestens 2007 mit dem Probebetrieb des Reaktors zu beginnen. Doch die Anfangsschwierigkeiten waren zu groß und Klinger gibt heute zu: "Wir haben die Probleme unterschätzt." Jetzt soll nächstes Jahr der Probebetrieb beginnen.

"Ich gehe davon aus, sie wird gut funktionieren von Anfang an. Aber nach gut kommt besser. Dann beginnt man zu optimieren, dann beginnt man herauszufinden, wo sind die Betriebsbereiche, wo die Maschine noch besser wird. Letztendlich muss man sich das vorstellen wie die Neuentwicklung eines Formel 1-Rennwagens. Das heißt, der Prototyp wird auf die Straße gesetzt und Sie können schon ein paar gute Runden damit drehen. Aber dann beginnen Sie noch was rauszukitzeln, dann beginnt die Feinarbeit."

Zweifel am Nutzen – Zweifel an der Sicherheit
Beim Institutschef hört sich alles einfach, verständlich und problemlos an. Nicht der Hauch eines Zweifels klingt bei ihm durch, so als müsste er nur einen Nagel in die Wand schlagen und die Energiesorgen der Welt hätten sich erledigt. Doch Skeptikern wie dem grünen Landtagsabgeordneten Johann-Georg Jäger fehlt das Vertrauen in die Fusionsforschung. Sie ist seiner Meinung nach zu teuer und Wendelstein 7-X würde er daher …

"… lieber verschrotten. Der Hintergrund ist, dass ich sage, die Kernfusion wird, wenn sie denn überhaupt funktioniert und das stellen Physiker nach wie vor in Frage, dass es möglich ist auf der Erde Kernfusion durchzuführen. Weil, wir haben die Drücke der Sonne nicht. Wir versuchen das mit Temperaturen auszugleichen. Aber selbst wenn es klappen sollte, sagen die Befürworter, schaffen wir das vielleicht in 30 bis 50 Jahren. Das behaupten sie schon seit 50 Jahren. Und da sagen wir, bis dahin ist das Problem der Energiewende gelöst."

Zusammen mit BUND und der Linken-Fraktion im Landtag fordern die Grünen ein neues Strahlenschutzgutachten, damit letzte Zweifel an der Sicherheit der Anlage ausgeräumt werden. Denn bereits in einem älteren Gutachten wird bezweifelt, dass beim Bau der Maschinenhalle die gesetzlichen Strahlenschutzstandards erfüllt wurden.

"Wir beschäftigen uns sehr intensiv mit dem Genehmigungsverfahren und dabei ist unsere Sorge, dass, weil das Genehmigungsverfahren bereits weit über ein Jahrzehnt läuft, dass dort nicht Unregelmäßigkeiten, aber Leute teilweise den Überblick verloren haben. Und ein konkreter Anlass ist, dass wir fragen, ob die vorgegebene Betonqualität, da muss ein gewisser Wasserinhalt drinnen sein beziehungsweise Bor, um die Abschirmung zu gewährleisten."

Auf die Kritik der Opposition reagierte inzwischen die Landesregierung. Ein externer Gutachter prüft seit zwei Monaten die kritisierten Schwachstellen. Mit einem Ergebnis wird im Laufe des Jahres gerechnet. Thomas Klinger hält dagegen die Kritik für überzogen:

"Sollte es da an der einen oder anderen Ecke, das heißt irgendwie an einem Spalt oder so was, zu Bedenken kommen, werden wir einfach Maßnahmen ergreifen. Also abschirmen ist eine furchtbar triviale Sache. d.h. Sie packen etwas dazwischen. Das sind entweder Parafin-Blocks oder es ist Beton. Und wenn der Beton nicht ausreichen sollte, dann packen wir halt noch eine Parafin-Schicht davor und dann ist es irgendwann genügend abgeschirmt. Also das ist wirklich nicht sehr schwierig, man muss es einfach nur machen."

Klinger wischt mit einer Handbewegung das Thema weg, weil es ihn nervt, während Landtagsabgeordneter Johann-Georg Jäger mit sichtlichem Wohlwollen ein neues Stichwort in die Diskussion bringt: "Radioaktivität".

"Also die Brennkammer wird im Laufe des Betriebes zunehmend radioaktiv. Das hängt von der Betriebsweise ab, ob ich das mit Wasserstoff oder Deuterium mache und dann wenn ich Tritium einsetze wird es noch stärker wohl. Also es wird auf jeden Fall radioaktiv, wird auch eine radioaktive Strahlung frei. Und das sagen auch die Befürworter, dass natürlich die Brennkammer am Ende nur zu entsorgen ist und radioaktiver Abfall darstellt. Sie können allerdings für sich in Anspruch nehmen, dass die Halbwertzeiten um ein Vielfaches geringer sind als zum Beispiel bei Atomkraftwerken."

Schon der Vergleich mit Kernkraftwerken lässt Klingers Adamsapfel hochschnellen:

"Also explodieren kann hier gar nichts. Das ist schon mal prinzipbedingt. Die Plasmen, die wir hier betreiben, sind für sich nicht radioaktiv. Wenn sie ein Gas so heiß machen, ein Gas auf 100 Millionen Grad aufheizen, dann kommt es zur ionisierenden Strahlung. Ionisierende Strahlung das ist so ein großer Begriff, der in der Physik verwendet wird für eine ganze Klasse von verschiedenen Strahlen. Röntgenstrahlen zum Beispiel, die jeder vom Zahnarzt kennt, das ist ionisierende Strahlung. Dann werden im ganz geringen Umfang Gammastrahlen freigesetzt, wie sie uns aus dem Weltall täglich begrüßen."

Das technische Kunststück
Thomas Klinger könnte zu diesem Thema vermutlich eine mehrtägige Vortragsreihe halten. Er schließt aber schnell mit den Worten, "eine Sicherheitsdiskussion sollte jetzt vom Tisch sein". Dann entspannt er wieder, zeigt auf die rund 250 Öffnungen im Ring, in denen noch die Fenster fehlen:

"Erstens, für ein großes Fenster ist kein Platz, denn die Fenster müssen zwischen die Magnete gequetscht werden. Sie müssen sich vorstellen, das hier, in diesem Ring, ein 16 Meter Durchmesser-Ring, dass sich da drin 70 einzelne Magnete befinden. Diese Magnete haben eine Höhe von drei Metern. Jeder Magnet wiegt so einige Tonnen. Und zwischen den Magneten haben Sie einige Zentimeter Platz. Das heißt. Sie müssen viele, viele kleine Fenster da einbauen, damit Sie jeweils zwischen den Magneten reingequetscht, auf das Plasma schauen können."

Die Magnete! Ihr Magnetfeld soll das heiße Plasma bändigen und verhindern, dass es mit dem Metall der inneren Röhre in Berührung kommt.

"Das Ziel ist es, dass wir ein sehr dünnes, aber sehr heißes Gas - Temperaturen sind immer im Bereich von 100 Millionen Grad. Aber das Gewicht dieses Gases, das Gesamtgewicht des Gases in dieser Maschine sind lächerliche 0,1 Gramm. Sie müssen sich vorstellen, ein Wasserstoffgas, 0,1 Gramm, 100 Millionen heiß. Dann müssen wir das Kunststück vollbringen, dieses heiße Gas von der kalten Wand thermisch zu isolieren. Das ist wie so eine Thermoskanne, dieses Magnetfeld. Das Magnetfeld sorgt dafür, dass dieses heiße Gas von der kalten Wand isoliert ist. Das ist das große Ziel, eine bestmögliche Isolation, Wärmeisolation hinzubekommen."

Notwendig ist dafür auf der einen Seite eine 15 Megawatt-Plasmaheizung und auf der anderen Seite eine extrem starke Kühlanlage. Sie soll die Magnetspulen auf Temperaturen nahe dem absoluten Tiefpunkt kühlen. Denn das Stahlgefäß, in dem sich das Plasma aufheizt, darf nicht wärmer als 80 Grad werden.

"Über 400 Tonnen der Maschine werden auf minus 270 Grad abgekühlt, um die Magnete supraleitend zu machen. Allein dieses Abkühlen von unserer Kühlanlage das dauert für sich, wenn alles gut geht, alleine schon zwei bis drei Wochen."

Mindestens zehn Forschungsjahre wird es dauern, schätzt Klinger, bis die Wissenschaftler in Greifswald die optimalen Betriebsbereiche des Fusionsreaktors kennen und damit den nächsten Schritt einleiten können. Den Bau eines Fusionsreaktor-Prototypen.

"Das ist sehr sensibel, wie das richtige Magnetfeld aussieht. Wir wissen das noch nicht vollständig. Wir haben gewaltige Fortschritte gemacht in den letzten Jahrzehnten. Aber um in der Lage zu sein, dass man daraus ein Kraftwerk machen kann, muss man wirklich präzise das richtige Magnetfeld erzeugen. Und das richtige Magnetfeld werden wir in dieser Anlage finden."

Am Anfang stehen die Kosten – am Ende wird geputzt
Aber das dauert seine Zeit und kostet sehr viel Geld. Thomas Klinger deutet auf die Maschine und seine Stimme bekommt einen respektvollen Unterton:

"Also diese Maschine, so wie sie vor uns steht, hat ein Investitionsvolumen von 360 Millionen Euro. Das ist eine ganze Menge, das ist gar keine Frage. Das ist ein Groß-Forschungsinstrument, an dem die ganze Welt arbeiten wird, nicht nur die deutsche Fusionsforschung, sondern auch die europäische Fusionsforschung, US-Amerikaner, Japaner, Russen, alle daran arbeiten werden. Insofern muss man das in einem Kontext sehen. Aber nichtsdestotrotz ist es eine sehr große Investition innerhalb der deutschen Forschungslandschaft. Und ich muss auch sagen, dass ich davor auch großen Respekt habe, dass Deutschland die Kraft hat und den Mut hat, eine solche Forschungsanlage auf die Beine zu stellen."

Der Fusionsreaktor stellt nur einen Teil der Gesamtkosten dar. Hinzu kommen 100 Millionen Euro Baukosten für die Gebäude des Institutes, 280 Millionen für Betriebskosten und 310 Millionen Euro für die Mitarbeiter. Alles zusammen: über eine Milliarde Euro. Den Hauptteil trug bislang der Bund, vom Land kamen 120 Millionen Euro und weitere Mittel von der Europäischen Union.

Inzwischen ist Lutz Wegener, der technische Leiter des Max-Planck-Instituts, bei seinem Rundgang wieder bei den Schweißern angekommen, die am letzten offenen Teilstück des Fusionsreaktors arbeiten. Die hohen Kosten für die Maschine begründet er unter anderem damit, dass kein Teil fertig zu kaufen war. "Alles handgemachte Einzelstücke", sagt er. Dann geht Wegener weiter, begutachtet oberflächlich eine neue Schweißnaht. Um festzustellen, ob ein Fehler vorliegt, bräuchte er jedoch Messgeräte:

"Im Grundsatz kann man sagen, wir wollen eigentlich für das Magnetsystem eine funktionale geometrische Genauigkeit von weit unter einem Millimeter pro Meter erreichen. Die Maschine hat 15 Meter Durchmesser, eine Bautiefe von vier Metern, Komponenten können 3,5 Meter im Durchmesser sein. Sie können aber auch nur einen Meter groß sein. Alles orientiert sich ungefähr an dieser Zahl, weit unter einem Millimeter, wenige Zehntel pro Meter."

Der Ton, der plötzlich durch die Halle dringt, hört sich an wie das Geräusch einer Bohrmaschine, tatsächlich ist es ein sehr schnell schlagender Schmiedehammer, mit dem die Handwerker die noch rotleuchtende Schweißnaht bearbeiten.

"Um diese Verbindungen sehr genau ausführen zu können, wird im Prinzip während des Schweißens, während das Schweißgut noch flüssig ist, wird es schockartig gekühlt mit Kohlendioxideis und wird auch in der Schweißnaht nachgeschmiedet, um zu erreichen, dass eine Komponente sich Bereich weniger zehntel Millimeter genau hinstellt. Das heißt, der Schweißer hat einen Bildschirm, da schaut er drauf. Er ist mit einem Lasermessgerät gekoppelt und das sagt ihm auf den Zehntel-Millimeter genau, wo sein zu schweißendes Bauteil im Moment hinwandert."

In den nächsten Wochen werden die Schweißarbeiten am letzten Teilabschnitt des Fusionsringes fertig sein. "Dann muss nur noch geputzt werden", sagt Lutz Wegener lachend und verabschiedet sich von den Schweißern am Ring. Aber – wie bei allem am Projekt Wendelstein 7-X – kommen dafür nur Spezialisten zum Zuge und nicht die Reinigungstruppen, die Büro und Flure im Plasma-Zentrum sauber halten.

"Dort wird im Prinzip atomare Sauberkeit verlangt. Die metallischen Arbeitsflächen müssen wirklich metallisch sauber sein. Das heißt, die Monteure gehen rein, das geht ein paar Wochen und mit Reinigungsmittel und Putztüchern wird die gesamte Oberfläche mehrfach gewischt, gereinigt, zwischendurch mit Staubsaugern gesaugt. Dann gibt es einen Kryo-Strahl-Arbeitsgang, da wird mit einer Eiskanone nochmals die gesamte Oberfläche innen nachgeputzt, dass auch noch letzte Anhaftungen wegkommen. Dann nochmals gewischt mit Lösungsmitteln und dann gilt das Gerät als Reinheits- oder als Reinraum. Es wird dann abgeschottet und ist nur noch über Schleusen und entsprechender Kleidung zu betreten."

Und genau darauf, auf diesen Tag warten die Wissenschaftler des Institutes schon seit zehn Jahren.


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